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Serbske zakonje
Thomas Pastor

Im engeren Sinn Rechtsnormen, mit denen der Gesetzgeber umfassendere Regelungen sorbischer Angelegenheiten vorgenommen hat (formelle Gesetze). In weiteren Sinn sind unter Sorbengesetzen auch einzelne Rechtssätze formeller Gesetze zu verstehen, deren unmittelbare Adressaten Sorben sind oder die ausdrücklich an Merkmale sorbischer Identität (z. B. Sprache, Kultur, Brauchtum) anknüpfen bzw. diese zum Gegenstand haben. Sorbengesetze sind schließlich Rechtsnormen mit einem solchen Regelungsgehalt, denen unterhalb der Gesetzesebene allgemein verbindliche Wirkung zukommt (materielle Gesetze), etwa Satzungen kommunaler Körperschaften. Sorbengesetze können den Schutz, aber auch die Diskriminierung der Sorben bezwecken (→ Sprachverbote) und werden in der Regel im Rahmen der jeweiligen Sprachenpolitik erlassen. Vor 1945 waren Normen, die sich ausschließlich an Sorben richteten, nur in Sachsen für den Gebrauch der sorbischen Sprache im Volksschulunterricht vorhanden.

Sächsisches Sorbengesetz vom 23.3.1948; Repro aus: Nowa doba 2 (24.3.1948) 23, S. 1

Das erste Sorbengesetz im engeren Sinn stellt das noch vor Gründung der DDR im Land Sachsen erlassene Gesetz zur Wahrung der Rechte der sorbischen Bevölkerung vom 23.3.1948 dar (Gesetztes- und Verordnungsblatt – GVBl. S. 191). Dort wird erstmals ein allgemeiner Anspruch der Sorben auf Schutz und Förderung geregelt, für die sorbisch-deutschen Gebiete der Oberlausitz eine dem Bevölkerungsanteil entsprechende Beteiligung der Sorben an der Verwaltung sowie die gleichberechtigte Verwendung der sorbischen Sprache vorgesehen. Grund- und weiterbildende Schulen mit sorbischer Unterrichtssprache waren einzurichten und die sorbischen »Kulturinteressen« zu fördern. In der hierzu ergangenen Ersten Durchführungsverordnung vom 11.1.1951 (GVBl. S. 47) wurden Regelungen zur Zweisprachigkeit für die öffentliche Verwaltung getroffen, die Beschriftung von Amtsgebäuden, Orts- und Wegebezeichnungen auch in Sorbisch vorgesehen und die sorbische Sprache als Gerichtssprache für die ordentlichen Gerichte der Kreise Bautzen, Hoyerswerda, Kamenz, Löbau und Niesky zugelassen. Für dieNiederlausitz entsprach dem die Erste Verordnung der Landesregierung Brandenburg betreffend Förderung der sorbischen Volksgruppe vom 12.9.1950 (GVBl. II. S. 417), wobei bereits auf die Verfassung der DDR von 1949 Bezug genommen wurde. Diese enthielt in ihrem Artikel 11 zwar eine Bestimmung, wonach für die »fremdsprachigen Volksteile der Republik« ein Anspruch auf Förderung der freien volkstümlichen Entwicklung bestehe und sie am Gebrauch der Muttersprache nicht gehindert werden durften. Da die Sorben jedoch erkennbar der einzige Adressat der Norm waren, ist auch bei dieser Bestimmung von einem Sorbengesetz auszugehen. Die »sozialistische Weiterentwicklung« der Vorschrift zu Artikel 40 der Verfassung der DDR 1968 bzw. 1974 nahm dann ausdrücklich auf die »Bürger der Deutschen Demokratischen Republik sorbischer Nationalität« Bezug. Eine Umsetzung der Sorbengesetze der Jahre 1948 bis 1952 ist in der Einrichtung von Schulen mit sorbischer Unterrichtssprache, der Gründung des Sorbischen Instituts für Lehrerbildung, des Instituts für sorbische Volksforschung (→ Sorbisches Institut) und des Instituts für Sorabistik an der Universität Leipzig sowie einer Reihe von sorbischen kulturellen Institutionen (z. B. → Deutsch-Sorbisches Volkstheater,→ Sorbisches National-Ensemble, → Sorbisches Museum), aber auch in der zweisprachigen Beschilderung von öffentlichen Gebäuden, Straßen und Ortschaften zu sehen. Das Recht der Sorben, in »ihren Heimatkreisen« vor Gericht die sorbische Sprache zu gebrauchen, wurde in die verschiedenen Fassungen des Gerichtsverfassungsgesetzes der DDR ausdrücklich aufgenommen. Im Bereich des Bildungswesens wurden in den Jahren 1952, 1964 und 1968 auf untergesetzlicher Ebene ausführliche Bestimmungen getroffen.

