| analoge O. heute |
kath. |
ev. |
| ě |
ė |
je |
| ó |
o |
o |
| y |
é, o˙ |
y |
| c |
c |
z |
| č |
tź |
cż |
| ć |
cż |
cż |
| kř |
kż |
kſch |
| př |
pż |
pſch |
| ł |
w |
ł |
| l |
ł, l |
l |
| s |
ſ, ß |
ſ, ß |
| š |
ſch |
ſch |
| z |
z |
ſ |
| ž |
ż |
ż |
|
Šwjela 1903
|
heute |
| cż, cź |
č |
| cż |
ć |
| ſch, ſ ̷ch |
š |
| pſ ̷ch, pſch |
pš, pś |
| tſ ̷ch, tſch |
tš, tś |
| kſ ̷ch, kſch |
kš, kś |
| o, ó* |
o, ó* |
| h** |
w |
| ß |
s |
| ſ |
z |
| c |
c |
Normierung der Schreibung einer Sprache zwecks größtmöglicher grafischer
Einheitlichkeit (Rechtschreibung). Die nieder- und obersorbische Orthografie
beinhaltet Regeln zur korrekten Verwendung von Buchstaben und diakritischen
Zeichen, Regeln zur Interpunktion sowie zur Groß- und Kleinschreibung.

Obersorbisches orthografisches Wörterbuch, Domowina-Verlag 2005
Obersorbisch: Erste Normierungen in diesem Sinne lassen sich auf das
17. Jh. datieren. Seitdem folgt die obersorbische Orthografie zwei verschiedenen
Ansätzen: a) dem phonetisch-morphologischen, z. B. duby ,Eichen, Nom.
Pl.‘ und dub (gesprochen dup) ,Eiche‘, Nom. Sg. und b) dem
historisch-etymologischen Prinzip, z. B. hrěch (gesprochen
rěch) ,Sünde‘ mit etymologischem, in der Aussprache jedoch nicht
mehr realisiertem h aus *g in rekonstruiertem altslawischen
*grěchъ. Während im 17. und 18. Jh. meist das erstere Prinzip
dominierte, verschob sich das Verhältnis im 19. Jh. zugunsten des zweiten.
Aufgrund der verschiedenen Konfessionszugehörigkeit der sorbischen Bevölkerung in der
Oberlausitz entwickelten sich
nach der Reformation zunächst zwei schriftsprachliche Varianten mit
unterschiedlicher Orthografie. Die von den katholischen Sorben verwendete
orthografische Variante wurde von Jakub Xaver
Ticin und Jurij Hawštyn
Swětlik eingeführt. Die Entstehung der Orthografie der
evangelischen Schriftsprachvariante ist eng mit der 1691 von den Oberlausitzer
Landständen berufenen überregionalen Kommission von obersorbischen Geistlichen
unter Leitung von Pfarrer Pawoł
Prätorius verbunden. Diese konnte sich auf ältere Handschriften
(z. B. Cichorius 1662), das 1670 im
Druck erschienene Matthäus- und Markus-Evangelium von Michał Frencel, eine umfangreiche gedruckte
Predigt dieses Pfarrers (1688) und die explizit der Orthografie gewidmete
Schrift „Didascalia ſeu Orthographia vandalica“ von Zacharias Běrlink stützen. Die Kommission
versandte überdies ein Rundschreiben an sämtliche evangelische Pfarreien der
Oberlausitz, um einen weitestgehenden sprachlichen und orthografischen Konsens
zu sichern. Die so erarbeiteten Rechtschreibregeln kamen mit geringfügigen
Änderungen (z. B. Einführung des Graphems ł für etymologisch hartes l, in den
meisten Dialekten gesprochen als
bilabiales w) auch in der 1728 erstmals gedruckten Bibelübersetzung zur Anwendung.
