Sorbisches Kulturlexikon DIGITAL
Was war das Wendenregiment? Seit wann gibt es Bücher und Verlage mit sorbischer Literatur? Wann entstand der Mythos um den sorbischen Zauberer Krabat? Worin liegen die Besonderheiten der Ober- und der Niederlausitz, der ober- und der niedersorbischen Sprache? Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem Braunkohlenbergbau? – Lexika und Enzyklopädien dienen der schnellen Information über Daten und Namen, Fakten und Zahlen. Für die sorbische Kultur und Geschichte liegt seit 2014 ein solches populäres Hilfsmittel, das „Sorbische Kulturlexikon“ vor, das den aktuellen Wissensstand zum Leben der Lausitzer Sorben systematisch darstellt.
Das Lexikon, ein Projekt des Sorbischen Instituts (erschienen im Domowina-Verlag Bautzen), bietet das in vielen Veröffentlichungen verstreute Wissen über die alteingesessene Minderheit in beiden Lausitzen. In mehr als 200 Sachartikeln gewährt es Einblick in den heutigen Forschungsstand gleich mehrerer geisteswissenschaftlicher Disziplinen. Neben den Mitarbeitern des Sorbischen Instituts waren zahlreiche auswärtige Autoren an der Arbeit beteiligt. Die Forschungen und Publikationen zum Thema haben seit der Epoche der Aufklärung, besonders aber im frühen 19. Jahrhundert ständig zugenommen. Heute bestehen gesicherte Erkenntnisse auf vielen Gebieten der sorbischen Geschichte, Sprache, Literatur oder Volkskunde. Das Lexikon wendet sich vor allem an die interessierte deutschsprachige Öffentlichkeit. Von „Alphabet“ bis „Zweisprachigkeit“ liefert es die wesentlichen Ergebnisse sorabistischer Forschung aus dem In- und Ausland.
Mit der digitalen Version soll der Kreis der Rezipienten erweitert werde. Jedes Stichwort im alphabetisch geordnetem Nachschlagewerk beginnt mit einer Definition und bietet danach eine anschauliche Beschreibung des jeweiligen Gegenstands. Biografische und geografische Informationen zu Land und Leuten werden im Kontext der Themen vermittelt. Die Texte der Druckversion wurden gegebenenfalls geringfügig bearbeitet, u. a. wurden Sachfehler beseitigt sowie die Fachliteratur aktualisiert. Aus rechtlichen Gründen können in der digitalen Präsentation nicht alle Illustrationen aus der Druckversion übernommen werden, stattdessen stehen Alternativen aus dem Fotoarchiv des Sorbischen Kulturarchivs zur Verfügung.
Archivalische Quellen zur Geschichte und Kultur der Sorben sind Bestandteile der Lausitzer Überlieferung. Sie finden sich deshalb in allen Archiven der jeweiligen Herrschaftsträger in der Ober- und Niederlausitz, als da sind zentrale und regionale Landesarchive, Stadt-, Kreis- und Gutsarchive, zentrale Kirchenarchive und lokale Pfarrarchive.
Im soziologischen Sinne ein Vorgang, bei dem Angehörige einer meist kleineren ethnischen oder nationalen Gemeinschaft bestimmte charakteristische Merkmale wie Sprache, Kultur oder Mentalität verlieren und sich Merkmale einer anderen, meist größeren ethnischen oder nationalen Gruppe aneignen. Auf die Sorben bezogen bedeutet Assimilation das Aufgehen in bzw. Verschmelzen mit dem deutschen Volk.
Präsentation im Ausstellungspalast an der Stübelallee in Dresden, die von Juni bis September 1896 unter der Schirmherrschaft des sächsischen Königs Albert stattfand. Sie stand in der Tradition der seit Mitte des 19. Jh. veranstalteten Industrie- und Gewerbeschauen und sollte die Leistungskraft des sächsischen Handwerks aufzeigen.
