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Schule
von Peter Kunze, Edmund Pech und Ludmila Budarjowa

Institution zur Vermittlung von Wissen und Können durch Lehrer an Schüler; hier die Entwicklung des Unterrichts- und Bildungswesens in der Lausitz mit Blick auf die sorbische Sprache als Unterrichtsfach bzw. als Unterrichtssprache.

Die Anfänge des Elementarschulwesens reichen in der sorbischen Lausitz bis ins 15./16. Jh. zurück. Etwa seit dieser Zeit entstanden in den Kirchorten erste primitive Schulen, die auch von den Kindern der eingepfarrten Dörfer besucht werden konnten. Den Unterricht übernahm – zunächst als Nebenbeschäftigung – der Kirchendiener, der als Gehilfe des Pfarrers zugleich Sänger, Organist und Küster war. Erst nach und nach erhielt das Bemühen einen offiziellen Rahmen. Aufgabe des Schulmeisters war es, die Kinder im Katechismus zu unterweisen und mit ihnen Kirchenlieder, Gebete und Bibelsprüche zu memorieren. In den sorbischen Gebieten erfolgte der Unterricht in Sorbisch. Lesen und Schreiben waren nicht vorgesehen. Da keine Schulpflicht bestand, war der Besuch sehr unregelmäßig und auf die höheren sozialen Schichten begrenzt.

Niedersorbisches ABC-Buch, vermutlich von Juro Ermel, 1671; Repro: Sorbische Zentralbibliothek am Sorbischen Institut

Obersorbische katholische Fibel von Jakub Anton Kilian, 1780; Repro: Sorbische Zentralbibliothek

Sorbische Schulstandorte 1955 und 2012, Brankatschk; Karte: Iris Brankatschk

Während man in den deutschen Teilen beider Lausitzen schon bald dazu überging, neben dem Einüben religiöser Texte auch Lesen und Schreiben zu lehren, stagnierte das Schulwesen im sorbischen Siedlungsgebiet über fast 150 Jahre. Wollte man auch hier das geschriebene Wort zur Grundlage des Unterrichts machen, musste grundsätzlich geklärt werden, ob der Unterricht unter Anwendung der sorbischen Muttersprache der Schüler oder aber in der ihnen unverständlichen deutschen Sprache erfolgen sollte. In der Oberlausitz entschieden sich die Stände (→ Ständeherrschaft) für einen Kompromiss. In Gegenden, in denen schon eine gewisse Kenntnis des Deutschen vorhanden war (im Kreis Görlitz, um Königsbrück, Pulsnitz, Ruhland sowie im Amt Stolpen), sollte der Unterricht hauptsächlich in deutscher Sprache erteilt werden. In „ganz wendischen Gemeinden“ jedoch sollte das Sorbische beibehalten werden, „damit die wendischen Untertanen nicht in unchristlichen Aberglauben und Katholizismum zurückfallen“ (1690).

Diese Entscheidung wirkte sich auf den Ausbau des Schulwesens aus. Die zwischen 1668 und 1728 beschlossen Maßnahmen kamen praktisch einer Förderung des Sorbischen gleich. So finanzierten die Stände die Herausgabe sorbischer Schriften (→ Bibelübersetzungen), erließen Patente zur Verbreitung sorbischer Drucke (→ Buchdruck), verordneten den Erwerb von Pflichtexemplaren und deren Einführung in Gottesdienst und Unterricht. Die Kirchenordnung von 1690 machte es den Kirchendienern zur Pflicht, den Katechismus in deutscher und sorbischer Sprache zu unterrichten und die Kinder sorbisches Lesen und Schreiben zu lehren. Erste sorbische Schulbücher erschienen: 1671 ein ABC-Buch, 1689 eine Schreib- und Leselehre und 1735 ein ABC-Büchlein für katholische Schulen.