Das einzige bundesrechtliche Sorbengesetz ist im Vertrag über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag) vom 31.8.1990 (Bundesgesetzblatt – BGBl. II S. 889) enthalten. Die Protokollnotiz Nr. 14 zu Artikel 35 des Einigungsvertrags schreibt die Bekenntnisfreiheit zum sorbischen Volkstum und zur sorbischen Kultur fest, enthält eine Schutzklausel für die sorbische Kultur und gewährleistet für Angehörige des sorbischen Volkes sowie ihre Organisationen die Freiheit zur Pflege und Bewahrung der sorbischen Sprache im öffentlichen Leben. Ferner leitet der Einigungsvertrag die Regelung des Gerichtsverfassungsgesetzes der DDR über, wonach Sorben in den Heimatkreisen ihre Sprache vor Gericht gebrauchen dürfen. Das Sorbengesetz des Landes Sachsen von 1948 wurde durch Artikel 9 Absatz 1 Einigungsvertrag zunächst als Landesrecht übergeleitet und hat seine Geltung in Sachsen erst mit Inkrafttreten des Sächsischen Sorbengesetzes von 1999 vollständig verloren.

Auf Landesebene sind Sorbengesetze in den Verfassungen des Freistaates Sachsen und des Landes Brandenburg enthalten. Artikel 6 Absatz 1 der Sächsischen Verfassung erkennt die »Bürger sorbischer Volkszugehörigkeit« als »gleichberechtigten Teil des Staatsvolks« an und enthält eine Schutzklausel für die Bewahrung der sorbischen Identität sowie das Recht auf Pflege und Entwicklung ihrer angestammten Sprache, Kultur und Überlieferung, insbesondere durch Schulen, vorschulische und kulturelle Einrichtungen. Artikel 6 Absatz 2 regelt die Berücksichtigung der Lebensbedürfnisse des sorbischen Volkes bei der Landes- und Kommunalplanung sowie den Erhalt des deutsch-sorbischen Charakters des sorbischen Siedlungsgebiets. Artikel 6 Absatz 3 bestimmt, dass die landesübergreifende Zusammenarbeit der Sorben, insbesondere in der Ober- und Niederlausitz, im Interesse des Landes liegt. Artikel 2 Absatz 4 der Sächsischen Verfassung lässt für das sorbische Siedlungsgebiet die gleichberechtigte Führung der Farben und des Wappens der Sorben neben den Landesfarben und dem Landeswappen zu. Artikel 25 Absatz 1 der Brandenburger Verfassung gewährleistet das Recht des sorbischen Volkes auf Schutz, Erhaltung und Pflege seiner nationalen Identität und seines angestammten Siedlungsgebiets und enthält eine Verpflichtung des Landes sowie der Gemeinden und Gemeindeverbände, die Verwirklichung dieses Rechts zu fördern. Das Recht auf Bewahrung und Förderung der sorbischen Sprache und Kultur im öffentlichen Leben und ihre Vermittlung in Schulen und Kindertagesstätten wird in Artikel 25 Absatz 3 der Brandenburger Verfassung geregelt, Artikel 25 Absatz 4 sieht die Einbeziehung der sorbischen Sprache in die öffentliche Beschriftung vor und definiert die sorbische Fahne. In Artikel 25 Absatz 5 ist ein Gesetzgebungsauftrag zur Ausgestaltung der Rechte der Sorben enthalten.