Prozess der Landnahme bzw. Niederlassung zur Sicherung des Lebensunterhalts. Im Zuge der Völkerwanderung, bei der die Slawen ihre Urheimat (vermutlich nördlich der Karpaten zwischen Weichsel und Dnjepr) verlassen hatten, gelangten ab dem 7. Jh. slawische Stämme u. a. in das Gebiet bis zur Saale/Elbe. Dabei ist von mehreren Besiedlungswellen und Siedlungsschwerpunkten auszugehen.
Übertragungen des hebräischen Alten Testaments und des griechischen Neuen Testaments in andere Sprachen. Die Besonderheiten der beiden sorbischen Sprachen und die unterschiedliche konfessionelle Zugehörigkeit der Obersorben ließen nach der Reformation drei Bibeltraditionen entstehen.
Bedeutendste sorabistische Bibliothek bis 1949. In der Gründungsphase der Maćica Serbska entstand 1846 in Bautzen erstmals eine zentrale Bibliothek mit Archivfunktion, die sich der systematischen Sammlung aller sorbischsprachigen Neuerscheinungen sowie von Publikationen über die Sorben annahm.
Professionelle Hervorbringungen auf den Gebieten der Malerei, Grafik und Bildhauerei in Abgrenzung zur Volkskunst, einschließlich Grenzen überschreitender Gattungen wie Fotografie, Video, Zeichentrickfilm, Objektkunst oder Installation. Sorbische bildende Kunst war stets in die allgemeine Geschichte der Sorben eingebunden.
Ritualisierte Handlungen mit zeichenhafter Wirkung, die regelmäßig von lokalen bzw. regionalen, sozialen oder ethnischen Gemeinschaften vorgenommen werden. In der sorbischen Kulturgeschichte besitzen sie als Ausdruck nationaler und regionaler Zugehörigkeit grundlegende Repräsentationsfunktion. Die sozialwissenschaftliche Kategorie „Brauch“ erfährt in der sorbischen Volkskunde besondere Beachtung.
Historische Burgen, deren Befestigung im Wesentlichen aus Wällen in Holz-Erde-Konstruktion besteht. Sie gehören zu den eindrucksvollsten frühgeschichtlichen Denkmalen der Lausitzen. In der Ober und Niederlausitz sind mehr als 100 solcher „Schanzen“ des 8./9. bis 12. Jh. bekannt, wobei weitere, inzwischen abgetragene Wallburgen anzunehmen sind.
Verbreitung des Christentums, hier historischer Vorgang vom 10. bis zum 13. Jh., bei dem die heidnische slawische Bevölkerung zwischen Saale und Neiße durch Missionstätigkeit bzw. Zuwanderung von christlichen Siedlern zur Annahme des christlichen Glaubens gebracht wurde.
Epoche zwischen 1949 und 1990, die mit der Gründung eines sozialistischen Staates nach sowjetischem Vorbild im Osten Deutschlands begann. Ihr ging die Machtübernahme der Kommunisten in der Sowjetischen Besatzungszone zwischen 1945 und 1949 voraus. Sie endete 1989/90 mit der politischen Wende.
Sprachformen, die in einer bestimmten Landschaft von der ansässigen Bevölkerung im täglichen Umgang benutzt werden. Sie unterscheiden sich durch phonologische, grammatische und lexikalische Eigenheiten von der Schriftsprache und der lokalen Sprache der Nachbarterritorien. Trotz eines begrenzten Sprachgebiets ist das Sorbische dialektal stark differenziert.
Teildisziplin der Sprachwissenschaft, deren Gegenstand die territoriale Differenzierung der nicht standardisierten Varietäten einer Sprache in Mundarten bzw. Dialekte ist. Diese werden in phonetischer, morphologischer, lexikalischer und syntaktischer Hinsicht untersucht und beschrieben.
Gattung der Literatur, deren Werke auf eine Inszenierung im Theater angelegt sind. Die Dramatik hat sich bei den Sorben erst im letzten Viertel des 19. Jh. innerhalb der Jungsorbischen Bewegung herausgebildet. Bis 1948 handelte es sich um Spielvorlagen für Laienensembles, danach auch für die einzige sorbische Berufsbühne in Bautzen.
