Kreisstadt im Osten des Freistaates Sachsen, 40 000 Einwohner (2017), darunter etwa 2 000 Sorben (5 %); geografischer, historischer und wirtschaftlicher Mittelpunkt der
Oberlausitz, politisches und kulturelles Zentrum der Sorben. Der Ortsname geht
vermutlich auf einen slawischen Vorbesitzer Budycha zurück. Die Altstadt von Bautzen, das bis 1868 offiziell
Budissin hieß, liegt auf einem Granitfelsen über dem Tal der Spree (ca. 200 m
über NN), am Übergang des Lausitzer Berglands in das norddeutsche Tiefland. Die
an einer Furt der Via Regia (Hohe Straße) natürlich gewachsene Siedlung
(Stadtrecht 1213 oder 1240) wurde zum Jahr 1002 in der Chronik des Bischofs Thietmar von Merseburg als „civitas
Budusin“ erstmals erwähnt. Einige Jahrhunderte zuvor errichtete der altsorbische
Stamm der Milzener nahe der heutigen
Ortenburg einen Burgwall. Als sich deutsche
Kolonisten seit dem 11. Jh. östlich der Burg ansiedelten, lebten dort bereits
slawische Händler und Handwerker. Gegenüber der Hauptburg, auf dem heutigen
Protschenberg am Westufer des Flusses, gab es um 1000 vermutlich eine befestigte
Wegwarte und eine Kultstätte. Zu Beginn des 11. Jh. entbrannte ein Konflikt
zwischen Heinrich II. und dem
Polenherzog Bolesław Chrobry, der das
milzenische Stammesgebiet nach dem Frieden zu Bautzen 1018 zeitweilig als Lehen
übernahm. 1031 besiegte Konrad II.
dessen Nachfolger, König Mieszko II.,
wodurch das Milzenerland erneut zur Mark Meißen und damit zum Ostfränkischen Reich kam. Bautzen als historische Hauptstadt der
Oberlausitz war in der nachfolgenden böhmischen Zeit Amtssitz des Landvogts.
Wendischer Turm, Teil der ehemaligen Bautzener Stadtbefestigung,
1950; Fotograf: Kurt Heine, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Die Zahl der Sorben in Bautzen wuchs bis 1400 durch Zuzug auf ca. 2 000 (35 % der Einwohner),
sie konnten Bürgerrechte erwerben und wohnten meist im Wendischen Viertel sowie
in Vorstadtsiedlungen (Broditz,
Goschwitz u. a.). Für 1416
ermittelte Jakub Wjacsławk anhand der
Familiennamen in den Geschosslisten 567 deutsche und 260 sorbische Hauseigner.
Aus Bautzen sind aus alter Zeit keine Sprachverbote bekannt, Sorben waren in allen Zünften vertreten
(→ Zunftordnungen). Seit der
Frühen Neuzeit sank die Zahl der Stadtsorben allmählich, wenngleich – etwa im
18./19. Jh. – auch Phasen absoluten Wachstums auftraten. Dabei blieb die
slawische Minderheit in den unteren sozialen Schichten überrepräsentiert; 1810
waren nur 33 % der Sorben (gegenüber 55 % der Deutschen) Handwerker, 12 %
(gegenüber 7 %) lebten von Handel und Gastgewerbe. Ein sorbisches Bürgertum
bildete sich erst nach 1800 in und um Bautzen heraus. In einer amtlichen Zählung
(1849) bekannten sich 1 416 von 9 924 Personen zur „wendischen“ Abstammung, was
einem Siebentel der Einwohnerschaft entspricht.
Ansicht Bautzens von Westen, 1893; Sorbisches Kulturarchiv am
Sorbischen Institut
Das älteste sorbische Sprachdenkmal ist der Bautzener Bürgereid (vor 1532). Sowohl das erste
niedersorbische Buch als auch die früheste selbstständige obersorbische
Publikation erschienen Ende des 16. Jh. in Bautzen (→ Buchdruck). Auf der Grundlage des Bautzener
regionalen Dialekts entwickelte sich
im frühen 18. Jh. die obersorbische Schriftsprache. Im Ergebnis der nationalen Wiedergeburt wurde die
sächsische Kreisstadt (1874–1932 zugleich Sitz einer Kreishauptmannschaft)
endgültig zum organisatorischen Zentrum der sorbischen Nationalbewegung mit Ausstrahlung bis in
die Niederlausitz. 1839 wurde ein eigener Gymnasiastenverein gegründet, weitere
Vereine folgten (→ Vereinswesen). 1845 fand im Schützenhaus ein erstes zentrales sorbisches
Gesangsfest statt. 1847 entstand die Maćica Serbska, die ab 1861
das Wendische Haus in Bautzen
mit Bibliothek und Museum plante (1904 eingeweiht). 1851 eröffnete Jan Arnošt
Smoler am Reichenturm eine Verlagsbuchhandlung, 1875 eine Druckerei (→ Schmalers
Verlag und Druckerei). 1862 wurde in Bautzen zum ersten Mal eine
sorbische Theateraufführung geboten (→ Theater).
Unter den städtischen Kirchen suchten die Sorben schon vor der Reformation
vornehmlich die Filialkirche Unserer Lieben Frau auf, die außerhalb der
Stadtmauer lag. 1619 überließ der Stadtrat der evangelischen sorbischen Gemeinde
in und um Bautzen die nach den Hussitenkriegen errichtete
Michaeliskirche. Bautzener Bildungseinrichtungen waren für die Sorben stets
prägend. Schon um 1300 wurden Pfarr- und Klosterschulen wohl auch von sorbischen
Zöglingen besucht. Für das 17./18. Jh. wird in den Quellen von Winkelschulen am
Stadtrand berichtet. Im Elementarschulwesen, zu dem ab 1804 die evangelische
Michaelisschule zählte, erhielt das Sorbische einen gewissen Spielraum.
