Kurze humorvolle ErzĂ€hlung ĂŒber komische Begebenheiten, menschliche UnzulĂ€nglichkeiten oder
gesellschaftliche Deformationen, z. T. mit derb- drastischem Inhalt. Der ober-
wie niedersorbische Begriff smÄĆĄk rĂŒhrt von smÄch ,Spott,
Hohnâ, bzw. von obersorb. smjeÄ so, niedersorb. smjaĆ se
,lachenâ, und verweist auf die Funktion des Schwanks, die von argloser
Belustigung bis zur BloĂstellung und Verspottung reicht. Der Witz (sorb.
ĆŸort) als die jĂŒngere Kurzform des Schwanks ist fĂŒr die Sorben im Vergleich zu anderen Minderheiten
(wie der Ostfriesen oder der jĂŒdische Witz) nicht typisch. Der episch etwas
breiter gefasste und weniger straffe Schwank dagegen gehörte bis in die zweite
HĂ€lfte des 20. Jh. zum lebendigen ErzĂ€hlgut (â Volksdichtung). Die von Mutterwitz und
BauernschlĂ€ue zeugenden Pointen sowie die volkstĂŒmliche, auf das Wesentliche
konzentrierte, meist dialektal gefÀrbte Sprache machen das Besondere der
sorbischen SchwankĂŒberlieferung aus.
Sammlung sorbischer SchwĂ€nke von PawoĆ Nedo, 1956; Repro: Sorbische
Zentralbibliothek am Sorbischen Institut
Der sorbische Schwank deckt die Abweichungen der RealitÀt von der gesellschaftlichen Norm im
kleinstÀdtischen und bÀuerlichen Milieu des ausgehenden 19. und 20. Jh. auf.
Anders als das MĂ€rchen besitzt der Schwank
einen starken Bezug zur Wirklichkeit. Seine Komik resultiert aus dem
MissverhÀltnis von Schein und Sein: Nicht der Bauer, sondern die BÀuerin ist die
Herrin im Hause, der Scheinheilige ist in amouröse Abenteuer verstrickt, der
ungebildete Dorfbewohner haut den StĂ€dter ĂŒbers Ohr. Die handelnden Personen
werden, selbst wenn sie namentlich benannt sind (âstary Ć usterâ, âSuchec Motsâ,
âPlundrakojc Matoâ), zu sozialen Typen (der pfiffige Heide- oder Spreewaldbauer,
der ĂŒberhebliche Verwalter, das zĂ€nkische Weib) und bestimmten Charakteren (der
Dumme, der Schelm, der Geizhals, die Naive). Spannungen und Konflikte bilden die
wesentlichen Ausgangspunkte und Themen, z. B. Streitigkeiten zwischen Mann und
Frau, Zwietracht unter Nachbarn, Auseinandersetzungen zwischen der Obrigkeit und
ihren Untertanen oder Differenzen zwischen der âzivilisiertenâ Stadt und dem
âunzivilisiertenâ Land. Die SchwĂ€nke ĂŒber die verbalen Konfrontationen zwischen
sorbischen Bauern und deutschen BĂŒrgern mit positivem Ausgang fĂŒr den sozial
Unterlegenen können als eine Reaktion auf die Kultivierungsversuche durch das
BildungsbĂŒrgertum interpretiert werden. Eine eigene thematische Gruppe ergibt
sich aus dem Nebeneinander der sorbischen und der deutschen Sprache, das zu
amĂŒsanten MissverstĂ€ndnissen fĂŒhrt.
Viele Schwankmotive fuĂen auf einem allgemein verbreiteten Wandergut, das gemeinsam mit dem
im 16. Jh. aufkommenden deutschen Prosa-Schwank (Till Eulenspiegel, Das
Lalebuch) mittelbar auf die sorbische Tradition gewirkt hat. AuffÀllige
Ăhnlichkeiten ergeben sich z. B. zwischen den deutschen SchildbĂŒrgern und den
sorbischen Saalauern (sorb.
SalowÄenjo). Die OrtsschwĂ€nke als traditionelle thematische Gruppe bilden den
Ausgangspunkt fĂŒr die Ăberlieferung stereotyper Vorstellungen ĂŒber ganze
Ortschaften, die einzelne Gegebenheiten zu typischen Charakteren apostrophieren.