Staatenkonflikt um die Hegemonie in Europa und zugleich Religionskrieg, der von 1618 bis 1648 überwiegend auf dem Boden des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation ausgetragen wurde. Der Dreißigjährige Krieg unterbrach die kulturelle Entwicklung der Sorben, namentlich die Herausgabe religiöser Schriften.
Öffentlich vorgetragene, feierliche Versicherung, oft unter Bezugnahme auf etwas Drittes, das dem Eidleistenden oder der Gruppe heilig oder unantastbar ist. Es gibt eine Reihe sorbischsprachiger Eidestexte, deren Entstehung auf das 16. bis 18. Jh. (teilweise bis ins 19. Jh.) datiert werden kann.
Rituale und Zeremonien, die Beginn und Abschluss der Getreideernte begleiten. Sie regeln die Arbeitsabläufe während der Ernte und normieren das Erntefest. Erntebräuche haben sich in Abhängigkeit von der agrarischen Verfassung der jeweiligen Landschaft entwickelt.
Vor der österlichen Bußzeit gelegene Zeit der Heiterkeit und Ausgelassenheit, die mit dem Dreikönigstag (6. Januar) beginnt und in katholischen Gegenden mit dem Aschermittwoch, laut bäuerlichem Festkalender nach dem ersten Sonntag in der Passionszeit endet. In der Niederlausitz finden bis heute das Zampern und die sog. Zapustumzüge bis vier Wochen vor Ostern statt.
Kunstform, in der bewegte Bilder produziert werden. Sorbische Filme können Spiel- oder Dokumentarfilme mit künstlerischem Anspruch in ober- und niedersorbischer Sprache, Filme mit sorbischen Motiven, von Sorben produzierte Filme oder solche, in denen Sorbisches anklingt, sein. Die Verbreitung sorbischer Filme erfolgt durch Kinoaufführungen, Fernsehen und audiovisuelle Medien (Videos, CD, DVD usw.).
Sammlung von Kirchenliedern für den evangelischen und katholischen Gottesdienst, die seit der Reformation in Gebrauch sind. In der Geschichte der sorbischen Literatur, deren Beginn mit der Kirchenerneuerung zusammenfällt, spielte das Gesangbuch als der älteste gedruckte Buchtyp eine wesentliche Rolle.
Darstellung von geschichtlichen Ereignissen in Abhängigkeit von politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten. Die Geschichtsschreibung rekonstruiert Entwicklungen aus dem Bereich der Politik- und Sozialgeschichte, der Kultur-, Kirchen- und Wirtschaftsgeschichte sowie der Personengeschichte mit dem Ziel einer bewusstseinsbildenden Wirkung.
Monografische Darstellungen des Systems einer Sprache auf phonetisch-phonologischer, morphologischer und syntaktischer Ebene. Sie dienen einerseits der Beschreibung und Erklärung der sprachlichen Erscheinungen (deskriptiv) und andererseits ihrer Kodifizierung (präskriptiv), womit sie zur Herausbildung und Stabilisierung der Sprachsysteme beitragen.
Fest zur Eheschließung, bei dem Trennungs- und Aufnahmerituale den Statuswechsel vom ledigen zum verheirateten Erwachsenen begleiten und öffentlich anzeigen. Der Begriff „sorbische Hochzeit“ (obersorb. serbski kwas, niedersorb. serbska swajźba) stammt aus dem 19. Jh. und bezeichnet eine Hochzeit nach bäuerlichem Traditionsmodell in der Lausitz.
Das Hoyerswerdaer Land ist das nordwestliche Randgebiet der Oberlausitz, im Nordwesten grenzt es an die Senftenberger Region, im Norden an die Spremberger Region und im Osten an die Schleifer Region. Einen Teil der Südgrenze bilden die katholischen Dörfer um Wittichenau, die sich früher im Besitz des Klosters St. Marienstern befanden.