Anders lagen die Verhältnisse in der Niederlausitz. Seit dem zweiten Drittel des 17. Jh. erließen die Behörden zahlreiche Verordnungen, in denen sie den verstärkten Gebrauch der deutschen Unterrichtssprache forderten. Es begann 1668 mit der vom Lübbener Konsistorium erlassenen „Ohnvorgreiflichen Monita, wie in hiesigem Markgraftum die gänzliche Abschaffung der wendischen Sprache am ehesten könne befördert werden“ (→ Sprachverbote) und setzte sich fort mit der um 1680 getroffenen Verfügung, für die Schule im sorbischen Gebiet deutsche Schulmeister zu bestellen. 1725 forderte der Landesherr angesichts der Tatsache, dass die sorbische Sprache noch stark im Gebrauch wäre, die Kinder zum Erlernen des Deutschen anzuhalten. 1729 erteilte er dem Konsistorium in Lübben den Auftrag, den sorbischen Eltern zu eröffnen, ihre Kinder fleißig in deutsche Schulen zu schicken, wobei er drohte, kein Kind ohne hinreichende Deutschkenntnisse zum Abendmahl zuzulassen.

Schulklasse in Radibor mit Lehrer Jan Andricki, 1915; Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Schulklasse im Kirchspiel Schleife, 1913; Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Eine Sonderstellung in der Niederlausitz nahm der Cottbuser Kreis ein. Die hier seit dem 15. Jh. herrschenden Hohenzollern verfochten eine großzügigere Schulpolitik. Friedrich I., ein Anhänger des Pietismus, förderte sorbisches religiöses Schrifttum und ermöglichte die Schaffung eines ländlichen sorbischen Schulwesens. Auf seine Veranlassung wurde 1711 für jeweils zwei bis drei Dörfer eine Schule gegründet, an der sorbische Lehrer die Kinder in ihrer Muttersprache unterrichteten. Unter Friedrich Wilhelm I. wurde 1713 diese tolerante Politik für ein Vierteljahrhundert unterbrochen. 1735 musste der König jedoch feststellen, dass sich weder Pfarrer noch Lehrer an die Order zur Abschaffung der sorbischen Sprache gehalten und den Kindern das Deutsche meist nicht beigebracht hatten. Die nachfolgenden preußischen Herrscher kehrten wieder zur toleranteren Linie zurück. 1812 gab es im Cottbuser Kreis insgesamt 83 Dorfschulen, von denen in zweien nur sorbisch, in 13 vorwiegend sorbisch, in 53 deutsch und sorbisch und in 15 nur deutsch unterrichtet wurde.

Nach dem Tilsiter Frieden von 1807 ging der Kreis Cottbus von Preußen an Sachsen über. Das Schulwesen wurde dem Lübbener Konsistorium unterstellt. Dieses verordnete 1812, den Gebrauch der sorbischen Sprache nach und nach im Unterricht und bei gottesdienstlichen Amtshandlungen einzuschränken, da diese Sprache „der Volksbildung überhaupt und der wünschenswerten Verschmelzung dieses kleinen Restes der ehemaligen wendischen Nation mit unseren deutschen Untertanen äußerst hinderlich sei“. In Schulen mit bis dato zweisprachigem Unterricht sollte nun ausschließlich und in Schulen mit sorbischem Unterricht verstärkt auf Deutsch unterrichtet werden.

