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Rěčna kultura
Jana Šołćina a Anja Pohončowa

In der tschechischen und russischen Sprachwissenschaft entwickelter Begriff, der die systematische Pflege einer Sprache umfasst und sich insbesondere auf die Schriftsprache bezieht. Sprachkultur schließt die Bemühungen um eine Verbesserung der funktional bestimmten Kommunikationsfähigkeit der Sprecher ein.

Im Bereich des Sorbischen dominierte in der Vergangenheit eine präskriptive, häufig mit einer rigorosen Ausmerzung fremdsprachiger Elemente verbundene sprachkulturelle Konzeption (→ Sprachpurismus). In der modernen sorbischen Linguistik geht man dagegen von den konzeptionellen Ansätzen der Prager Linguistik zur Frage des Verhältnisses von Usus, Norm und Kodifikation aus. Sprachkultur ist als Komplex von Forderungen zu sehen, wozu das Bestreben um eine korrekte und der Kommunikationssituation angemessene Verwendung der Sprache gehört. Ausgangspunkt dafür sind die Sprachnorm und deren adäquate Beschreibung in Kodifizierungswerken (→ Grammatiken, → Wörterbücher usw.). Sprachkultur steht in engem Zusammenhang mit Sprachpolitik.

Obersorbisch: Im 19. Jh. waren sprachkulturelle Bemühungen auf die Stabilisierung der schriftsprachlichen Norm des Obersorbischen ausgerichtet, verbunden mit einer Slawisierung v. a. des Wortschatzes. Die in Zeitungen und Zeitschriften verwendeten Ausdrucksmittel widerspiegelten die erweiterten Themenbereiche des 19. Jh. In den Zeitschriften „Časopis Maćicy Serbskeje“, „Łužičan“ und „Łužica“ erschienen Aufsätze sprachpflegerischer Art. Zu nennen sind Beiträge von Michał Hórnik, z. B. „Někotre podhladne a špatne serbske słowa“ (Einige verdächtige und schlechte sorbische Wörter, in „Časopis Maćicy Serbskeje“ 1891) sowie die Reihe „Rjedźer a porjedźer“ (Reiniger und Bereiniger, in „Łužičan“ 1860–1863, „Łužica“ 1882 /83). Im 20. Jh. erreichten die Bemühungen um eine sorbische Sprachkultur mit dem Wirken von Michał Nawka (u. a. „Pokiwy pyskej a pjeru. Prawe wurazy a sady po serbskoněmskim abeceju“, Hinweise für den Schnabel und die Feder. Richtige Ausdrücke und Sätze nach dem sorbisch-deutschen ABC, 1936) und Anton Nawka einen Höhepunkt. Der von A. Nawka verfasste Sprachratgeber „Mjenje zmylkow. Rady a pokiwy za dobru serbšćinu“ (Weniger Fehler. Ratschläge und Tipps für ein gutes Sorbisch, 1972, 21993) griff aktuelle Sprachprobleme des Obersorbischen auf und bot Verbesserungsvorschläge an, die sich an den slawischen Nachbarsprachen orientierten. In einigen Printmedien erschienen regelmäßig sprachkulturelle Beiträge, z. B. in den 1960er Jahren im „Rozhlad“ und der „Serbska šula“, seit den 1970er Jahren in der „Nowa doba“ bzw. den „Serbske Nowiny“.

Praktischer Sprachratgeber für Obersorbisch, Domowina-Verlag 2009

Der Sorbische Rundfunk (d. h. das obersorbische Programm des MDR) sendet seit den 1990er Jahren kurze sprachkulturelle Beiträge, zunächst unter der Rubrik „Minuta serbšćiny“ (Eine Minute Sorbisch), seit 2002 unter der Rubrik „Rěčny kućik“ (Sprachecke); Letztere können auch im Internet (auf der Webseite hornjoserbsce.de des Sorbischen Instituts) nachgelesen werden, 2009 erschienen sie in Buchform: „Z labyrinta serbšćiny. Bjesady wo rěči“ (Aus dem Labyrinth des Sorbischen. Sprachglossen).

Niedersorbisch: Gegenstand der Sprachkultur im 19. Jh. war neben der Stabilisierung und Vereinheitlichung der Orthografie auch die Slawisierung des Wortschatzes. Die Gründung der niedersorbischen Wochenzeitung „Bramborski serbski casnik“ 1848 führte zu einer Erweiterung der Themenbereiche, was den Ausbau des schriftsprachlichen Wortschatzes förderte. Dabei wurden nach dem Vorbild der Dialekte zahlreiche deutsche Lehnwörter aufgenommen, was einige Leser kritisierten. Am bekanntesten ist der 1853 von Jan Bjedrich Tešnaŕ in der niedersorbischen Wochenzeitung veröffentlichte Aufsatz „Sserske Sslowa k’ßerskim Hutschobam“ (= Serbske słowa k serbskim wutšobam, Wendische Worte für wendische Herzen, Nummer 15 bis 18), in dem er für zahlreiche Germanismen niedersorbische Neubildungen bzw. aus dem Obersorbischen entlehnte Wörter auflistete.