Gelehrte, die im 15./16. Jh. die geistige Bewegung des Humanismus vertraten, die in Wissenschaft und Kunst die Wiederbelebung der griechisch-römischen Antike zum Ideal erhob. Die Nähe humanistischer Universitäten wie Wittenberg, Leipzig, Frankfurt (Oder) und Krakau zur Lausitz veranlasste ab ca. 1500 auch junge Sorben dort zu studieren.
Kämpfe zwischen Hussiten und Reichstruppen, die infolge des Aufrufs zum Kreuzzug durch Papst Martin V. vom 1.3.1420 gegen die „Ketzer“ in Böhmen einsetzten und erst 1436 im Frieden mit Papst und Kaiser endeten. Die Hussiten bildeten eine kirchenreformerische bzw. revolutionäre Bewegung in Böhmen, die schon im Namen an den Reformer Jan Hus anknüpfte.
Einrichtung zur Lehre und Erforschung von Sprache, Literatur, Geschichte und Kultur der Sorben in Leipzig. Mit Beginn des Wintersemesters 1951/52 wurde an der Leipziger Universität ein „Sorbisches Institut“ gegründet (seit 1969 Institut für Sorabistik), das Sorabisten in allen Disziplinen auszubilden und zugleich eigene Projekte zu erarbeiten hatte.
Südwestlicher Teil des sorbischen Siedlungsgebiets der Oberlausitz, begrenzt in etwa vom Städtedreieck Bautzen – Kamenz – Hoyerswerda. Dort liegen die zum Bistum Dresden-Meißen gehörenden Pfarreien einschließlich der Dompfarrei St. Petri in Bautzen sowie die zum Bistum Görlitz zählende Pfarrei Wittichenau.
Gesamtheit der für Kinder und Jugendliche verfassten oder empfohlenen sowie von diesen gemeinhin rezipierten künstlerischen Texte. Die Anfänge einer sorbischen Kinder- und Jugendliteratur sind in der Aneignung von Teilen der Volksdichtung durch Kinder und Jugendliche zu sehen.
Abgeschirmte Orte, an denen Männer oder Frauen, die einem religiösen Orden angehören, nach bestimmten Regeln in einer Nonnen- oder Mönchsgemeinschaft leben. In der Lausitz bestanden bis zur Reformation 14 Männer- und vier Frauenklöster sowie als Kollegiatskapitel das Domstift St. Petri in Bautzen.
Überführung von Privateigentum an landwirtschaftlichem Besitz in Gemeineigentum, im engeren Sinne die Bildung von juristisch selbstständigen Produktionsgenossenschaften (LPGs) in der DDR der 1950er Jahre. Bauern der Gemeinde Kreckwitz im Kreis Bautzen gründeten Ende Juli 1952 die erste LPG in der deutsch-sorbischen Region.
Zielgerichtete Erschließung von nicht oder gering besiedelten Gebieten, in der Lausitz seit dem 7./8. Jh. und verstärkt im 13. Jh. Die äußere Kolonisation verbindet sich mit Zuwanderung, die innere Kolonisation mit dem Landesausbau. Sie bewirkt meist eine soziale und wirtschaftliche Innovation.
Wirtshaus oder Gasthof für Veranstaltungen auf dem Lande, v. a. östlich der Elbe, namentlich in der Oberlausitz. Der Kretscham war bis Mitte des 19. Jh. oft Sitz des mit der Schankgerechtigkeit ausgestatteten Schultheißen und Ort des Patrimonialgerichts, das meist mit einem Rittergut verbunden war.
Disziplin der Geisteswissenschaften, die die Bildende Kunst in ihrer historisch konkreten Vielfalt und die ihr zugrunde liegenden Gesetzmäßigkeiten erforscht. Dabei gilt den Künstlern ebenso Aufmerksamkeit wie den Bedingungen der Produktion, Distribution und Rezeption von Kunst. Kunstwissenschaft schließt Kunstgeschichte, Kunstkritik und Kunsttheorie ein.
