Anordnungen zur Einschränkung bzw. zum Verbot bestimmter Sprachen im öffentlichen
Leben, hier speziell des Sorbischen.
Erste Sprachverbote sind aus dem 13. Jh. bekannt, so z. B. im „Sachsenspiegel“,
einem Rechtsbuch von 1224/25. Darin heißt es, dass kein Sachse eines Wenden
Urteil dulden möge und dass Wenden, die vor Gericht schon einmal deutsch
gesprochen haben, das Wendische nicht mehr benutzen dürfen. (Damit war die
Gewohnheit gemeint, mit der einheimischen sorbischen Bevölkerung vor Gericht in
deren Muttersprache zu verhandeln.) 1293 wurde die Anwendung des Sorbischen vor
Gericht östlich der unteren Saale um Bernburg verboten. Ähnliche Weisungen wurden um 1327 in
Altenburg, Zwickau und Leipzig sowie 1424 in Meißen erlassen. Die administrativen Maßnahmen erfolgten zu
einer Zeit, als es durch den massenhaften Zuzug bäuerlicher Siedler aus
Flandern, Thüringen, Sachsen und Franken in den Gebieten westlich der Elbe zu
einer Durchmischung und schließlich zu einer deutschsprachigen Mehrheit kam (→
Kolonisation). Mithilfe der
Sprachverbote forcierte die Landesherrschaft im sächsisch-meißnischen Raum
massiv die Assimilation der slawischen
Bevölkerung, was ihr innerhalb von 300 Jahren, bis zum Ende des 15. Jh.,
vollständig gelang.
Für die beiden Lausitzen sind hingegen keine mittelalterlichen Sprachverbote
bekannt. Die Hauptgründe dafür lagen in der zahlenmäßigen Stärke des sorbischen
Ethnikums und den jeweiligen Landesverfassungen, die keine straffe
Zentralverwaltung zuließen. Das änderte sich mit dem letzten Drittel des 17. Jh.
Die tolerante Politik wich nun in mehreren Territorien einer Verdrängung des
Sorbischen, was mit der Herausbildung des Absolutismus in der Frühen Neuzeit
zusammenhing. Maßnahmen zur Zentralisierung waren verbunden mit dem Bemühen, die
Sorben zu germanisieren und in das Herrschaftssystem einzugliedern. Am
deutlichsten zeigte sich dieser Prozess im Markgraftum Niederlausitz. Dort übten ab 1657 für 80 Jahre die
Herzöge von Sachsen-Merseburg die Herrschaft aus. Sie setzten zahlreiche
Reformen durch, die den Einfluss der Landstände einschränkten und sich gegen die
sorbische Sprache und Kultur richteten. Mit dem 1667 gegründeten Lübbener Oberkonsistorium entstand eine
eigene fürstliche Kirchenverwaltung, die sich in den folgenden Jahrzehnten als
Basis einer staatlich geförderten Eindeutschungspolitik erwies. Bereits ein Jahr
nach seiner Gründung erarbeitete das Konsistorium auf Anordnung Herzog Christians I. einen Stufenplan zur
„gänzlichen Abschaffung“ der sorbischen Sprache, der über 200 Jahre verfolgt
wurde. Begründet wurde er zum einen mit einem bei den Sorben „eingewurzelten
Hass gegen ihre christliche Obrigkeit“, der zu „boshafter Verstockung und
Ungehorsam“ und zur Revolte der Uckroer Untertanen von 1548 geführt habe (→ Bauernaufstände). Zum anderen sei die sorbische
Sprache nach der Reformation „gar sehr
erstarkt“, obwohl der niederlausitzische Landvogt bereits 1592 angeordnet hatte,
dass „die deutsche Sprache im ganzen Markgraftum Eingang finden solle“.
An Bogumił Šwjela erteiltes Verbot des Gebrauchs der sorbischen Sprache im Gottesdienst, 1941; Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Das Vorgehen des Lübbener Konsistoriums wurde von den sächsischen Kurfürsten
gebilligt. 1725 forderte der Landesherr, dass in der Calauer Region und Spremberger Region, wo das Sorbische noch
stark in Gebrauch war, sehr auf das Erlernen des Deutschen zu achten sei. 1728
wurde allen Predigern der Niederlausitz befohlen, niemanden ohne ausreichende
Kenntnis der deutschen Sprache zum Abendmahl zuzulassen. 1729 erging die
Aufforderung an sorbische Eltern, ihre Kinder fleißig in die deutsche Schulen zu
schicken, damit sie eine bessere sittliche und religiöse Lebensgrundlage
erhielten. Nach dem Aussterben der merseburgisch-sächsischen Nebenlinie 1738,
als die Niederlausitz wieder in die Zuständigkeit von Kursachsen fiel, setzte
dieses konsequent die antisorbische Sprachenpolitik fort. Nach 1790 wurde in
mehreren Anordnungen die strikte Anwendung des Deutschen im Schulunterricht
gefordert.
