Zuzug von Personen mit der Absicht, sich auf Dauer niederzulassen. Im 12./13. Jh.
förderten die Feudalherren der Lausitzen eine innere Kolonisation, bei der sich deutsche Zuwanderer in
großen Gruppen unweit sorbischer Dörfer ansiedelten. Infolge der
Gegenreformation in den katholisch gebliebenen Nachbarländern kam es nach 1620
zu mehreren Flucht- und Migrationswellen protestantischer Adliger, Stadtbürger
und Landbewohner in die Ober- und Niederlausitz. Sowohl das
protestantische Brandenburg als auch Kursachsen, zu dem seit dem Traditionsrezess von 1635 die Lausitzen
gehörten, gewährten Aufenthalt; z. T. konnten damit Bevölkerungsverluste des Dreißigjährigen Kriegs
ausgeglichen werden, die bis zu 50 % betrugen.
Schon Anfang der 1620er Jahre waren evangelische Tuchmacher aus Schlesien in
niederlausitzische Städte wie Sorau,
Forst oder Guben gekommen; ab Ende der 1640er Jahre
erließ Brandenburg konkrete Maßnahmen. Angesiedelt wurden niederländische und
friesische Bauern, ab den 1680er Jahren Schweizer, Hugenotten und Pfälzer. In
Sachsen waren die ersten Zuwanderer 1623 und 1624 zu verzeichnen. Nach
Kriegsende, besonders ab 1651, erfolgte aufgrund der Restriktionen gegen
Protestanten die stärkste Einwanderungswelle aus Böhmen. Die Exulanten ließen
sich in Dörfern v. a. der südlichen Lausitz und im mittleren Erzgebirge nieder.
Im grenznahen Raum unterstützten die Feudalherren die Ansiedlung böhmischer
Zuwanderer auf Kleinstellen und förderten die Leineweberei (→ Wirtschaft). Der Anteil der böhmischen Exulanten an
der Bevölkerung des damaligen Sachsens lässt sich mit etwa 5 % beziffern. Unter
ihren Nachkommen finden sich Persönlichkeiten der sorbischen Kulturgeschichte,
so der Großpostwitzer Pfarrer
Michał Frencel oder der Friedersdorfer Pfarrer und
Kirchenhistoriker Christian Knauthe.
Darüber hinaus zog die Oberlausitz Personen an, deren religiöse Auffassungen
nicht in Einklang mit den großen Konfessionen standen. 1722 ermöglichte
Nikolaus Graf von Zinzendorf
mährischen Einwanderern die Ansiedlung auf seinen Ländereien (→ Brüdergemeine), 1742 entstand Niesky als Kolonie der Herrnhuter, und 1751
wurde eine Gemeinschaft in Kleinwelka gegründet.
Kritische Bewertung der Situation des sorbischen Schulwesens nach dem Zuzug von Vertriebenen, 1946; Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut Bautzen
Im Zuge der sog. Friderizianischen Kolonisation nach 1740 durch Friedrich den Großen wurden etwa 15 000
Zuwanderer v. a. aus Polen, Sachsen und Mecklenburg nach Brandenburg geholt.
Kleinere Schwerpunkte waren der Kurmärkisch-wendische Distrikt
und der Cottbuser Kreis. Zwischen
1746 und 1800 gab es im Ersteren 51 Ortsneugründungen bzw. Einsiedlungen von
Kolonisten in Altdörfer. Der überwiegende Teil der Siedler waren Deutsche aus
Hessen und der Pfalz. Unter Friedrich II. wurden ab 1752 das im Tauerschen Forst gelegene Ackervorwerk
Schönhöhe, im Jahr darauf
Saccasne bei Schmogrow und Radewiese bei Heinersbrück besiedelt. Nach dem
Siebenjährigen Krieg folgten Burg-Kolonie (1765), Ottendorf bei Peitz
(1782) und Sachsendorf bei Cottbus (1786). Außerdem ließen sich auf
Betreiben der Herrschaft Cottbus im ganzen Kreis Kolonisten nieder (insgesamt
etwa 2 800 Personen), z. B. in die Kleinstadt Peitz 360 Familien oder in
Drachhausen 19 Familien. Die Mehrheit der Siedler, zum Teil sorbischer Herkunft,
stammte aus der dem sächsischen Kurfürsten gehörenden Niederlausitz. Die
Einwohnerzahl von Cottbus stieg von 2 965 Einwohnern 1763 auf 4 058 Personen im
Jahr 1780, darunter auch französische Unternehmer. Es kam zur Gründung einer
französischen Kolonie mit eigenem Gotteshaus. Die Immigranten brachten den
Tabakanbau und die Tabakverarbeitung in die Stadt, dazu die Strumpfweberei und
die Konditorei.