Kito Šwjela, langjähriger Redakteur der niedersorbischen Wochenzeitung (1864–1915), wurde zum Schöpfer zahlreicher Neubildungen. Er veröffentlichte außerdem sog. „rěcnice“ (Sprachecken), in denen für deutsche Wörter sorbische Entsprechungen vorgeschlagen wurden; einige davon wurden in den Wortschatz aufgenommen, andere verworfen. Spätere Redakteure der niedersorbischen Wochenzeitung, so Hendrich Jordan, Mato Kosyk, Bogumił Šwjela und Mina Witkojc, setzten diese sprachkulturellen Bemühungen fort.

Da Sorbisch nicht als reguläres Unterrichtsfach in den Schulen gelehrt wurde und man seit Mitte des 19. Jh. sorbische Gottesdienste allmählich reduzierte, standen dem Niedersorbischen zwei wichtige Vermittler für die Durchsetzung sprachkultureller Bemühungen nicht mehr zur Verfügung. Seit dem Verbot sorbischer Gottesdienste 1941 (→ NS-Zeit) blieb das Niedersorbische jahrzehntelang aus dem öffentlichen religiösen Leben verbannt. Erst 1987 fand hat es erneut seinen Platz in der Kirche.

Vorschläge für neue niedersorbische Lexik von Jan Bjedrich Tešnaŕ, 1853; Repro: Sorbische Zentralbibliothek am Sorbischen Institut

Nach 1945 wurde der schriftsprachliche Wortschatz verstärkt ausgebaut und slawisiert, was eine Änderung der lexikalischen Norm der niedersorbischen Schriftsprache zur Folge hatte ( Interferenz). Die Orthografiereform von 1949 bzw. 1952 und die ungenügende Rezeption niedersorbischer Texte durch die Bevölkerung bewirkten, dass sich die Diskrepanz zwischen Schrift- und Volkssprache vertiefte. Die Sprachträger identifizierten sich kaum mit der im „Nowy Casnik“ verwendeten und seit den 1950er Jahren auch in den Schulen gelehrten Schriftsprache.

In den 1970er Jahren lassen sich liberalisierende Tendenzen erkennen (Annäherung an Volkssprache, Verzicht auf unnötige obersorbische Entlehnungen, Stärkung des niedersorbischen Charakters der Schriftsprache), die seit den 1990er Jahren verstärkt (z. B. Aussprache, umgangssprachlicher und dialektaler Wortschatz, Akzeptanz deutscher Lehnwörter) und durch die Niedersorbische Sprachkommission behutsam unterstützt werden.

Die Mehrheit der Sprecher der niedersorbischen Schriftsprache hat sich das Niedersorbische als Fremdsprache angeeignet und verwendet es meist nur im beruflichen Umfeld. Der geringe Ausbaustatus, die wenigen Kommunikationssituationen, in denen die Sprache eingesetzt wird, aber auch die insgesamt prekäre Situation des Sorbischen in der Niederlausitz beeinträchtigen die Bemühungen um eine höhere Sprachkultur. Die Frage der kommunikativen Angemessenheit bzw. der sprachlichen Richtigkeit erscheint daher als zweitrangig.

Lit.: Grundlagen der Sprachkultur, Hg. J. Scharnhorst/​E. Ising, Berlin 1976; H. Faska: Někotre teoretiske a praktiske aspekty normy rěče, in: Rozhlad 36 (1986) 1, 2; S. Wölke: Aktuelle Probleme der Sprachkultur im Sorbischen, in: Sprachsituation und Sprachkultur im internationalen Vergleich. Aktuelle Sprachprobleme in Europa, Hg. J. Scharnhorst, Frankfurt am Main u. a. 1995; R. Marti: Sorbisch, in: Sprachkulturen in Europa. Ein internationales Handbuch, Hg. N. Janich/​A. Greule, Tübingen 2002; A. Pohončowa/​J. Šołćina/​S. Wölkowa: Z labyrinta serbšćiny. Bjesady wo rěči, Budyšin 2009.

Metadaty

Titl
Rěčna kultura
Titl
Rěčna kultura
Awtor:ka
Šołćina, Jana; Pohončowa, Anja
Awtor:ka
Šołćina, Jana; Pohončowa, Anja
Klučowe słowa
rěčne planowanje; purizm; spisowna rěč
Klučowe słowa
rěčne planowanje; purizm; spisowna rěč
Zjeće wobsaha

W čěskim a ruskim rěčespyće etablěrowane zapřijeće, kotrež systematiske hladanje rěče wopřija a so wosebje na spisownu rěč poćahuje. Rěčna kultura wopřimuje tež prócowanja wo polěpšenje funkcionalnje postajenych komunikaciskich kmanosćow rěčnikow.

Zjeće wobsaha

W čěskim a ruskim rěčespyće etablěrowane zapřijeće, kotrež systematiske hladanje rěče wopřija a so wosebje na spisownu rěč poćahuje. Rěčna kultura wopřimuje tež prócowanja wo polěpšenje funkcionalnje postajenych komunikaciskich kmanosćow rěčnikow.

Namaka so w zběrce
Namaka so w zběrce
Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
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