Erster Schultag in der Niederlausitz; Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Nach dem Wiener Kongress 1815 gingen die Niederlausitz einschließlich des Kreises Cottbus sowie Teile der Oberlausitz um Hoyerswerda und Görlitz an Preußen über; bei Sachsen verblieben nur 20 % der Sorben. Die Behörden intensivierten ihre Bemühungen um eine Verbesserung des Elementarschulwesens. Sie schufen fest abgegrenzte Schulbezirke, erzwangen einen geregelten Schulbesuch, drangen auf angemessene Bezahlung der Lehrer, setzten sich für die Errichtung neuer Schulen ein und ließen Lehr- und Lektionspläne anfertigen. In den preußischen Teilen der Ober- und Niederlausitz wurde den Superintendenten die Aufsicht über die Schulen übertragen, im sächsischen Teil übernahm ein Kirchen- und Schulrat bei der Bautzener Oberamtsregierung diese Aufgabe. Er forderte, den Unterschied zwischen deutscher und sorbischer Sprache „möglichst aufzuheben. Der Unterricht muss in derselben Sprache, d. h. der deutschen gegeben werden“. Dagegen protestierten 1834 mit einer an die zweite Kammer des Sächsischen Landtags eingereichten Petition 19 protestantische sorbische Geistliche im Namen von 50 000 Sorben und forderten einen gesetzlich garantierten Gebrauch des Sorbischen im Unterricht. Die sächsischen Behörden sahen sich zu einer Korrektur ihrer Schulpolitik veranlasst. Im neuen Schulgesetz wurde 1835 die sorbische Problematik nicht ausgeklammert, sondern es enthielt konkrete Bestimmungen für Schulen, die von sorbischen bzw. sorbischen und deutschen Schülern besucht wurden. Es gestattete sowohl den Unterricht im sorbischen Lesen als auch sorbischen Religions- und Konfirmandenunterricht, solange sorbischer Gottesdienst in der Gemeinde stattfand. Ansonsten war der Unterricht generell in deutscher Sprache zu erteilen. Erstmals wurden damit Festlegungen über den Gebrauch der sorbischen Sprache in der Schule gesetzlich fixiert.

1847 gab es in 26 sächsischen sorbisch-evangelischen Kirchspielen 62 Schulen. Die Zahl der Schulkinder betrug 1853 insgesamt 8 636, davon 2 355 deutscher und 6 180 sorbischer Nationalität. Ferner bestanden zehn katholische Schulen mit 1 213 Kindern, die fast ausschließlich von sorbischen Schülern besucht wurden.

In der preußischen Oberlausitz gab es keine gesetzlichen Regelungen für den Unterricht an Schulen des sorbischen Sprachgebiets. Deshalb blieb vieles dem Zufall überlassen oder hing von der Einstellung der Lehrer ab. Traditionsgemäß erfolgte hier der Religionsunterricht in der Regel auf Sorbisch, auch sorbisches Lesen wurde gelehrt. Die übrigen Fächer wurden in Deutsch unter Anwendung des Sorbischen unterrichtet, das „als Aushilfe zur besseren Verständigung“ unentbehrlich war. In dem Gebiet gab es 1862 insgesamt 68 Schulen, die von 5 074 sorbischen und 1 514 deutschen Kindern besucht wurden. Sieben Schulen galten als gänzlich sorbisch, nur in sechs bildeten deutsche Schüler die Mehrheit.

In der Niederlausitz führten die preußischen Behörden die Schulpolitik ihrer sächsischen Vorgänger fort. 1818 erließen sie eine Verordnung, nach der die Aufsichtsbehörden von allen Lehrern die strikte Anwendung der deutschen Sprache in den sorbischen Orten zu fordern hatten. Nur beim Unterricht mit kleinen Kindern durfte das Sorbische zu Hilfe genommen werden, der Unterricht der älteren Schüler war durchgängig in Deutsch zu erteilen. Damit wurde die sorbische Sprache auch aus den Schulen des Kreises Cottbus systematisch verdrängt, in der übrigen Niederlausitz war sie bis auf wenige Ausnahmen in den 1820er Jahren eliminiert.

Ende der 1850er Jahre kam es in Preußen zu einer kurzzeitigen Modifizierung der Schulpolitik. Zu den Zugeständnissen gehörten die Herausgabe einiger zweisprachiger Schulbücher und die Festlegung von verbindlichen Grundsätzen der Anwendung der sorbischen Sprache im Religions- und Leseunterricht. Mit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 änderte sich die Haltung gegenüber den Sorben wieder und wurde auch in der Schulpolitik aggressiver, die aber weiterhin in der Kompetenz der beiden Länder lag.