Im Zuge der nationalen Wiedergeburt kam es im 19. Jh. zu Bemühungen, die beiden
parallel existierenden Schriftsprachvarianten zu vereinigen und eine
einheitliche Orthografie einzuführen. Křesćan
Bohuwěr Pful stellte 1848 in der Zeitschrift „Časopis Maćicy
Serbskeje“ die sog. analoge Rechtschreibung (d. h. analog im Verhältnis zu
anderen slawischen Sprachen) vor, die sich v. a. an der damaligen tschechischen
Orthografie orientierte. Im Gegensatz zu den älteren Varianten, die beide die
Frakturschrift benutzten, wurde in der analogen Rechtschreibung die lateinische
Schrift (Antiqua) verwendet. Die wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden
konfessionell begründeten Varianten sowie der analogen Orthografie werden in der
folgenden Tabelle verdeutlicht (Stand um 1800).
Sämtliche Varianten nutzten diakritische Zeichen, wobei die evangelische Variante stärker mit
der damaligen deutschen Orthografie übereinstimmte. Dies wird bes. in der
Schreibung z, ß bzw. ſſ, ſ für heutiges
c, s, z sowie in der Verwendung der
Buchstabenkombinationen ſch, kſch und pſch deutlich.
Die katholische Variante und die analoge Rechtschreibung orientierten sich
dagegen mehr an der tschechischen Orthografie. Die in der analogen
Rechtschreibung konsequente Unterscheidung zwischen č und ć
(beides čě gesprochen) ist ein Beispiel für die Prioritätenverschiebung
vom phonetischmorphologischen zum historisch-etymologischen Prinzip. Das Gleiche
bezeugt die Schreibung kř, př, tř für etymologisches
*kr’, *pr’, *tr’ (Aussprache kšě,
pšě, c’) im analogen System.
Die heutige obersorbische Orthografie basiert weitgehend auf der analogen Rechtschreibung.
Diese wurde 1948 geringfügig modifiziert. So wurde u. a. beim etymologisch
palatalen ŕ im Auslaut sowie vor Konsonanten das diakritische Zeichen
ersatzlos gestrichen, der Digraf kh nach etymologischem Prinzip durch
ch (gesprochen kh) bzw. k ersetzt
(chować, kofej). Die heutige obersorbische Rechtschreibung
steht durch die Verwendung diakritischer Zeichen sowie bezüglich der Groß- und
Kleinschreibung der tschechischen Orthografie näher als der deutschen. Im
Wesentlichen nach deutschem Vorbild sind die Interpunktion und die Schreibung
von Fremdwörtern geregelt.
1974 erschien das von der Obersorbischen Sprachkommission beschlossene Kodifikationswerk
„Hornjoserbska ortografija a interpunkcija“. Spätere orthografische Änderungen
einzelner Wörter sowie ergänzende Regelungen werden durch jeweils aktuelle Wörterbücher (v. a. im „Prawopisny słownik hornjoserbskeje rěče“ –
Rechtschreibwörterbuch der obersorbischen Sprache, 1970, 52005) bzw. durch Veröffentlichung in obersorbischen Zeitungen und Zeitschriften erfasst und als verbindlich erklärt.
Obersorbische Rechtschreibkontrolle für den PC
*
in betonter Silbe nach Bilabialen und Velaren, wenn keiner dieser Konsonanten
folgt (wóda, skócyś, aber wobalka, skokaś);
** anlautendes h vor o, u (hoko, hutšoba)
Niedersorbisch: Die Grundlage der niedersorbischen Orthografie war
zunächst das phonetisch-morphologische Prinzip, z. B. Nom. Sg. gad
(gesprochen gat) ,Gift‘, Gen. Sg. gada, panuś
,bekommen‘, žyca ,Löffel‘, seit Ende des 19. Jh. zunehmend auch das
historisch-etymologische Prinzip (padnuś, łžyca).
In Anlehnung an das Deutsche wurde zunächst die Frakturschrift verwendet. Außerdem bildete
die deutsche Orthografie den Ausgang für die Verwendung der Ligatur ck, der
Buchstabenkombination ſch und von Doppelkonsonanten bzw. des
Dehnungszeichens h. Als diakritisches Zeichen fand der Punkt
Verwendung, u. a. zur Kennzeichnung von weichen Konsonanten und Zischlauten
(ṅ, ż).
