Sammlung von Zeugnissen zur sorbischen Kultur- und Geistesgeschichte, die ab 1871
im Stadtmuseum Bautzen und zwischen 1904 und 1941 im Wendischen Haus präsentiert
wurde. Innerhalb der nationalen
Wiedergeburt Mitte des 19. Jh. entstand die Idee eines Museums für die
Sorben. Schon im Programm der 1856 gegründeten Sektion für Altertumskunde der
Maćica Serbska
waren das Sammeln, Untersuchen und Bewahren von sorbischen bzw. in der Lausitz
gefundenen Objekten sowie die Schaffung eines Museums als Ziele festgeschrieben.
Die Gründungsmitglieder Korla Awgust
Jenč, Jaroměr Hendrich
Imiš, Michał Hórnik und
Herman Ferdinand Wjela begannen
mit dem Aufbau einer Sammlung, die vornehmlich sorbischer Bücher, Handschriften
sowie volkskünstlerische und archäologische Gegenstände umfasste. Letztere
wurden mangels eines Gebäudes zunächst in der Privatwohnung Wjelas ausgestellt
und ab 1871 im Stadtmuseum Bautzen
präsentiert. 1881 entwarf Arnošt Muka
nach dem Beispiel des Tschechischen Nationalmuseums in Prag den Gedanken eines Museums als Zentrum der sorbischen
bürgerlichen Emanzipation. Die Besinnung auf Geschichte und Kultur sollte der
zunehmenden Assimilation und
Germanisierung entgegenwirken und die geistige Bindung an die slawischen
Nachbarvölker stärken. Für das Gebäude plante man neben Ausstellungs- und
Archivräumen einen Saal für Konzert- und Theateraufführungen, Vereinsräume, dazu
Druckerei, Buchhandlung, Bibliothek und Gaststätte.
Zur Umsetzung der Idee kam es mit dem Bau des Wendischen Hauses in Bautzen. Den
letzten Anstoß zur Gründung des Wendischen Museums gab die Dresdener
Ausstellung des Sächsischen Handwerks und Kunstgewerbes 1896 mit ihrer
Abteilung Wendisches Volksmuseum im „Wendischen Dorf“. Nach Ausstellungsabbau
wurden die im Besitz der Maćica Serbska verbliebenen Exponate zunächst im
Bautzener Domstift eingelagert, bis 1899 im
Seitengebäude des im Bau befindlichen Wendischen Hauses eine provisorische
Ausstellung eingerichtet werden konnte. Am 18.4.1900 erfolgte die feierliche
Eröffnung des Wendischen Museums, 1904 bezog es im fertiggestellten Wendischen
Haus größere Räume (76 qm) im 3. Stock. Nicht ausgestellte Bücher und Dokumente
wurden ab 1927 dem Archiv (→ Sorbisches Kulturarchiv) und der Bibliothek der Maćica Serbska
zugeordnet und die archäologische Sammlung 1932 dem Bautzener Stadtmuseum
übergeben.
Zu den bedeutendsten Exponaten gehörte das erste sorbische gedruckte Buch von
Albin Moller aus dem Jahr 1574 (→ Buchdruck). Unter dem Einfluss Mukas
war die Museumskonzeption komplex angelegt. Bereits der Programmentwurf für die
Dresdener Ausstellung umfasste die Bereiche erdkundliche Besonderheiten,
Statistik (→ Bevölkerungsstatistik), Dialektologie, Bauten und Wohnungen (→ Volksbauweise), Hausrat, Geräte aus Hof, Garten,
Feld, Handarbeiten, Trachten, Sitten (→ Bräuche), Musik (→ Volksmusikinstrumente) und Volkstanz, Schrifttum, Altertumsstücke, Gemälde (→ Bildende Kunst) und Fotografien. Für die Dauerschau installierte man Teile
der Ausstellung, so die Spinnstube, den
Hochzeitszug und die Wöchnerinkammer. Trotz Besetzung und Schließung des
Wendischen Hauses durch die Gestapo 1937 blieb das Wendische Museum bis zur
endgültigen Konfiszierung des Besitzes der Maćica Serbska Anfang 1941 für
Besuchergruppen zugänglich. 1942 wurde die 1 014 Positionen umfassende Sammlung
durch die Behörden dem Bautzener Stadtmuseum übereignet. Besonders wertvolle
Exponate hatte Kustos Jan Meškank
zuvor selbst gesichert bzw. Freunden in Verwahrung gegeben.
Im April 1945 fiel das Wendische Haus einer strategischen Brandlegung sowie
Bombenangriffen zum Opfer. Die ursprüngliche Sammlung des Wendischen Museums
befindet sich heute im Sorbischen Museum in Bautzen.
Leiter: Jakub Šewčik (1900–1908),
Michał Wjerab (1908–1932),
Pawoł Nedo (1932–1934), Jan Meškank (1935–1941)
Lit.: S. Musiat: Das „Archäologische Museum“ der Sektion für Altertumskunde der
Maćica Serbska (1856–1871) – ein Vorläufer des „Wendischen Museums“, in: Lětopis
C 23 (1980); P. Nedo: Notizen zur Entwicklung des „Wendischen Museums“ im
Zeitraum 1931–1934, in: Lětopis C 23 (1980); J. Cyž: Bemühungen zur Bergung von
Teilbeständen des „Wendischen Museums“, in: Lětopis C 23 (1980); Korjenje =
Wurzeln. Über die Sorbische volkskundliche Ausstellung in der Ausstellung des
Sächsischen Handwerks und Kunstgewerbes 1896 in Dresden, Bautzen 1996.