Im preußischen Teil der Oberlausitz griffen seit den 1870er Jahren wirkungsvolle Maßnahmen gegen das Sorbische in Kirche und Schule, die Zugeständnisse von 1862 wurden zurückgenommen. Der Liegnitzer Schulrat Eduard Bock forderte 1873 von den Lehrern dabei mitzuhelfen, „die wendische Sprache zu Grabe zu tragen“. 1875 folgte ein Verbot der rund ein Jahrzehnt zuvor eingeführten zweisprachigen Schulbücher. 1882 war der Gebrauch der sorbischen Sprache in fast allen Schulen verboten. Infolge dieser Politik ging die Zahl der Schulen, in denen die sorbische Sprache angewandt wurde, bis 1914 auf 15 zurück.

Die sächsischen Behörden gingen behutsamer vor. Im neuen Volksschulgesetz vom 26.4.1873 wurde das Sorbische berücksichtigt. Paragraf 12 Abs. 4 bestimmte nun: „Den Kindern wendischer Nation ist sowohl das deutsche als auch das wendische Lesen zu lehren. Es ist darauf zu halten, dass sie Sicherheit und Gewandtheit im schriftlichen wie im mündlichen Gebrauch der deutschen Sprache erlangen. In den oberen Klassen ist in allen Fächern in deutscher Sprache zu unterrichten. Nur der Religionsunterricht ist unter Mitwirkung der Muttersprache zu erteilen, solange regelmäßiger wendischer Gottesdienst für die Gemeinden abgehalten wird.“ In zahlreichen sorbischen Schulen wurde die Stundenzahl für den deutschen Sprachunterricht auf Kosten der Realien (Geschichte, Geografie) erhöht, in den katholischen sorbischen Schulen sogar die Wochenstundenzahl. Der sorbische Leseunterricht beschränkte sich auf maximal eine Wochenstunde.

Sorbische Lehrbücher für Chemie- und Physikunterricht, Ludowe nakładnistwo Domowina 1959, 1960; Repro: Sorbische Zentralbibliothek am Sorbischen Institut

Sorbischlehrbuch für die Grundschule, 1931; Repro: Sorbische Zentralbibliothek am Sorbischen Institut

In weiten Teilen der Niederlausitz war die Assimilation der sorbischen Bevölkerung im letzten Drittel des 19. Jh. so weit fortgeschritten, dass mit einem baldigen Erlöschen der sorbischen Sprache gerechnet wurde. In Schulen des Kreises Cottbus wurde 1872 noch in 64 von 71 in der Unterstufe neben der deutschen Sprache auch die sorbische angewandt, der weiterführende Unterricht aber „durchgehend in deutscher Sprache“ erteilt. Zehn Jahre danach war in sieben Schulen das Sorbische „spurlos“ verschwunden. In der Spremberger Region wurde 1873 lediglich an 13 Schulen mit den Schulanfängern aushilfsweise das Sorbische benutzt, 1881 gab es hier nur noch vier sorbischen Schulen. In der Calauer Region zählte man 1872 acht Schulen, in denen ein sorbischer Lehrer erforderlich war. Ferner gab es im Kreis Guben eine sorbische Schule.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde in der Verfassung der Weimarer Republik (Artikel 113) verfügt, dass „die fremdsprachigen Volksteile des Reichs (…) in ihrer freien, volkstümlichen Entwicklung, bes. im Gebrauch ihrer Muttersprache beim Unterricht sowie bei der inneren Verwaltung und der Rechtspflege“ nicht beeinträchtigt werden dürften. Über dieses Zugeständnis hinaus erließen die Länder Sachsen und Preußen weitere Gesetze und Verfügungen zum sorbischen Schulwesen. Die sächsische Verfassung legte fest, dass „den Kindern des wendischen Volksstammes“ das sorbische Lesen und Schreiben beizubringen sei. In 59 gemischtsprachigen Schulen wurde der Unterricht in der Unterstufe z. T. in Sorbisch abgehalten. In der Oberstufe sollte hingegen, abgesehen von den drei Stunden sorbischer Sprachpflege sowie der Berücksichtigung des Sorbischen im Religions- und Konfirmandenunterricht, der gesamte Fachunterricht in deutscher Sprache stattfinden. An einigen Schulen der katholischen Region wurde die Anwendung des Sorbischen jetzt auch im Mathematik-, Musik- und Geschichtsunterricht gestattet. Im evangelischen Gebiet beschränkte man sich auf drei fakultative Übungsstunden pro Woche sowie auf die religiöse Unterweisung der Kinder in Sorbisch.