Territorien, die im 15. und 16. Jh. von der zur böhmischen Krone gehörenden Niederlausitz an die brandenburgische Kurmark übergingen und bis zu ihrer festen Vereinigung mit Preußen Mitte des 18. Jh. eine besondere Verwaltungseinheit bildeten. Dies betraf 1462 die Herrschaften Teupitz und Bärwalde, 1490 Zossen, 1555 Beeskow und Storkow.
Landschaft, die sich am westlichen Rand des ostmitteleuropäischen Raums in einer Nord-Süd- Länge von ca. 170 km und einer Breite von 120 km erstreckt. Ihre geografische Einheit ergibt sich durch die parallel verlaufenden Flüsse Spree und Neiße, die der Abdachung von den Bergketten im Süden zum Tiefland im Norden folgen.
Wissenschaftliche Beschäftigung mit Literatur, insbesondere ihrer Geschichte, Struktur und Funktion. Der relativ späten Entfaltung eines sorbischen schöngeistigen Schrifttums im 18. Jh. entspricht eine – z. B. gegenüber der Sprachwissenschaft – kürzere literaturwissenschaftliche Forschungstradition.
Mehrepisodige Prosaerzählung über wunderbare und abenteuerliche Erlebnisse von Menschen und
Tieren, die mithilfe fantastischer Mittel und Möglichkeiten ihr Glück machen.
Die Ableitung des Begriffs
Älteste gesamtnationale und überkonfessionelle wissenschaftlich-kulturelle Vereinigung der Sorben in der Ober- und Niederlausitz. Sie entstand auf dem Höhepunkt der nationalen Wiedergeburt nach dem Vorbild ähnlicher Organisationen bei anderen slawischen Völkern und beeinflusste über Jahrzehnte das geistig-kulturelle Leben der Minderheit.
Inhaltliche, prozessuale und institutionelle Regelung gesellschaftlicher Beziehungen im Hinblick auf nationale Minderheiten, hier mit Fokus auf die deutsch-sorbischen Beziehungen. Verschiedene Politikbereiche (Sprachenpolitik, Kultur- und Bildungspolitik, Rechtsordnung) sind minderheiten- bzw. nationalitätenpolitisch relevant.
Gesamtheit der Schöpfungsgeschichten sowie der Götter- und Heroengeschichten und deren wissenschaftliche Deutung. Für die sorbische Überlieferung sind v. a. die Berichte von den Ursprüngen der Stämme, von Kulten und Riten und von der Begründung der gesellschaftlichen Ordnung interessant.
Epoche von 1933 bis 1945, die mit der Machtergreifung durch die NSDAP unter Adolf Hitler begann und mit der Kapitulation Deutschlands am Ende des Zweiten Weltkriegs endete. Eines der Kennzeichen des Nationalsozialismus war der auf die Rassentheorie gegründete Antislawismus.
Historisch-kulturell geprägte Kennzeichen oder Sinnbilder nationaler Identifikation, die nach innen integrierende, gemeinschaftsbildende Funktionen besitzen und nach außen hin abgrenzen und eigene Bestrebungen unterscheidbar machen sollen. Als Ausdruck sowie als Stimulus eines neuen sorbischen Selbstverständnisses entstand während der nationalen Wiedergeburt ein Kanon nationaler Symbole.
Prozess des nationalen Erwachens, der bei zahlreichen slawischen Völkern Ende des 18. Jh. einsetzte und im 19. Jh. in die Entstehung moderner bürgerlicher Nationen mündete. Anzeichen einer nationalen Bewusstwerdung zeigten sich bei den Sorben Mitte des 18. Jh., insbesondere in der Oberlausitz. Von der Spätaufklärung und dem Pietismus vorbereitet, verlief die nationale Wiedergeburt in mehreren Phasen bis zur Mitte des 19. Jh.
Gelehrtengesellschaft, die 1779 auf Initiative des Juristen, Historikers und Sprachforschers Karl Gottlob von Anton in Görlitz gegründet wurde. Sie wollte durch wissenschaftliche Forschungen über Geschichte und Naturkunde der Oberlausitz zur allgemeinen Aufklärung beitragen.
