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Bibliothek der Maćica Serbska
von Franz Schön

Bedeutendste sorabistische Bibliothek bis 1949 (→ Bibliotheken). In der Gründungsphase der Maćica Serbska entstand 1846 in Bautzen erstmals eine zentrale Bibliothek mit Archivfunktion, die sich der systematischen Sammlung aller sorbischsprachigen Neuerscheinungen sowie von Publikationen über die Sorben annahm. Untergebracht war die Bibliothek der Maćica Serbska anfangs in den privaten Räumen des jeweiligen ehrenamtlichen Verwalters, meist eines Lehrers, ab 1873 in einem kleinen Raum im Smoler’schen Druck- und Verlagshaus (→ Schmalers Verlag und Buchdruckerei). Der jährliche Zuwachs – um 1900 ca. 1 000 Titel – stammte vornehmlich aus Tauschbeziehungen, die die Maćica Serbska seit 1857 mit slawischen Akademien und wissenschaftlichen Gesellschaften, deutschen Geschichtsvereinen, Bibliotheken und Zeitschriftenredaktionen pflegte (38 Institutionen im Jahr 1910). Ältere und seltene Drucke in den verschiedensten slawischen Sprachen erhielt sie durch Schenkungen und Nachlässe von Vereinsmitgliedern (die wertvollsten von Michał Hórnik und Arnošt Muka). Die Notwendigkeit zur Aufbewahrung der Sammlungen war in den 1890er Jahren ein Hauptargument der Spendenaktionen für den Bau des Wendischen Hauses in Bautzen. Nach dessen Fertigstellung 1904 wurde die Bibliothek der Maćica Serbska im 4. Stock im Giebel untergebracht; eine Studienmöglichkeit vor Ort gab es nicht. Namhafte Slawisten, etwa Max Vasmer, Karl Heinrich Meyer, Matija Murko oder Josef Páta, nutzten die Bibliothek in den 1920er Jahren. Damals begann man die Bücher und Zeitschriftenbände neu zu ordnen. Jakub Wjacsławk, Mitarbeiter der Sächsischen Landesbibliothek Dresden, stellte einen 1924 gedruckten „Katalog der wendischen Abteilung der Bibliothek der Gesellschaft Maćica Serbska“ zusammen, der knapp 1 500 sorbische Drucke enthielt. Er bewies, dass die Maćica Serbska fast das komplette sorbische Schrifttum vom ältesten Buch aus dem 16. Jh. (→ Kirchenlied) bis zur Gegenwart zusammengetragen hatte; kleinere Lücken gab es bei der Literatur des 17. und 18. Jh. und bei der niedersorbischen Literatur, v. a. der niedersorbischen Presse. Unvollständig katalogisiert blieben die nicht sorabistischen Publikationen. Der Gesamtbestand erreichte schätzungsweise 18 000 Titel.

Bibliotheksstempel der Maćica Serbska; Fotografin: Hana Schön, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Nach der am 25.8.1937 erfolgten Besetzung des Bautzener Wendischen Hauses durch die Gestapo, die einzelne Räume unter Verschluss nahm, waren die Bibliothek der Maćica Serbska und das Archiv (→ Sorbisches Kulturarchiv) nicht mehr zugänglich. Am 8.12.1941 verfügte der sächsische Minister des Innern, sämtliche Vermögenswerte von der Domowina angeschlossenen Vereinen und Verbänden einzuziehen. Gesondert entschieden wurde über das Wendische Museum in Bautzen und die Bibliothek der Maćica Serbska. Um Letztere bemühte sich neben Universitätsbibliotheken besonders die Wendenabteilung. Jedoch wurde sie der für die NS-Ostforschung tätigen Publikationsstelle Berlin-Dahlem überlassen, die sie im Frühjahr 1942 in die dortige Gelfertstraße 11 überführte. Mit den einsetzenden Bombardements der Hauptstadt lagerte die Stelle ihre gesammelten und erbeuteten Bestände im November 1943 nach Bautzen und Lehn bei Löbau aus; im Frühjahr 1945 verließ die Einrichtung in aller Eile die Oberlausitz in Richtung Coburg unter Mitnahme der in Bautzen aufbewahrten Materialien.

Erst Mitte 1945 erfuhren sorbische Stellen durch einen Mitarbeiter der Publikationsstelle vom Verbleib der Bibliothek der Maćica Serbska. Der Auslagerungsort war inzwischen von einer sowjetischen Trophäenbrigade entdeckt und aufgesucht worden. Diese verbrachte mit deutschem Raubgut aus baltischen Bibliotheken auch den Großteil der nicht sorabistischen Literatur sowie handschriftliches Material des Maćica-Archivs in die Sowjetunion. Knapp 3 000 Bücher, im Wesentlichen der gesondert verpackte und gelagerte sorbischsprachige Teil der Bibliothek, kehrten nach Bautzen zurück und wurden nach Zwischenlagerung im Sorbischen Kultur- und Volksbildungsamt aufgestellt. Wjacsławk, nunmehr Leiter der Städtischen Bücherei und der Außenstelle des Sächsischen Staatsarchivs in Bautzen, beauftragte 1948 eine Bibliothekarin mit der Bestandserfassung und Neusignierung nach Numerus currens. Mit der Einstellung der Tätigkeit der Maćica Serbska ging der Restbestand der Bibliothek der Maćica Serbska 1949 in die Sorbische Zentralbibliothek ein.

Lit.: F. Schön: Über die historischen Buchbestände der Sorbischen Zentralbibliothek. Neue Erkenntnisse zum Schicksal der Sammlungen der Maćica Serbska, in: 27. ABDOS-Tagung. Referate und Beiträge, Berlin 1998; F. Förster: Die „Wendenfrage“ in der deutschen Ostforschung 1933–1945. Die Publikationsstelle Berlin-Dahlem und die Lausitzer Sorben, Bautzen 2007.

Metadaten

Titel
Bibliothek der Maćica Serbska
Titel
Bibliothek der Maćica Serbska
Autor:in
Schön, Franz
Autor:in
Schön, Franz
Schlagwörter
Wissenschaftliche Gesellschaft; Buch; Sorabistik; Bibliotheksbestand; Kriegsbeute; Schrifttum; Literatur
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Wissenschaftliche Gesellschaft; Buch; Sorabistik; Bibliotheksbestand; Kriegsbeute; Schrifttum; Literatur
Abstract

Bedeutendste sorabistische Bibliothek bis 1949. In der Gründungsphase der Maćica Serbska entstand 1846 in Bautzen erstmals eine zentrale Bibliothek mit Archivfunktion, die sich der systematischen Sammlung aller sorbischsprachigen Neuerscheinungen sowie von Publikationen über die Sorben annahm.

Abstract

Bedeutendste sorabistische Bibliothek bis 1949. In der Gründungsphase der Maćica Serbska entstand 1846 in Bautzen erstmals eine zentrale Bibliothek mit Archivfunktion, die sich der systematischen Sammlung aller sorbischsprachigen Neuerscheinungen sowie von Publikationen über die Sorben annahm.

Enthalten in Sammlung
Enthalten in Sammlung
Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
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