Auch in Preußen war ab 1920 sorbischen Lese-, Schreib- und Religionsunterricht erlaubt. Doch die gesetzlichen Bestimmungen wurden nur in wenigen Fällen umgesetzt. In der preußischen Ober- und Niederlausitz gab es nach Einschätzung des preußischen Kultusministeriums 1919 mehr als 50 gemischtsprachige Schulorte. Sorbischer Sprachunterricht fand in der preußischen Oberlausitz an zehn Schulen, in der Niederlausitz nur an einer Schule statt (Dissen). Zudem sollte in Preußen der Sorbischunterricht von Schulgemeinden oder Eltern finanziert werden. Sorbische Sprachkenntnisse wurden auch im kirchlich-schulischen Bereich vermittelt, doch in der Niederlausitz beteiligten sich nur wenige Kinder am muttersprachlichen Religions- und Konfirmandenunterricht.

Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 wurde aus außenpolitischen Rücksichten zunächst von direkten Maßnahmen gegen das sorbische Schulwesen abgesehen (→ NS-Zeit). Lediglich an einigen Schulen der evangelischen Oberlausitz wurde der Sprachunterricht eingeschränkt bzw. am späten Nachmittag erteilt. Ab 1935 wurden in Sachsen gezielt deutsche Lehrer an sorbischen Schulen eingesetzt. Zu Beginn des Schuljahrs 1938 wurde der sorbische Sprachunterricht generell eingestellt. Aus den Lehrer- und Schülerbüchereien wurden alle sorbischsprachigen Schulmaterialien entfernt. Einzig Religions- bzw. Konfirmandenunterricht fand bis 1940 in einigen Kirchspielen in Sorbisch statt. In der ersten Kriegsphase wurden sorbische Lehrer und Pfarrer aus der Ober- und Niederlausitz in deutsche Regionen versetzt; weitere Maßnahmen stellten die Behörden nach den ersten Kriegsniederlagen 1942 zurück, um eine Beunruhigung der Bevölkerung zu vermeiden. Die Schulinstanzen erreichten jedoch, dass Religionsunterricht sowie Kindergottesdienste nur noch in deutscher Sprache stattfanden.