Normierung der Schreibung einer Sprache zwecks größtmöglicher grafischer Einheitlichkeit (Rechtschreibung). Die nieder- und obersorbische Orthografie beinhaltet Regeln zur korrekten Verwendung von Buchstaben und diakritischen Zeichen, Regeln zur Interpunktion sowie zur Groß- und Kleinschreibung.
Kunstvoll verzierte und geschmückte Hühner- oder andere Eier, die vorwiegend in der Fastenzeit vor Ostern gestaltet werden. Überliefert sind bei den Sorben vier Verzierungstechniken: die Wachsreservetechnik, die Wachsbossiertechnik, die Kratztechnik und die Ätztechnik.
Erneuerungsbewegung in der evangelischen Kirche des ausgehenden 17. und des 18. Jh. Wichtige Merkmale waren die Betonung der Frömmigkeit und der Glaubenserfahrung. In der Lausitz trug der Pietismus zur Förderung der Kirchlichkeit, der Bildung und der Literatur des sorbischen Volkes bei.
Gesamtheit aller Arbeitsleistungen und Dienste, zu denen die meist bäuerlichen Untertanen vom späten Mittelalter bis zu den Agrarreformen des 18. und 19. Jh. verpflichtet waren. Der aus dem westslawischen Wort robota (,Arbeit, Fron‘) ins Deutsche entlehnte Begriff blieb auf den slawisch-deutschen Sprachraum im Osten beschränkt.
Territoriale Ausdehnung der Region, die kontinuierlich von einer Bevölkerung bewohnt wurde bzw. wird. Der Begriff erlangte in der aktuellen Minderheitenpolitik gegenüber den Sorben an Bedeutung, nachdem gebietsbezogene, jedoch nicht den administrativen Grenzen folgende Maßnahmen des Minderheitenschutzes festgelegt wurden.
Westslawisches Volk in der Ober- und Niederlausitz, das im Deutschen früher meist „Wenden“ genannt wurde (z. T. auch „Sorbenwenden“ oder „Lausitzer Serben“); in der Niederlausitz heute offiziell „Sorben/Wenden“. Es bezeichnet sich selbst durch das Ethnonym obersorbisch „Serbja“ bzw. niedersorbisch „Serby“, im Singular jeweils „Serb“.
Im engeren Sinn Rechtsnormen, mit denen der Gesetzgeber umfassendere Regelungen sorbischer Angelegenheiten vorgenommen hat (formelle Gesetze). Im weiteren Sinn sind unter Sorbengesetzen auch einzelne Rechtssätze formeller Gesetze zu verstehen, deren unmittelbare Adressaten Sorben sind.
Gesamtheit der ober- und niedersorbischen Dialekte einschließlich der
Übergangsdialekte sowie der ober- und niedersorbischen Schriftsprache;
Eigenbezeichnungen serbšćina bzw. obersorb.
Zyklus basisdemokratischer Diskussionsforen der Sorben (obersorb. Serbska narodna zhromadźizna, niedersorb. Serbska narodna zgromaźina), die unter dem Einfluss von Glasnost und Perestroika in der Endphase der DDR zwischen November 1989 und März 1990 in Bautzen und Cottbus stattfanden.
Prozess des Erlernens einer Sprache, der das Aneignen von vier sprachlichen Grundkompetenzen beinhaltet: Verstehen und Sprechen (mündliche kommunikative Fertigkeiten werden primär erworben), Lesen und Schreiben (folgen gewöhnlich zu einem späteren Zeitpunkt in der Schule).
In der tschechischen und russischen Sprachwissenschaft entwickelter Begriff, der die systematische Pflege einer Sprache umfasst und sich insbesondere auf die Schriftsprache bezieht. Sprachkultur schließt die Bemühungen um eine Verbesserung der funktional bestimmten Kommunikationsfähigkeit der Sprecher ein.
Bewusste und institutionell organisierte Formung der Schriftsprache (z. B. durch Linguisten, Lehrer) im Hinblick auf Schrift, Orthografie, Wortschatz und Grammatik mit dem Ziel der Schaffung eines in unterschiedlichen Situationen einsetzbaren überregionalen Kommunikationsmittels und zum Zweck des Domänenausbaus.