Im Gegensatz zum Obersorbischen gab es bis Ende des 19. Jh. keine explizit formulierten und
verbindlichen Rechtschreibregeln. Solche lassen sich nur indirekt aus den
gedruckten Texten ablesen. Seit der Mitte des 19. Jh. wurden einzelne Probleme
behandelt, vgl. etwa die Beiträge von Michał
Hórnik im „Časopis Maćicy Serbskeje“ 1862 und 1869 und von
Bogumił Šwjela 1896. Zur
Normierung der niedersorbischen Orthografie haben Jan Bogumił Fabricius (Bearbeiter des Neuen Testaments 1709)
durch eine relativ konsequente Kennzeichnung weicher nichtsibilantischer
Konsonanten (ṅ; ansonsten mit einem Punkt auf dem folgenden Vokal:
nebȯ, pȧs, ja duṗu; vor e unbezeichnet:
pomeniſch) sowie Jan Bjedrich
Fryco (Übersetzer des Alten Testaments 1796) durch die
Unterscheidung weicher und harter Zischlaute (ż = ź,
zˉ = ž; ſch = ś, ßch =
š, nach p, k, t dagegen sch
anstelle ßch) bzw. durch die Einführung der Grapheme ó und
ł beigetragen. In der zweiten Hälfte des 19. Jh. prägte Jan Bjedrich Tešnaŕ die niedersorbische
Orthografie nachhaltig, indem er die von Fryco formulierten Regeln präzisierte
und modifizierte. Grundlage für die geltende Orthografie wurde nun der Cottbuser
Dialekt, Varianten mit anderer dialektaler Basis wurden nicht mehr
berücksichtigt. Doppelkonsonanten und Dehnungs-h wurden aufgegeben und
es gelang eine konsequente Differenzierung von l und ł, i
und y, weicher und harter Zischlaute (ſ ̷ch = š;
ſch = ś; ž = ž; ż = ź)
sowie eine Unterscheidung von cż (= ć) und cž (=
č) nach etymologischen Gesichtspunkten. Frycos Grafem sch
nach p, t, k wurde durch ſ ̷ch bzw.
ſch (= š) ersetzt: pſ ̷chawy, pſchawy
,richtig‘ (heute pšawy), tſ ̷̷chawa, tſchawa ,Gras‘
(heute tšawa), k ſ ̷ch ej, kſchej ,Blut‘ (heute
kšej). Die Kennzeichnung weicher Konsonanten erfolgte mittels Punkt
(später Strich) oder nachfolgendem j. Tešnaŕ verwendete – im Gegensatz
zur Zeitung „Bramborski Casnik“ – seit 1869 in seinen Schriften das Graphem
ó, nachdem der Obersorbe Michał Hórnik 1862 diesbezügliche Regeln
im „Časopis Maćicy Serbskeje“ veröffentlicht hatte.
Während die niedersorbische Zeitung und zahlreiche Bücher bis 1937 in Frakturschrift gedruckt
wurden, erschienen niedersorbische Beiträge der in Bautzen herausgegebenen Zeitschriften sowie
einige Buchausgaben in lateinischer Schrift (Antiqua). Schon der obersorbische
Publizist und Verleger Jan Arnošt
Smoler setzte sich für die Übernahme der Lateinschrift und
diakritischer Zeichen nach dem Vorbild anderer slawischer Sprachen ein. Auf
Anregung des niedersorbischen Sprachforschers Kito Wylem Broniš führte er die grafische Unterscheidung von š
und ś, i und y sowie ł und l ein. In seinem
„Niederlausitzisch-wendisch-deutschen Handwörterbuch“ (1847) wandte Johann Georg Zwahr ebenfalls die
Lateinschrift an, verwendete aber wie in der Frakturschrift
Buchstabenkombinationen für Zischlaute: sch (= š),
schj (= ś), żj/ż (= ź), ż (=
ž).
Im „Časopis Maćicy Serbskeje“ veröffentlichten Arnošt
Muka und Bogumił Šwjela 1903 erstmals verbindliche Regeln der
niedersorbischen Orthografie, die eine einheitliche Basis für beide Schrifttypen
schaffen sollten. Mit der Wiederbelebung des niedersorbischen Schrifttums 1947
wurden alle Texte nur noch in Antiqua und in analoger Rechtschreibung gedruckt.