Sorbische Grundschule „Šula Ćišinskeho“ Panschwitz-Kuckau, Fotografin: Anja Pohontsch, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Nach Kriegsende 1945 kam es zu einer umfassenden Reform des Bildungswesens. Die Vertreter der Domowina bemühten sich v. a. um sorbischen Sprachunterricht. Tatsächlich erwirkten sie die juristische Zulassung der sorbischen Sprache an den Schulen der Oberlausitz. Die praktische Umsetzung dieses Rechts war schwierig; über die formale Genehmigung des Unterrichts hinaus existierten keine weiteren Vorschriften. In der zweisprachigen Region führte das zu unterschiedlichen Reaktionen. In den Kreisen Bautzen und Kamenz entstand eine Vielzahl von Schulen mit sorbischer Sprachunterricht, in den katholischen Gemeinden wurde Sorbisch zur Unterrichtssprache. In den Kreisen Hoyerswerda und Weißwasser dagegen hatten die Schulräte angeordnet, dass die sorbische Sprache als Fremdsprache zu behandeln sei. Wenn die Eltern es wünschten, könnte sorbischer Sprachunterricht außerhalb des Stundenplans erteilt werden, was die Teilnehmer selbst finanzieren müssten. Erst nach Verabschiedung des sächsischen Sorbengesetzes im März 1948 kam es in der gesamten Oberlausitz zur Einrichtung eines sorbischen Schulwesens. 1950 nahmen rund 6 500 Schüler am sorbischen Sprachunterricht teil. In der brandenburgischen Niederlausitz war er bis 1950 offiziell nicht erlaubt. Erst ab 1952 gelang es dort, Sorbischunterricht an einigen Schulen des Kreises Cottbus anzubieten.

Die schon 1919 geforderte Einrichtung eines höheren sorbischen Schulwesens bedurfte auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch tschechischer und polnischer Unterstützung. Ab Dezember 1945 besuchten sorbische Kinder und Jugendliche in der Tschechoslowakei ein Gymnasium in Česká Lípa, später in Varnsdorf und Liberec. Im Herbst 1947 wurde in Bautzen eine Sorbische Oberschule (Gymnasium) gegründet, bis 1950 kehrten daher alle Schüler aus der ČSR in die Lausitz zurück. Im September 1952 entstand in Cottbus eine Niedersorbische Oberschule. Den Bedarf an Neulehrern deckte das im Januar 1946 in Radibor eröffnete Sorbische Lehrerbildungsinstitut (→ Lehrerseminare).

Im Rahmen einer Anweisung wurde der Sorbischunterricht ab 1952 allmählich im gesamten zweisprachigen Gebiet der Ober- und Niederlausitz eingeführt. Die Bestimmung beinhaltete u. a., dass sich Kinder sorbischer Herkunft obligatorisch am Sprachunterricht zu beteiligen hatten. 1955 wurden rund 9 000, drei Jahre später mehr als 10 000 Schüler erfasst. In einigen Schulen der Kreise Bautzen und Kamenz – vorwiegend im sorbischen katholischen Siedlungsgebiet – sowie an der Sorbischen Oberschule Bautzen wurde der gesamte Fachunterricht in sorbischer Sprache erteilt (Sorbische Schulen Typ A). In den meisten Schulen der Lausitz jedoch wurde Sorbisch faktisch als Fremdsprache gelehrt (zweisprachige Schulen vom Typ B). Damals existierten im zweisprachigen Gebiet elf sorbische Schulen (Typ A) und 94 Schulen mit sorbischem Sprachunterricht (Typ B), davon 22 in der Niederlausitz.

Ende der 1950er Jahre bestanden politische Rahmenbedingungen, in denen alle Gesellschaftsbereiche – auch die Förderung sorbischer Sprache und Kultur – der sozialistischen Entwicklung untergeordnet werden sollten. Die Auswirkungen der neuen Linie zeigten sich auch im Schulwesen. Zahlreiche Eltern nutzten den Wandel und gingen gegen den Sorbischunterricht vor. Unterstützt wurden sie dabei von einigen Direktoren, Lehrern und regionalen Verantwortlichen. Als sich die Probleme um 1963/64 zuspitzten, reagierte das Ministerium für Volksbildung mit einer schulpolitischen Anweisung, die als „Siebente Durchführungsbestimmung zum Gesetz über die sozialistische Entwicklung des Schulwesens in der DDR vom 30.4.1964“ zu einer Zäsur in der Schulpolitik führte. Der Sprachunterricht wurde nun auch für von Haus aus sorbischen Kindern freiwillig. Der Domowina war es nicht mehr gestattet, unter der Schülerschaft dafür zu werben. Darüber hinaus wurde die Teilnahme in den Dörfern erschwert. Die Stunden fanden zu ungünstigen Zeiten am Nachmittag statt, sodass Kinder, die an den Schulbus gebunden waren, nicht teilnehmen konnten. Im Kreis Hoyerswerda bestimmte der Kreisschulrat, dass Eltern, die eine Teilnahme ihrer Kinder am Sorbischunterricht wünschten, dies der Schule schriftlich mitzuteilen hätten. Diese Einschränkungen führten zu einem quantitativen Einbruch beim Sprachunterricht in den B-Schulen. Die Gesamtzahl sank von 12 000 auf rund 3 000 Teilnehmer.