Im 19. Jh. setzte ein demografischer Wandel ein. Die Bevölkerung wuchs stark an,
die Einwanderungsrate auf dem Lande nahm zu. Das Königreich Sachsen war 1895 das
dichtestbesiedelte Land Europas, die Einwohnerzahl war von 1827 bis 1910 um mehr
als 100 % gestiegen. Es erfolgte eine Immigration von Polen und Tschechen, was
zu einer Zunahme der katholischen Bevölkerung führte. Die Zahl der
polnischsprachigen Bewohner in der Oberlausitz betrug 1910 vermutlich rund 4 500, die der tschechischsprachigen rund 4 000. Die Polen kamen aus den damaligen
östlichen Provinzen Preußens und besaßen meist die deutsche Staatsbürgerschaft,
die Tschechen wanderten mit österreichischem Pass aus Böhmen und Mähren ein.
Beispiel für den Zusammenhang von Industrialisierung und Zuwanderung ist die
1866 gegründete Flachsgarnspinnerei Hainitz bei Großpostwitz. Im Laufe der folgenden Jahre siedelten sich in
ihrem Umkreis viele katholische Arbeiter aus Nordböhmen an. Ab der zweiten
Hälfte des 19. Jh. kam es in der Niederlausitz zu einem starken
Bevölkerungswachstum durch den Braunkohlenbergbau. Besonders betroffen waren die Senftenberger Region sowie die Städte
Luckau, Spremberg, Guben und Sorau. Bedingt durch
neue Arbeitsmöglichkeiten, wurde Brandenburg noch vor der Jahrhundertwende zum
Zentrum der Binnenwanderung in Deutschland. Teils als Folge der Abwanderung
deutscher Landarbeiter nach 1871 nahm die Zahl polnischer Wanderarbeiter auf
märkischen Gütern zu.
Von 1900 bis zum Ersten Weltkrieg folgte eine weitere Migrationswelle aus
Oberschlesien und Galizien in die Bergbaugebiete. Von dieser Entwicklung zeugt
das Beispiel Kausche bei Spremberg.
Ab Ende des 19. Jh. entwickelte sich das Gutsdorf zu einer Bergarbeitergemeinde,
die mit 891 Einwohnern 1910 zum größten Dorf der näheren Umgebung wurde.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Lausitz von massiver Zuwanderung aus den
ehemaligen deutschen Ostgebieten betroffen. Knapp 12,5 Millionen Flüchtlinge und
Vertriebene ergab die Volkszählung von 1950 für ganz Deutschland, wovon die
Sowjetische Besatzungszone etwa 40 % aufgenommen hatte. Ende 1949 war es fast
eine Million allein in Sachsen, in Brandenburg lebten im März 1949 über 700 000
Flüchtlinge und Vertriebene. Wie aus einer Statistik der Domowina von 1946
hervorgeht, machten sie in der Oberlausitz zeitweise bis zu 30 % der dörflichen
Bevölkerung aus, in der Niederlausitz bis zu 50 %. Wenngleich sich diese
Situation später wieder änderte, blieben viele Neuankömmlinge in der
zweisprachigen Region, heirateten und gründeten Familien, was in der Regel die
sprachliche Assimilation der sorbischen
Partner zur Folge hatte.
Die Entwicklung der Lausitz zum „Kohle- und Energiezentrum der DDR“ ab den 1950er
Jahren zog zahlreiche fremde Arbeitskräfte an. Durch den Aufbau des Kombinats
Schwarze Pumpe ab 1955 wuchs die Bevölkerung der Stadt Hoyerswerda innerhalb von 25 Jahren auf das
Zehnfache (1950: 7 365, 1980: 70 700 Einwohner). Seit den 1960er Jahren wurden
überdies „ausländische Werktätige“ angeworben. So gelangten Arbeiter aus
Algerien, Angola, Kuba, Mosambik, Polen, Ungarn und Vietnam ins sorbische
Siedlungsgebiet, die wegen ihrer meist abgeschirmten Unterkunft wenig Kontakt
zur einheimischen Bevölkerung unterhielten. Nach 1990 zog auch eine Anzahl von
Personen aus der alten Bundesrepublik in die Lausitz; die Zahl der Abwanderungen
überwog jedoch bis 2010 deutlich.
Lit.: R. Lehmann: Geschichte der Niederlausitz, Berlin 1963; K. Blaschke:
Bevölkerungsgeschichte von Sachsen bis zur industriellen Revolution, Weimar
1967; Geschichte der Oberlausitz. Herrschaft, Gesellschaft und Kultur vom
Mittelalter bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, Hg. J. Bahlcke, Leipzig 2001;
Zuwanderungsland Deutschland. Migrationen 1500–2005, Hg. R. Beier-de Haan,
Berlin 2005; F. Metasch: Exulanten in Dresden. Einwanderung und Integration von
Glaubensflüchtlingen im 17. und 18. Jahrhundert, Leipzig 2011.