Bereits 1667 hatte der Brandenburger Kurfürst
Friedrich Wilhelm das sog. Dezemberreskript erlassen. Damit leitete der preußische Staat im Kurmärkisch-wendischen
Distrikt Maßnahmen zur gänzlichen Auslöschung der sorbischen Sprache
ein. Im 18. Jh. folgten weitere Sprachverbote, so 1714, 1719, 1732, 1735 und
1757, die den Germanisierungsprozess in diesem Gebiet und im Kreis Crossen/ heute: Krosno (Polen) beschleunigten; Mitte des
19. Jh. war er abgeschlossen. Im Cottbuser
Kreis beschränkte sich die antisorbische Sprachenpolitik der
Hohenzollern zunächst lediglich auf die Regierungszeit des Soldatenkönigs
Friedrich Wilhelms I.
(1713–1740).
Die seit Ende des 17. Jh. forcierte Verdrängung der sorbischen Sprache aus weiten
Teilen der Niederlausitz zeitigte bald Erfolg: Das Sorbische wurde aus dem
öffentlichen Leben verbannt, in einigen Gebieten wie im Kreis Guben, in den Standesherrschaften
Sorau/heute: Żary (Polen) und
Forst-Pförten/heute: Brody
(Polen) (→ Östliche Lausitz) sowie
in den westlichen Teilen der Kreise Calau und Luckau
war es um 1800 weitgehend erloschen oder wurde nur noch von der älteren
Generation gesprochen. So konnte das Konsistorium 1794 feststellen, dass die
wiederholt befohlene „gänzliche Ausrottung der wendischen Sprache (…) an großen
Teils Orten dieser Provinz durchaus erreicht worden ist“ und dass es nun darauf
ankäme, diese Sprache „gänzlich absterben“ zu lassen. Die antisorbische Linie
wurde nach dem Übergang der Niederlausitz an Preußen beibehalten. 1818 erteilte
die Regierung in Frankfurt (Oder)
allen Superintendenten die Anweisung, in Kirche und Schule den Gebrauch des
Sorbischen abzuschaffen. In den Schulen durfte es nur bei den Anfängern zu Hilfe
genommen werden, der Unterricht der älteren Schüler hatte durchweg in deutscher
Sprache zu erfolgen. Auch im Gottesdienst sollte das Deutsche überwiegen.
Nach der Reichsgründung von 1871 verstärkte sich der Druck auf die sorbische
Bevölkerung der Niederlausitz. Im kirchlichen Umfeld war das Sorbische bereits
weitgehend verschwunden. Die Zahl der sorbischen Kirchspiele hatte sich bis 1870
auf 26 und Ende des 19. Jh. auf zwölf reduziert. Das Bedürfnis der Sorben nach
Erlernen der deutschen Sprache stieg. Die vom Staat betriebene
Eindeutschungspolitik, der Druck auf die Bevölkerung, das Schüren von
Minderwertigkeitskomplexen und die fortschreitende Industrialisierung führten zu einer
Zurückdrängung des sorbischen Ethnikums (→ Bevölkerungsstatistik), das nun in der
Niederlausitz in seiner Existenz bedroht war.
Ende des 17. Jh. modifizierten auch die Stände der Oberlausitz ihre Sprachenpolitik. Angesichts einer
drohenden Rekatholisierung entschieden sie sich in den „ganz wendischen
Gemeinden“ zu einer Tolerierung des Sorbischen. Dort jedoch, wo „schon mehrere
Kenntnis des Deutschen im wendischen Volke vorhanden und hierzulande das
Wendische vor Zeiten aus den evangelischen Kirchen abgeschafft oder in solche
nicht introduciret worden“, sollte es bei der zuvor verordneten Abschaffung
bleiben. Das betraf v. a. die am Rande des Sprachraums gelegenen Gebiete des
Kreises Görlitz, die Gegenden um
Rothenburg, Elstra, Königsbrück, Pulsnitz und Ruhland sowie einige Kirchspiele im Amt Stolpen.
Die insgesamt tolerantere Haltung in der Oberlausitz, die auch nach 1871
fortbestand, erleichterte die Herausbildung einer sorbischen Nationalbewegung, die im 19. und im ersten
Drittel des 20. Jh. ihre Ziele besser verwirklichen konnte.
In der NS-Zeit durfte ab 1937 das Sorbische
praktisch nicht mehr in der Öffentlichkeit angewandt werden.
Lit.: F. Mětšk: Verordnungen und Denkschriften gegen die sorbische Sprache und
Kultur während der Zeit des Spätfeudalismus. Eine Quellensammlung, Bautzen 1969;
W. Schich: Zur Diskriminierung der wendischen Minderheit im späten Mittelalter.
Die Ausbildung des „Wendenparagraphen“ in den Zunftstatuten nordostdeutscher
Städte, in: Europa Regional 10 (2002) 2; P. Kunze: Kurze Geschichte der Sorben,
Bautzen 52017.