Zwischen 1949 und 1952 wurde eine Orthografiereform durchgesetzt, die folgende
Änderungen betraf: 1. i > ě in nimy ,stumm‘,
nimski ,deutsch‘, spiwaś ,singen‘, gniwaś
,ärgern‘, źiśi ,Kinder‘, źiśelina ,Klee‘, źinsa
,heute‘ (inkl. Ableitungen) > němy, němski, spěwaś,
gněwaś, źěśi, źěśelina, źěnsa und deren
Ableitungen, 2. anlautendes h vor o und u >
w: hutšoba ,Herz‘, hoko ,Auge‘ >
wutšoba, woko, 3. ó > o; 4. einheitliche
Kennzeichnung weicher Konsonanten durch Strich. 1952 wurde in Anlehnung an das
Obersorbische eine einheitliche Jotierung zur Markierung weicher Konsonanten vor
a, e, o, u eingeführt (bis auf
ń, ŕ am Wortende). Im Wesentlichen ging es um eine
konsequentere Anwendung des historisch-etymologischen Prinzips (vgl. in den
obigen Punkten 1. und 2. sowie die Schreibung von wrośiś ,umkehren‘,
łžyca ,Löffel‘ usw. anstelle von rośiś, žyca
usw.) sowie um eine Angleichung der niedersorbischen Orthografie an die
obersorbische. Später wurden die Schreibung von Fremdwörtern, die Getrennt- und
Zusammenschreibung sowie die Groß- und Kleinschreibung in Übereinstimmung mit
dem Obersorbischen geregelt.
Regeln zur niedersorbischen Orthographie und Interpunktion,
Domowina-Verlag 1976
Niedersorbische Rechtschreibkontrolle für den PC
Die veränderte Orthografie, der Mangel an muttersprachlichen niedersorbischen Lehrern an der
Sorbischen Oberschule in Cottbus
(seit 1991 Niedersorbisches Gymnasium) sowie die ungenügende Berücksichtigung
der dialektal üblichen Aussprache bewirkten, dass die Schüler und späteren
Träger der niedersorbischen Schriftsprache die Schrift mündlich buchstabengetreu
wiedergaben.
1976 erschien die kodifizierende Publikation „Dolnoserbska ortografija a interpunkcija“
(„Niedersorbische Orthographie und Interpunktion“, 1977); seit 2014 auf dem
Internetportal dolnoserbski.de zugänglich (http://dolnoserbski.de/dsrk/). 1995
erfolgte eine Erneuerung der Schreibung von i anstelle von ě in den o. g.
Wörtern und deren Ableitungen. 1996 wurde ó als orthografisches Hilfszeichen in
Grammatiken, Wörter- und Lehrbüchern eingeführt und 2006 zu einem
selbstständigen Buchstaben erhoben. Von der Niedersorbischen Sprachkommission
beschlossene orthografische Änderungen, die die Schreibung einzelner Wörter
betreffen, werden in den Standardwerken erfasst und festgeschrieben.
Lit.: G. Šwela: Nastaśe a rozwiśe dolnoserbskego pšawopisa, in: Časopis Maćicy Serbskeje 56
(1903) 1; G. Šwela: Někotare pšawidła za dolnoserbski pšawopis, in: Časopis
Maćicy Serbskeje 56 (1903) 1; P. Völkel: Hornjoserbska ortografija a
interpunkcija. Prawidła, 2. nakład, Budyšin 1979; H. Faska: Koncepcija zbliženja
a zjednoćenja spisownych formow serbšćiny, in: Serbšćina. Najnowsze dzieje
języków słowiańskich, Red. H. Faska, Opole 1998; A. Pohontsch: Schrift,
Rechtschreibung und Aussprache, in: Der Niedersorben Wendisch. Eine
Sprach-Zeit-Reise, Bautzen 2003; [Informationen zur
niedersorbischen Orthografie](https://dolnoserbski.de/ortografija/); [Download Obersorbische
Rechtschreibprüfung](https://soblex.de/download/download.html).