Fakultativer Sorbischunterricht an den Gymnasien Bautzens reicht bis in die
Mitte des 18. Jh. zurück. Das 1817 eingerichtete Landständische Lehrerseminar
für die sächsische Oberlausitz besuchten bis 1928 einige Hundert junger Sorben,
die sich dort auf den Dienst in einer zweisprachigen Gemeinde vorbereiteten. Das
sächsische Volksschulgesetz von 1835 erlaubte den Gebrauch des Sorbischen, es
wurde jedoch in der Praxis nicht einheitlich umgesetzt. Der wirtschaftliche
Aufschwung zur Gründerzeit verbesserte allgemein die Chancen der Sorben für den
Erwerb von Bildung und Kultur.
Katholische Sorbinnen auf dem Nikolaifriedhof in Bautzen, ohne
Datum; unbekannter Fotograf, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Wie die Maćica Serbska nahm auch die 1912 in Hoyerswerda gegründete Domowina ihren offiziellen Sitz in Bautzen; dies galt gleichfalls für
den Studentenbund, den Turnerbund Sokoł, den Sängerbund oder die Vereinigungen der Schriftsteller (→ Schriftstellervereinigungen), bildenden Künstler (→ Vereinigungen bildender
Künstler) und Musiker. Der größte Teil der sorbischsprachigen
Druckschriften wurde z. Zt. der Weimarer Republik durch Marko Smoler in Bautzen hergestellt und
verlegt. Die Redaktion der seit 1920 als überkonfessionelle Tageszeitung
erscheinenden „Serbske Nowiny“ mit bis zu 3 000 Abonnenten wirkte am Ort (→ Zeitungen). Daher wurde auch die Wendenabteilung zur Überwachung sorbischer politischer und
kultureller Aktivitäten 1920 hier angesiedelt. 1937 verbot der Bautzener
Amtshauptmann den Sorben jegliche öffentliche nationale Betätigung. Schmalers
Verlag und Druckerei wurden geschlossen, die Sammlungen der Maćica Serbska
versiegelt und 1941 beschlagnahmt (→ NS-Zeit). In der noch 1945 zur Festung ausgebauten Stadt wurden etwa
10 % der Bebauung durch Kriegseinwirkung zerstört, darunter das Wendische Haus
am Lauengraben.
Die wiederbelebte Nationalbewegung erhielt nach Verabschiedung des sächsischen Sorbengesetzes im März 1948
neuen Auftrieb. Dabei wirkte das im Mai desselben Jahres unter Leitung von
Pawoł Nedo errichtete Sorbische
Kultur- und Volksbildungsamt der Landesregierung als Koordinator. Volkstreffen
veranschaulichten 1950 und 1956 die vielfältigen Traditionen, und 1956 konnte
das neu erbaute Haus der Sorben eingeweiht werden. Zwischen 1966 und 1989
präsentierten sieben groß angelegte Festivals der sorbischen Kultur umfangreiche
Programme aus Volks- und Berufskunst. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden eine
Grund- und Mittel- bzw. eine polytechnische und eine erweiterte Oberschule (seit
1992 Gymnasium) mit Sorbisch als Unterrichtssprache (→ Schule, → DDR-Zeit). Bis 1991 gab es in
Bautzen ein Sorbisches Institut für Lehrerbildung, eine spezielle Arbeitsstelle
der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften sowie – im nahe gelegenen
Milkel – eine sorbische Sprachschule zur
Erwachsenenbildung. Seit 2001 begleitet und fördert das WITAJ-Sprachzentrum der
Domowina die bilinguale Erziehung in Kindergärten und Schulen der Lausitz (→ Witaj-Modellprojekt).
Infolge des Sorbengesetzes entstanden nach 1948 mehrere Institutionen der Kultur
und Wissenschaft, die zu Identifikationszentren der Minderheit wurden. Sie
bestimmen seit den 1950er Jahren das Bild Bautzens als einer sorbischen
Metropole, das namentlich im slawischen Ausland gepflegt wird. Es sind im
Einzelnen das Sorbische National-Ensemble, das Deutsch-Sorbische
Volkstheater, das Sorbische Institut, der Domowina-Verlag sowie das Sorbische Museum, hinzu
kommt das Regionalstudio des MDR für obersorbischen Rundfunk.
Im Herbst 1989 bildete sich in Bautzen eine basisdemokratische Sorbische
Volksversammlung, um den politischen Reformprozess zu beschleunigen.
Die 1991 in Lohsa gegründete Stiftung für das
sorbische Volk erhielt ihren Sitz im Haus der Sorben. Der Stadtrat
beschloss 1998 eine Satzung zur Förderung der sorbischen Sprache und Kultur.
Demnach wird u. a. die 1951 eingeführte zweisprachige Beschriftung von Straßen
und Plätzen, von öffentlichen Gebäuden und Einrichtungen beibehalten.
Lit.: R. Reymann: Geschichte der Stadt Bautzen, Bautzen 1902; M. Reuther: Die
sorbische Bevölkerung in und um Bautzen (…) bis zum Ausgang des 19.
Jahrhunderts, in: Forschungen aus mitteldeutschen Archiven, Berlin 1953; R.
Schrammek: Verkehrs- und Baugeschichte der Stadt Bautzen, Bautzen 1984; Von
Budissin nach Bautzen. Beiträge zur Geschichte der Stadt Bautzen, Hg.
Stadtarchiv, Bautzen 2002; A. Bensch: Illustrierte Chronik der Stadt Bautzen,
Bautzen 2009.