Sprachpolitisches Konzept, dessen Ziel die sprachliche Reinheit ist und das v. a. auf Schriftsprachen angewandt wird; es ist typisch für bi- und multilinguale Sprachgemeinschaften und speziell für Minderheitensprachen, die Schutz vor dem Einfluss der dominanten Kontaktsprache(n) suchen.
Wissenschaftliche Disziplin, die sich mit der Erforschung, Beschreibung und Kodifizierung der Sprache befasst. Zum Gegenstand der sorbischen Sprachwissenschaft gehören alle Ausprägungen des Sorbischen in Geschichte und Gegenwart: die ober- und niedersorbischen Schriftsprache, die Dialekte und die Umgangssprache.
Etwa 75 Kilometer langes und bis zu 16 Kilometer breites Niederungsgebiet nordwestlich von Cottbus, das seine Entstehung dem geringen Gefälle der mittleren Spree verdankt. Für den 1328 erstmals urkundlich erwähnten Spreewald wurde noch im 18. Jh. eine größere Ausdehnung mit erheblichen Sumpf- und Urwaldanteilen angegeben.
Widmungen von Vermögen für vom Stifter festgelegte Vorhaben bzw. die aus diesem Verfahren entstandenen Einrichtungen. Zur Förderung des geistigen, kulturellen oder wirtschaftlichen Lebens der Sorben wurden seit 1700 vornehmlich durch Privatpersonen verschiedene Stiftungen oder Legate errichtet.
Wissenschaftliche Disziplin, die die Differenzierung des sprachlichen Ausdrucks untersucht und beschreibt. Diese beruht auf der Auswahl von sprachlichen Ausdrucksmitteln aller Ebenen (Phonetik, Grammatik, Wortschatz, Syntax), die in verschiedenen Kommunikationssituationen als angemessen empfunden werden.
Bühnenkunst, die alle Formen szenischer Darstellung sowie der künstlerischen Kommunikation zwischen Darstellern und Publikum umfasst. Das Theater der Sorben verwendet sorbische originäre Vorlagen oder sorbische Übersetzungen; es entstand im Nachklang der nationalen Wiedergeburt.
Zusammenschlüsse sorbischer Maler, Grafiker, Buchgestalter, Bildhauer und Kunsthandwerker in wechselnden Strukturen und mit unterschiedlichem Status zur Förderung der bildenden Kunst sowie zur wirtschaftlichen Absicherung der künstlerischen Existenz. Die Bedingungen dafür waren in der sorbischen bildenden Kunst erst ab den 20er Jahren des 20. Jh. gegeben.
Wissenschaft zur Erforschung und Be-schreibung sowohl der Alltags- und Festkultur als auch der Lebensweise und der damit verbundenen Transforma-tionsprozesse in Vergangenheit und Gegenwart. In Anlehnung an tschechi-sche Vorbilder wurden im 19. Jh. für die sorbische Volkskunde die Begriffe naro-dopis oder etnografija verwendet, erst im 20. Jh. setzte sich ludowěda als Be-zeichnung für das Fach durch.
Über Generationen mündlich überlieferte, populäre Lieder. Volkslieder sind gebunden an Traditionen im Arbeits- und Festbereich, sie werden von einer regional und sozial determinierten Gemeinschaft gesungen. Einen ersten schriftlichen Beleg über die Existenz sorbischer Volkslieder bieten Niederlausitzer Gerichtsakten aus dem 16. Jh.
Literarisches Schaffen von Laien aus dem bäuerlichen, Handwerker- oder Arbeitermilieu, das sich in seinen besten Beispielen durch bildhafte Beschreibung, ursprüngliche Sichtweise und anschauliche Volkssprache auszeichnet. Sorbische Volksliteratur ist erstmals für Ende des 18. Jh. in der Oberlausitz überliefert.
