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„Wenden­abteilung“
Dietrich Scholze

Zentrale Reichsbehörde zur politischen Kontrolle der Sorben bzw. Wenden in der Ober- und Niederlausitz von 1920 bis 1945. Als Reaktion auf Autonomiebestrebungen nach dem Ersten Weltkrieg wurde aus Furcht vor einer Abspaltung der Lausitz im Januar 1920 die Wendenabteilung als staatliches Organ „zur Überwachung der wendischen Bewegung“ gegründet. An der Gründung beim „Sonderreferat Deutschland“ des Reichsaußenamts in Berlin beteiligten sich Vertreter der Staatskanzleien Sachsens und Preußens, Mitarbeiter interessierter Bezirksverwaltungen beider Länder, der Bautzener Oberbürgermeister sowie je ein Vertreter der Landesgeschichtsforschung und des Deutschen Schutzbunds für das Grenz- und Auslandsdeutschtum. Der als Leiter vorgeschlagene Bautzener Kreishauptmann Karl Néale von Nostitz-Wallwitz legte bereits am 21.1.1920 einen Statutenentwurf für die zu schaffende Wendenabteilung vor, der folgende Ziele enthielt: „Stärkung der Deutschtumsarbeit in den wendischen Gebieten und wirksame Begegnung der Gefahr des wendischen Irredentismus in allen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens. Weitgehende Förderung einer breiten Aufklärung über den hochverräterischen Charakter jeglicher wendischer Nationalbestrebungen, auch scheinbar harmloser (Tschechen, Polen). Aufdeckung jedes wendischen Nationalbewusstseins als reichsfeindlich. Förderung des Aufgehens der Wenden im Deutschtum.“ Unter grundsätzlicher Geheimhaltung sollten sorbische politische und kulturelle Aktivitäten beobachtet und Daten aus allen Lebensbereichen gesammelt werden. Im Auftrag des Kreishauptmanns sollte ein Beamter (Regierungs-Amtmann Kurt Zimmermann) die Aufgabe hauptamtlich erfüllen und dabei mit zuverlässigen Übersetzern („Lehrer oder Geistliche“) zusammenarbeiten.

In der Nachkriegskrise verzögerte sich die Konstituierung der Wendenabteilung um ca. drei Jahre, allerdings fühlte sich die Kreishauptmannschaft Bautzen schon während dieser Zeit für die „Wendenfrage“ verantwortlich. Anfang 1923 wurde zwischen Sachsen und Preußen ein Informationsaustausch vereinbart, im August nahm die Behörde ihre Tätigkeit auf. In allen wendischen Angelegenheiten wurden ihr die Regierungsbezirke Bautzen, Liegnitz/​heute Legnica (Polen) und Frankfurt (Oder) zugewiesen. Es gelang der Wendenabteilung weitgehend, Aufsehen im In- und Ausland zu vermeiden. Selbst ihr Name war auf den internen Dienstverkehr beschränkt. Zur Finanzierung der „Wendenpolitik“ wurden Reichsmittel beantragt und in einem Fonds erfasst. Die Gelder dienten z. B. zum Aufbau eines „Wendenarchivs“, zur Bezahlung einer Hilfskraft und zur Honorierung von Übersetzungsarbeiten.

Nach Aufhebung der Kreishauptmannschaft wurde die Wendenabteilung 1932 in die Amtshauptmannschaft Bautzen überführt, ihr Aufgabenbereich blieb unverändert. In Vetschau wurde nun eine Zweigstelle für die Niederlausitz installiert. In der NS-Zeit kam es zu Überschneidungen bei der Zuständigkeit, da nicht alle Verwaltungseinheiten die Bautzener Institution als federführend betrachteten. 1935 wurde zwischen der Wendenabteilung und der sog. Publikationsstelle Berlin-Dahlem hinsichtlich der Sorben ein Übersetzungsaustausch vereinbart. 1937 unterhielt die Wendenabteilung ständige Kontakte zu 18 Dienststellen: vier Behörden des Reiches, sieben des Landes Sachsen, fünf des Landes Preußen und zwei Instanzen der NSDAP; ihnen wurden regelmäßig „Wendenvierteljahresberichte“ mit detaillierten politischen Einschätzungen zugeleitet. Die Wendenabteilung trug zum Verbot jeglicher nationaler Betätigung der Sorben ab 1937 bei (→ Vereinswesen, → Domowina). Sie versuchte 1939 bzw. 1941 sorbische Bibliotheken (→ Bibliothek der Maćica Serbska, → Hórnik-Bibliothek) in ihren Besitz zu bringen, was jedoch nur z. T. gelang. Der letzte Tätigkeitsnachweis stammt vom Februar 1942, mit dem Kriegsende endete die Existenz der Behörde definitiv. – Die Akten der Wendenabteilung, die ab 1957 im Sorbischen Kulturarchiv zugänglich waren, wurden 1992 dem staatlichen Archivwesen Sachsens übergeben und befinden sich seit 1999 im Staatsfilialarchiv Bautzen.

Lit.: F. Mětšk: Bestandsverzeichnis des Sorbischen Kulturarchivs in Bautzen, Teil III: Das Depositum Wendenabteilung, Bautzen 1967; D. Scholze: Die Wendenabteilung in Bautzen, in: Eine Kirche – zwei Völker, Bd. 1, Hg. D. Grande/​D. Fickenscher, Bautzen/​Leipzig 2003; F. Förster: Die „Wendenfrage“ in der deutschen Ostforschung 1933–1945, Bautzen 2007.

Metadaty

Titl
„Wenden­abteilung“
Titl
„Wenden­abteilung“
Awtor:ka
Scholze, Dietrich
Awtor:ka
Scholze, Dietrich
Klučowe słowa
nacionalsocializm; Weimarska republika; Třeći reich; mjeńšinowa politika; policiske dohladowanje; archiw; Geschichte 1918–1933; Geschichte 1933–1945
Klučowe słowa
nacionalsocializm; Weimarska republika; Třeći reich; mjeńšinowa politika; policiske dohladowanje; archiw; Geschichte 1918–1933; Geschichte 1933–1945
Zjeće wobsaha

Centralny němski zarjad za politisku kontrolu Serbow w Hornjej a Delnjej Łužicy wot 1920 do 1945.

Zjeće wobsaha

Centralny němski zarjad za politisku kontrolu Serbow w Hornjej a Delnjej Łužicy wot 1920 do 1945.

Namaka so w zběrce
Namaka so w zběrce
Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
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