Verkündung des sächsischen Sorbengesetzes, 1948; Fotograf: Schmidt (Bautzen); Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Der brandenburgische Gesetzgeber ist mit dem Erlass des Gesetzes zur Ausgestaltung der Rechte der Sorben (Wenden) im Land Brandenburg – dem sog. Sorben(Wenden)-Gesetz (SWG) – vom 7.7.1994 (GVBl. I S. 294) dem Verfassungsauftrag aus Artikel 25 Absatz 5 der Landesverfassung nachgekommen. Im Jahr 2014 novellierte der Brandenburgische Landtag dieses Gesetz. Das sorbische Siedlungsgebiet erfuhr dabei eine namentliche Festlegung und Erweiterung. In Sachsen ist mit dem Gesetz über die Rechte der Sorben im Freistaat Sachsen (Sächsisches Sorbengesetz – SächsSorbG) vom 31.3.1999 (GVBl. S. 161) ebenfalls ein Sorbengesetz im engeren Sinn geschaffen worden. Beide Gesetze schreiben ein Recht der Sorben auf nationale Identität fest und erkennen die Sorben als »gleichberechtigten Teil des Staatsvolkes« an. Die sorbische Volkszugehörigkeit wird jeweils über das Bekenntnis zum sorbischen Volk definiert und das »angestammte Siedlungsgebiet der Sorben (Wenden)« bzw. »sorbische Siedlungsgebiet« festgelegt. Beide Gesetze enthalten eine Beschreibung der sorbischen Fahne bzw. Farben und regeln für das sorbische Siedlungsgebiet die gleichberechtigte Verwendung der sorbischen neben den staatlichen Symbolen. Für Angelegenheiten, die die Rechte der Sorben berühren, wird jeweils ein Rat für sorbische Angelegenheiten (Sorbenrat) eingerichtet. Dessen Mitglieder werden auf Vorschlag der sorbischen Verbände, in Sachsen auch der Gemeinden des sorbischen Siedlungsgebiets, vom Landtag gewählt. Der Sorbenrat fungiert in Brandenburg als beratendes Organ des Landtags. In Sachsen muss er bei der Berührung von Angelegenheiten, die die Rechte der sorbischen Bevölkerung betreffen, vom Landtag und von der Staatsregierung gehört werden. Die Sächsische Staatsregierung ist darüber hinaus verpflichtet, dem Landtag mindestens einmal in jeder Legislaturperiode einen Bericht zur Lage des sorbischen Volkes im Freistaat Sachsen zu erstatten. In Brandenburg sollen bei den kommunalen Gebietskörperschaften im sorbischen Siedlungsgebiet Beauftragte für sorbische Angelegenheiten benannt werden, in Sachsen bei den Behörden des Freistaats möglichst Ansprechpartner, die der sorbischen Sprache mächtig sind, zur Verfügung stehen. Während sich das Brandenburger Sorbengesetz hinsichtlich der sorbischen Sprache auf eine abstrakte Formulierung von Schutz und Förderung beschränkt, die sich so oder sogar noch deutlicher bereits aus Artikel 25 Absatz 3 der Verfassung des Landes Brandenburg (BbgVerf) ergibt, wird der Gebrauch der eigenen (sorbischen) Sprache im Sächsischen Sorbengesetz als »ein wesentliches Merkmal sorbischer Identität« bezeichnet. Das Gesetz enthält ferner Regelungen für den Gebrauch vor Gerichten und Behörden, die in Brandenburg zwar bestehen, aber keine Aufnahme in das Sorbengesetz gefunden haben. Beide Gesetze enthalten Vorschriften zur zweisprachigen Beschriftung (Beschilderung) sowie Förder-, Hinwirkungs- und Bemühensklauseln zu den Bereichen Kultur, Sorabistik (Wissenschaft), Medien und länderübergreifende Zusammenarbeit. Sie enthalten keine vollständige Sammlung der formellen Sorbengesetze Brandenburgs bzw. Sachsens, sondern nur eine Auswahl. Die Verkündung des Brandenburger Sorbengesetzes ist auch in niedersorbisch, die Verkündung des Sächsischen Sorbengesetzes auch in obersorbischer Sprache erfolgt.

Eine Vielzahl von materiellen Sorbengesetzen besteht als kommunales Satzungsrecht, in der Regel bezogen auf die Förderung der sorbischen Sprache und Kultur. In Sachsen sind die Gemeinden und Landkreise des sorbischen Siedlungsgebiets zum Erlass solcher Satzungen verpflichtet.

Sorbengesetze aus dem Bereich des Rechts der Europäischen Union oder des Völkerrechts gibt es derzeit nicht, zumal es keinen (Heimat-)Staat der Sorben gibt, der für diese mit dem deutschen (Herbergs-)Staat völkerrechtliche Vereinbarungen treffen könnte. Die für die Sorben anzuwendenden Vorschriften beziehen sich stets allgemein auf den Schutz von nationalen, ethnischen oder sprachlichen Minderheiten oder Volksgruppen. Für den Anwendungsbereich des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten hat die Bundesrepublik Deutschland die Erklärung abgegeben, dass (auch) die Angehörigen des sorbischen Volkes mit deutscher Staatsangehörigkeit nationale Minderheit im Sinne des Rahmenübereinkommens sind; die Sprachen Obersorbisch und Niedersorbisch sind als vom Geltungsbereich der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen erfasste Sprachen anerkannt.

Lit.: H. Nowusch: Die Gleichberechtigung der Bürger sorbischer Nationalität in der DDR – verwirklichtes Menschenrecht, 3. Aufl., Bautzen 1988; Th. Pastor: Die rechtliche Stellung der Sorben in Deutschland, Bautzen 1997; L. Elle: Die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen und die Sprachenpolitik in der Lausitz, Bautzen 2004; L. Elle: Das Rahmenübereinkommen des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten und die Minderheitenpolitik in der Lausitz, Bautzen 2005; D. Rein: Nationale Minderheit, Volksgruppe, Volk, Sprachminderheit, ethnische Minderheit oder was? Versuch einer juristischen Begriffsklärung, Bautzen 2018.

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Serbske zakonje
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Pastor, Thomas
Pastor, Thomas
zakoń; mjeńšinowa politika; serbska politika; rěčna politika; předpis
zakoń; mjeńšinowa politika; serbska politika; rěčna politika; předpis

We wušim zmysle prawniske normy, z kotrymiž je zakonjedawar postajił wobšěrne rjadowanja serbskich naležnosćow (formelne zakonje). W šěršim zmysle rozumimy pod zapřijećom Serbski zakoń tež jednotliwe prawniske sady formelnych zakonjow, kotrež njeposrědnje Serbow potrjechja.

We wušim zmysle prawniske normy, z kotrymiž je zakonjedawar postajił wobšěrne rjadowanja serbskich naležnosćow (formelne zakonje). W šěršim zmysle rozumimy pod zapřijećom Serbski zakoń tež jednotliwe prawniske sady formelnych zakonjow, kotrež njeposrědnje Serbow potrjechja.

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