Sorbische Lehrbücher für Schüler und Erwachsene; Fotografin: Hana Schön, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Zu dieser Zeit gab es Überlegungen, den Status der Schulen mit sorbischer Unterrichtssprache (Typ A) aufzuheben. Schließlich wurde eine Regelung getroffen, die es kleinen sorbischen Schulen ermöglichte, bereits ab acht Schülern eine Klasse einzurichten. Für diesen Schultyp war 1962 eine Anweisung erlassen worden, wonach ab der Mittelstufe die naturwissenschaftlichen Fächer in deutscher Sprache zu unterrichten waren.

Ab Ende der 1960er Jahre zeigte sich das Ministerium für Volksbildung kompromissbereit. Die Domowina durfte Eltern wieder beraten und Schüler für den Sorbischunterricht werben. Sorbische Sprache und Kultur wurden verstärkt in die allgemeinen Lehrpläne eingebunden. Auch deutsche Bewohner der Region erkannten den Wert der Zweisprachigkeit und schickten ihre Kinder zum sorbischen Sprachunterricht. Das führte zu einer steigenden Teilnehmerzahl. Mitte der 1970er Jahre gab es mehr als 5 000, in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre über 6 000 Sorbischschüler. Dennoch verringerte sich in der Lausitz kontinuierlich der Personenkreis mit sorbischen Sprachkenntnissen. Das B-Schulsystem mit zwei bzw. drei Stunden Sorbisch pro Woche, einer starren Sprachdidaktik und wenig Sprachanwendung in der Praxis war nicht geeignet, zu einer effektiven, stabilen Sprachbeherrschung zu führen. Sorbisch als Unterrichtssprache behauptete sich nur in der katholischen Region im Einzugsbereich der A-Schulen.

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurde das Schulwesen umstrukturiert. Der 1991 gegründete Sorbische Schulverein e. V. (obersorb. Serbske šulske towarstwo, niedersorb. Serbske šulske towaristwo) fungiert seither als Fachgremium und als Verhandlungspartner für Ministerien und nachgeordnete Institutionen. Sorbische und zweisprachige Schulen wurden in das Schulsystem Sachsens bzw. Brandenburgs integriert. Die zuvor in der Oberlausitz praktizierte Unterscheidung des Sorbischunterrichts nach Mutter- und Zweit- bzw. Fremdsprache ist wegen sinkender Schülerzahlen und geänderter Schulstrukturen seit 2001 aufgehoben. Der Beginn der zweisprachigen institutionellen Erziehung wurde in den frühkindlichen Bildungsabschnitt, d. h. in die Kindertagesstätten vorverlegt (→ Witaj-Modellprojekt). In zweisprachigen sorbisch-deutschen Schulen wird eine schulartübergreifende Konzeption „2plus“ umgesetzt, bei der durch einen erweiterten Sorbischunterricht und die Anwendung des Sorbischen als Unterrichtssprache die aktive Sprachkenntnis gefördert wird.

Für die Ausarbeitung von Lehrplänen und Unterrichtshilfen sowie die Entwicklung von Lehrbüchern u. a. pädagogischer Literatur war 1952 in Bautzen eine Arbeitsstelle für Schulen im zweisprachigen Gebiet eingerichtet worden, die der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR zugeordnet war; 1991 wurde sie aufgelöst. Seit 1992 erfüllt diese Aufgaben die Arbeitsstelle für sorbische (wendische) Bildungsentwicklung Cottbus, das Sächsische Bildungsinstitut Radebeul sowie das seit 2001 bestehende WITAJ-Sprachzentrum in Bautzen mit einer Abteilung in Cottbus.

