Politische Aktivitäten, die auf Status, Funktion und Verbreitung von Sprachen im
öffentlichen Raum gerichtet sind, etwa auf die Rolle einer Sprache in den
internationalen Beziehungen (z. B. Festlegung der Sprachen internationaler
Institutionen und Dokumente, Regelungen zu Amtssprachen der Europäischen Union).
Im Unterschied zu Sprachpolitik betrifft
Sprachenpolitik das Verhältnis mehrerer Sprachen zueinander.
Hinsichtlich autochthoner Minderheitensprachen kann Sprachenpolitik als Teilbereich der Minderheitenpolitik gesehen werden, sie kann dabei auf Erhalt,
Entwicklung und Revitalisierung oder aber auf Assimilation abzielen.
Sprachenpolitik wird klassifiziert als „offizielle Sprachenpolitik“,
„Schul-Sprachenpolitik“ und „allgemeine Sprachenpolitik“. Offizielle
Sprachenpolitik umfasst Entscheidungen der Legislative, die den grundsätzlichen
Status definieren (etwa als zusätzliche Staatssprache, Amtssprache,
Gerichtssprache), gesetzlich fixieren und die repräsentative Verwendung
erlauben, fördern, einschränken oder unterbinden (zweisprachige Dokumente,
topografische Benennungen usw.). Schul-Sprachenpolitik befasst sich mit der
Frage, ob und wie Minderheitensprachen als Fach bzw. Unterrichtsmedium im
öffentlichen Schulwesen eingesetzt werden. Daraus ergeben sich Konsequenzen z.
B. für Schulnetzplanung, Lehrerausbildung, Lehrmittel- und Lehrbuchproduktion (→ Schule). Allgemeine Sprachenpolitik bezieht sich auf die Zulassung
bzw. Förderung des Gebrauchs von Minderheitensprachen in sonstigen
gemeinschaftlichen Sphären. Hierzu zählen etwa die Medien, die öffentliche
Verwaltung, die private Wirtschaft und die mit sprachlicher Kommunikation
verbundene Kulturpolitik. Diese Sprachenpolitik erhielt 1992 mit Annahme der
Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen durch den Europarat
eine internationale Dimension (in der Bundesrepublik seit 1999 rechtskräftig).
Minderheitensprachen gehören demnach zum kulturellen Reichtum Europas, das Recht
auf ihren privaten und öffentlichen Gebrauch gilt als unveräußerliches
Menschenrecht. Die Charta orientiert darauf, Minderheitensprachen durch
Maßnahmen in Bildung, Justiz, Verwaltung, Medien, Kultur und Wirtschaft zu
schützen und zu fördern.
Erste zweisprachige Ortschilder in der Niederlausitz, 1951;
Fotograf: Kurt Heine, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Die Sprachenpolitik gegenüber den Lausitzer Sorben war vor 1945 überwiegend
auf deren Germanisierung ausgerichtet. Dieses Ziel sollte weniger durch Sprachverbote erreicht werden,
als vielmehr durch Geringschätzung oder fehlende Unterstützung des Sorbischen.
Gefördert wurden hingegen Maßnahmen, die die sorbische Sprache aus dem
öffentlichen Raum verdrängten und ihr Prestige minderten. Systematisch gestärkt
wurde die Rolle einflussreicher Multiplikatoren der deutschen Sprache samt einer
antisorbischen Ideologie bei Amts- und Funktionsträgern. Geduldet wurde die
Verwendung der sorbischen Sprache im Rahmen privatrechtlicher Aktivitäten (→ Vereinswesen, Medien, kulturelle
Initiativen). In der Schule wurde berücksichtigt, dass in einigen Regionen
Schulanfänger bis Mitte des 20. Jh. im Alltag nur sorbisch sprachen und in
zahlreichen evangelischen und katholischen Kirchgemeinden bei der
Religionsausübung die sorbische Sprache verwendet wurde. Daher wurde an
Volksschulen, vornehmlich in der sächsischen Oberlausitz, sorbischer Sprachunterricht erteilt. In der NS-Zeit wurde er 1937/38
abgeschafft.
Zweisprachige Ortstafeln in der Oberlausitz, 2019; Fotografin:
Anja Pohontsch, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Der Übergang zur kompensatorischen, d. h. fördernden Minderheitenpolitik nach
1945 war mit einem grundsätzlichen Wandel in der Sprachenpolitik verbunden. Mit
dem sächsischen Gesetz zur Wahrung der Rechte der sorbischen Bevölkerung von
1948 (→ Sorbengesetze) sowie
mit Artikel 11 der Verfassung der DDR von 1949 erhielt die sorbische Sprache den
Status einer regionalen zweiten Amtssprache. Es folgten weitere
sprachenrechtliche Verordnungen und Beschlüsse (bes. Regelungen für den
Schulunterricht, für Presse und Rundfunk, zweisprachige amtliche Dokumente und topografische
Bezeichnungen, Einrichtung staatlicher kultureller und wissenschaftlicher
Institutionen).
Die Bundesrepublik Deutschland sieht im Schutz der autochthonen Minderheiten und
ihrer Sprachen einen Beitrag zur Wahrung der Identität, zur Sicherung des
kulturellen Erbes und der innerstaatlichen Verständigung. Im sorbischen Siedlungsgebiet Sachsens und
Brandenburgs sollen die Bürger zum Gebrauch der Minderheitssprache ermutigt
werden; sie können sich vor Gericht und bei Behörden der sorbischen Sprache
bedienen, ohne dadurch Nachteile zu erleiden. Sorbischer Schulunterricht,
sorbische Medien und sorbischsprachige kulturelle Aktivitäten werden
unterstützt. Amtliche Aufschriften sollen die Zweisprachigkeit betonen. Die Sprachenpolitik der Domowina zielt auf Statuserhöhung, Wahrnehmung
der Anwendungsmöglichkeiten und Revitalisierung der Sprache (→ Witaj-Modellprojekt). Besonderes
Augenmerk gilt dabei der vorschulischen und schulischen Bildung.
Lit.: L. Elle: Sprachenpolitik in der Lausitz. Eine Dokumentation 1949–1989,
Bautzen 1995; Serbšćina. Najnowsze dzieje języków słowiańskich, Red. H. Faska,
Opole 1998; Erster Bericht der Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 15
Absatz 1 der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen,
[Berlin] 2000; Zweiter Bericht der Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 15
Absatz 1 der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen,
[Berlin] 2003; L. Elle: Die Europäische Charta der Regional- oder
Minderheitensprachen und die Sprachenpolitik in der Lausitz, Bautzen 2004; E.
Pech: Ein Staat – eine Sprache? Deutsche Bildungspolitik und autochthone
Minderheiten im 20. Jahrhundert, Bautzen 2012.