Volkstümliche Krankheitsvorstellungen und Kenntnisse über Heilmittel und -methoden, die bei der ländlichen Bevölkerung teilweise besondere Ausprägung erfahren haben. Ethnografische Studien aus dem 19. Jh. über die Sorben beschreiben deren Schicksalsglauben und einen ritualisierten Umgang mit Krankheit und Tod, dem sich weder Arme noch Reiche entziehen konnten.
Traditionelle Instrumente, mit denen hauptsächlich zum Tanz aufgespielt wurde. In den
überlieferten Quellen gelten folgende Instrumente als für die Sorben
charakteristische: der große und der kleine Dudelsack (obersorb.
Nachschlagewerke, in denen die Wörter nach bestimmten Gesichtspunkten ausgewählt, angeordnet und erklärt sind. Für das Sorbische sind im Rahmen der Sprachwörterbücher zweisprachige Wörterbücher typisch, häufig mit Deutsch als Ausgangs- oder Zielsprache.
Parlamentarisch-demokratische Staatsform des Deutschen Reiches 1919–1933. Artikel 113 der Weimarer Verfassung, nach dem die „fremdsprachigen Volksteile des Reichs“ in ihrer freien Entwicklung nicht beeinträchtigt werden durften, wurde auf die Sorben nicht angewandt, weil sie – ein autochthones Volk ohne Mutterland – nicht als nationale Minderheit galten.
Im weiteren Sinne früherer deutscher Name für alle in Nord-, Mittel- und Ostdeutschland sowie in den Ostalpenländern ansässigen Slawen, die zu keiner eigenstaatlichen Entwicklung gelangt waren. Im engeren Sinne ehemalige deutsche Bezeichnung für die slawischen Bewohner beider Lausitzen, die jedoch vor allem in der Niederlausitz bis heute verwendet wird.
Im weiteren Sinne deutsche Bezeichnung für die Sprache westslawischer Stämme, die sich im Zuge der großen Völkerwanderung zwischen Ostsee und Erzgebirge bzw. bis in die Alpenländer (hier die Variante Windisch) angesiedelt hatten. Im engeren Sinne historische deutsche Bezeichnung für Sorbisch, die zwei in der Ober- und Niederlausitz gesprochenen westslawischen Sprachen.
Stadtkirchen in der Ober- und Niederlausitz, die für sorbische Gottesdienste genutzt wurden. Ihre kulturgeschichtliche Bedeutung liegt darin, dass sie die ersten Gebäude mit sorbischer Zweckbestimmung waren. Ihre Existenz bezeugte die Anerkennung der sprachlichen Eigenart der Sorben durch Kirche und Kommune bzw. Grundherrschaft.
Erstes, 1897–1904 erbautes Vereinshaus der wissenschaftlich-kulturellen Gesellschaft Maćica Serbska in Bautzen. Es diente bis zum Betätigungsverbot der Domowina 1937 als Zentrum des sorbischen Vereinswesens. 1945 wurde es zerstört und am alten Ort nicht wieder aufgebaut. Sein Nachfolgebau ist das Haus der Sorben am Bautzener Postplatz.
Einerseits Bildung von Wörtern durch Verbindung von Wurzelmorphemen mit anderen Wortstämmen oder Affixen nach bestimmten Modellen zwecks Wortschatzerweiterung, -differenzierung oder -präzisierung. Andererseits zwischen Lexikologie, Semasiologie und Grammatik einzuordnende Lehre von den Grundsätzen und Verfahren der Wortbildung.
Periodisch erscheinende Druckerzeugnisse; sie grenzen sich durch ein definiertes Themenspektrum und eine bestimmte Zielgruppe von Zeitungen ab. Sorbische Zeitschriften erscheinen in sorbischer Sprache oder widmen sich einer die Sorben betreffenden Thematik.
Koexistenz – in Bezug auf Beherrschung, Verwendung, Geltungsbereich – von zwei Sprachen bei Einzelnen (individuelle Zweisprachigkeit), Gruppen (kollektive Zweisprachigkeit) oder in bestimmten Gebieten (zweisprachige Regionen, Staaten). Zweisprachigkeit oder Bilingualismus ist ein Sonderfall von Mehrsprachigkeit.