Hauptgebäude des Sorbischen Schul- und Begegnungszentrums in Bautzen; Fotografin: Hana Schön, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

2001 hat das sächsische Kultusministerium trotz heftiger Proteste von sorbischer Seite die Einrichtung der Klasse 5 an der Sorbischen Mittelschule Crostwitz untersagt. Dies führte 2003/04 zur Schließung einer von zwei verbliebenen Mittelschulen des einstigen Typs A, an denen das Sorbische in den meisten Fächern durchweg Unterrichtssprache war. An der Mittelschule Panschwitz-Kuckau wurde mit Schuljahresbeginn 2005/06 die Nichteinrichtung der 5. und 7. Klasse und die Schließung der Schule zum Sommer 2007 angeordnet.

Die Schülerzahlen lagen in Sachsen im Schuljahr 2011/12 bei 2 432 (davon 1 214 Muttersprachler bzw. 2plus [Witaj-Kinder]), in Brandenburg 1994/95 bei 1 051 und 15 Jahre danach bei 1 713 (darunter 282 2plus [Witaj-Kinder]). In Sachsen wird an 19 Grundschulen, sechs Mittelschulen und drei Gymnasien Sorbisch unterrichtet, in Brandenburg an 23 Grundschulen, einer Gesamtschule und am Niedersorbischen Gymnasium (2012).

Lit.: P. Kunze: Sorbisches Schulwesen. Dokumentation zum sorbischen Elementarschulwesen in der sächsischen Oberlausitz des 18./19. Jahrhunderts, Bautzen 2002; P. Kunze: Kirchen- und Schulpolitik in der Niederlausitz bis zum Ersten Weltkrieg, in: Zeitmaschine Lausitz. Raumerfahrung – Leben in der Lausitz, Hg. S. Hose, Dresden/​Husum 2004; L. Budar: Zum sorbischen Schulwesen, in: Schule in mehrsprachigen Regionen Europas. School Systems in Multilingual Regions of Europe, Hg. W. Wiater/​G. Videsott, Frankfurt am Main u. a. 2006; P. Kunze/​E. Pech: Zur Entwicklung des sorbischen Schulwesens in der Oberlausitz von den Anfängen bis zur Gegenwart, in: Lětopis 56 (2009) 1; E. Pech: Ein Staat – eine Sprache? Deutsche Bildungspolitik und autochthone Minderheiten im 20. Jahrhundert, Bautzen 2012.

Metadaten

Titel
Schule
Titel
Schule
Autor:in
Kunze, Peter; Pech, Edmund; Budarjowa, Ludmila
Autor:in
Kunze, Peter; Pech, Edmund; Budarjowa, Ludmila
Schlagwörter
Assimilation; Bildungspolitik; Kirche; Minderheitenpolitik; Pädagogische Literatur; Sprachenpolitik
Schlagwörter
Assimilation; Bildungspolitik; Kirche; Minderheitenpolitik; Pädagogische Literatur; Sprachenpolitik
Abstract

Institution zur Vermittlung von Wissen und Können durch Lehrer an Schüler; hier die Entwicklung des Unterrichts- und Bildungswesens in der Lausitz mit Blick auf die sorbische Sprache als Unterrichtsfach bzw. als Unterrichtssprache.

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Institution zur Vermittlung von Wissen und Können durch Lehrer an Schüler; hier die Entwicklung des Unterrichts- und Bildungswesens in der Lausitz mit Blick auf die sorbische Sprache als Unterrichtsfach bzw. als Unterrichtssprache.

Enthalten in Sammlung
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Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
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