So weiĂ man im (fĂŒr seinen Viehmarkt bekannten) Wittichenau seinen alten Klepper gegen einen jungen Hengst
einzutauschen, im unmittelbar neben evangelischen Gemeinden liegenden
katholischen Radibor ist man so fromm, dass man das ganze Jahr Feiertag hat, und
im deutschen Weberdorf Cunewalde
steckt man die kleinen Kinder auf lange Latten, um ihnen ĂŒber den Czorneboh hinweg die nördlich liegenden
sorbischen Dörfer zu zeigen, in die sie spÀter betteln gehen sollen.
Die an der Folklore interessierten Volksforscher des 19. Und frĂŒhen 20. Jh. befassten sich im
Vergleich zu Volkslied, MĂ€rchen, Sage und Sprichwort relativ selten mit dem Schwank, was mehrere Ursachen hat.
Aufgrund seines engen Wirklichkeitsbezugs hob er sich nicht deutlich von den
AlltagserzÀhlungen (wie dem Dorfklatsch) ab und wurde daher nicht als
eigenstÀndige Gattung der Volksdichtung angesehen. Hinzu kamen moralische
Bedenken wegen seiner vielfach derb-vulgĂ€ren Komik. Und schlieĂlich entfaltet
der Schwank seinen poetischen Reiz vorrangig durch das lebendige ErzÀhlen in
gelöster Stimmung, was die Aufzeichnungen nicht adÀquat wiedergeben können.
Die Leipziger Studenten um Handrij Zejler nahmen in ihre handschriftliche Zeitung
âSserska/Serbska Nowinaâ (Sorbische Zeitung) auch humoristisches ErzĂ€hlgut auf,
ebenso Wilibald von Schulenburg und
Edmund Veckenstedt in ihren
MĂ€rchen- und Sageneditionen. Einiges Material erschien in den humoristischen
Spalten der Kalender und Zeitschriften, v. a. unter der Redaktion von
Ota WiÄaz. Von der Lebendigkeit
der Ăberlieferung zeugen die fĂŒr sprachwissenschaftliche Untersuchungen in den
1950er Jahren vorgenommenen Tonbandaufnahmen. PawoĆ Nedo trug das verstreut publizierte Material zusammen und
brachte es mit einigen eigenen EintrĂ€gen in den BĂ€ndchen âSerbski smÄch. SmÄĆĄki
a tryski z ludaâ (1956, âLachende Lausitz. Sorbische VolksschwĂ€nkeâ, 1957)
heraus (ĂŒberarbeitete Neuauflage âWĂłslace hnÄzdoâ, 1983, âDas Eselsnestâ, 1983).
Die ErzÀhler von SchwÀnken, die Nedo in seinen Untersuchungen zur sorbischen
Volksdichtung nennt, waren oft Bauern, Steinbrecher und Dorfhandwerker. In der
Niederlausitz zeichnete besonders
Wylem Bjero humorvolle ErzÀhlungen
aus dem Volksmund auf, wovon der unter seiner Redaktion stehende âNowy Casnikâ
und die âPratyjaâ profitierten. Seine Sammlung floss zusammen mit Ă€lterem
Material in die Ausgabe âSurowa ĆĄtrofaâ (Grausame Strafe, 1973) ein (obersorb.
âZjebany skupcâ, Der betrogene Geizhals, 1984). AusschlieĂlich auf schriftliche
Quellen stĂŒtzte sich Werner MÄĆĄkank in
âNjaboga pataâ (Die tote Glucke, 1992). Schriftsteller wie MikĆawĆĄ Bjedrich-Radlubin, Jan Wornar und Kito Lorenc nutzten Motive aus dem
traditionellen komischen ErzĂ€hlgut fĂŒr humoristische Dorfgeschichten oder
satirische BĂŒhnenstĂŒcke.
Lit.: S. Neumann: Schwank und Witz, in: LÄtopis C 6/7 (1963/64); S. Hose:
SchwÀnke, Anekdoten, Arbeitserinnerungen komischen Inhalts, in: Homo narrans.
Studien zur populĂ€ren ErzĂ€hlkultur, Hg. Ch. Schmitt, MĂŒnster/New
York/MĂŒnchen/Berlin 1999; S. Hose: Geschichten ĂŒber WeiĂenberger, Salower und
Schildauer, in: ErzÀhlen zwischen den Kulturen, Hg. S. Wienker-Piepho/K. Roth,
MĂŒnster 2004; H. Bausinger: Schwank, in: EnzyklopĂ€die des MĂ€rchens, Band 12,
Berlin/New York 2007.