Institution zur Vermittlung von Wissen und Können durch Lehrer an Schüler; hier
die Entwicklung des Unterrichts- und Bildungswesens in der
Die Anfänge des Elementarschulwesens reichen in der sorbischen Lausitz bis ins
15./16. Jh. zurück. Etwa seit dieser Zeit entstanden in den Kirchorten erste
primitive Schulen, die auch von den Kindern der eingepfarrten Dörfer besucht
werden konnten. Den Unterricht übernahm – zunächst als Nebenbeschäftigung – der
Kirchendiener, der als Gehilfe des Pfarrers zugleich Sänger, Organist und Küster
war. Erst nach und nach erhielt das Bemühen einen offiziellen Rahmen. Aufgabe
des Schulmeisters war es, die Kinder im Katechismus zu unterweisen und mit ihnen
Niedersorbisches ABC-Buch, vermutlich von Juro Ermel, 1671; Repro: Sorbische Zentralbibliothek am Sorbischen Institut
Obersorbische katholische Fibel von Jakub Anton Kilian, 1780; Repro: Sorbische Zentralbibliothek
Sorbische Schulstandorte 1955 und 2012, Brankatschk; Karte: Iris Brankatschk
Während man in den deutschen Teilen beider Lausitzen schon bald dazu überging, neben dem
Einüben religiöser Texte auch Lesen und Schreiben zu lehren, stagnierte das
Schulwesen im sorbischen
Diese Entscheidung wirkte sich auf den Ausbau des Schulwesens aus. Die zwischen
1668 und 1728 beschlossen Maßnahmen kamen praktisch einer Förderung des
Sorbischen gleich. So finanzierten die Stände die Herausgabe sorbischer
Schriften (→
Anders lagen die Verhältnisse in der
Schulklasse in Radibor mit Lehrer Jan Andricki, 1915; Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Schulklasse im Kirchspiel Schleife, 1913; Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Eine Sonderstellung in der Niederlausitz nahm der
Nach dem
Erster Schultag in der Niederlausitz; Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Nach dem
1847 gab es in 26 sächsischen sorbisch-evangelischen Kirchspielen 62 Schulen. Die Zahl der Schulkinder betrug 1853 insgesamt 8 636, davon 2 355 deutscher und 6 180 sorbischer Nationalität. Ferner bestanden zehn katholische Schulen mit 1 213 Kindern, die fast ausschließlich von sorbischen Schülern besucht wurden.
In der preußischen Oberlausitz gab es keine gesetzlichen Regelungen für den Unterricht an Schulen des sorbischen Sprachgebiets. Deshalb blieb vieles dem Zufall überlassen oder hing von der Einstellung der Lehrer ab. Traditionsgemäß erfolgte hier der Religionsunterricht in der Regel auf Sorbisch, auch sorbisches Lesen wurde gelehrt. Die übrigen Fächer wurden in Deutsch unter Anwendung des Sorbischen unterrichtet, das „als Aushilfe zur besseren Verständigung“ unentbehrlich war. In dem Gebiet gab es 1862 insgesamt 68 Schulen, die von 5 074 sorbischen und 1 514 deutschen Kindern besucht wurden. Sieben Schulen galten als gänzlich sorbisch, nur in sechs bildeten deutsche Schüler die Mehrheit.
In der Niederlausitz führten die preußischen Behörden die Schulpolitik ihrer sächsischen Vorgänger fort. 1818 erließen sie eine Verordnung, nach der die Aufsichtsbehörden von allen Lehrern die strikte Anwendung der deutschen Sprache in den sorbischen Orten zu fordern hatten. Nur beim Unterricht mit kleinen Kindern durfte das Sorbische zu Hilfe genommen werden, der Unterricht der älteren Schüler war durchgängig in Deutsch zu erteilen. Damit wurde die sorbische Sprache auch aus den Schulen des Kreises Cottbus systematisch verdrängt, in der übrigen Niederlausitz war sie bis auf wenige Ausnahmen in den 1820er Jahren eliminiert.
Ende der 1850er Jahre kam es in Preußen zu einer kurzzeitigen Modifizierung der Schulpolitik. Zu den Zugeständnissen gehörten die Herausgabe einiger zweisprachiger Schulbücher und die Festlegung von verbindlichen Grundsätzen der Anwendung der sorbischen Sprache im Religions- und Leseunterricht. Mit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 änderte sich die Haltung gegenüber den Sorben wieder und wurde auch in der Schulpolitik aggressiver, die aber weiterhin in der Kompetenz der beiden Länder lag.
Im preußischen Teil der Oberlausitz griffen seit den 1870er Jahren wirkungsvolle Maßnahmen
gegen das Sorbische in Kirche und Schule, die Zugeständnisse von 1862 wurden
zurückgenommen. Der
Die sächsischen Behörden gingen behutsamer vor. Im neuen Volksschulgesetz vom 26.4.1873 wurde das Sorbische berücksichtigt. Paragraf 12 Abs. 4 bestimmte nun: „Den Kindern wendischer Nation ist sowohl das deutsche als auch das wendische Lesen zu lehren. Es ist darauf zu halten, dass sie Sicherheit und Gewandtheit im schriftlichen wie im mündlichen Gebrauch der deutschen Sprache erlangen. In den oberen Klassen ist in allen Fächern in deutscher Sprache zu unterrichten. Nur der Religionsunterricht ist unter Mitwirkung der Muttersprache zu erteilen, solange regelmäßiger wendischer Gottesdienst für die Gemeinden abgehalten wird.“ In zahlreichen sorbischen Schulen wurde die Stundenzahl für den deutschen Sprachunterricht auf Kosten der Realien (Geschichte, Geografie) erhöht, in den katholischen sorbischen Schulen sogar die Wochenstundenzahl. Der sorbische Leseunterricht beschränkte sich auf maximal eine Wochenstunde.
Sorbische Lehrbücher für Chemie- und Physikunterricht, Ludowe nakładnistwo Domowina 1959, 1960; Repro: Sorbische Zentralbibliothek am Sorbischen Institut
Sorbischlehrbuch für die Grundschule, 1931; Repro: Sorbische Zentralbibliothek am Sorbischen Institut
In weiten Teilen der Niederlausitz war die
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde in der Verfassung der
Auch in Preußen war ab 1920 sorbischen Lese-, Schreib- und Religionsunterricht
erlaubt. Doch die gesetzlichen Bestimmungen wurden nur in wenigen Fällen
umgesetzt. In der preußischen Ober- und Niederlausitz gab es nach Einschätzung
des preußischen Kultusministeriums 1919 mehr als 50 gemischtsprachige Schulorte.
Sorbischer Sprachunterricht fand in der preußischen Oberlausitz an zehn Schulen,
in der Niederlausitz nur an einer Schule statt (
Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 wurde aus
außenpolitischen Rücksichten zunächst von direkten Maßnahmen gegen das sorbische
Schulwesen abgesehen (→
Sorbische Grundschule „Šula Ćišinskeho“ Panschwitz-Kuckau, Fotografin: Anja Pohontsch, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Nach Kriegsende 1945 kam es zu einer umfassenden Reform des Bildungswesens. Die
Vertreter der
Die schon 1919 geforderte Einrichtung eines höheren sorbischen Schulwesens
bedurfte auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch tschechischer und polnischer
Unterstützung. Ab Dezember 1945 besuchten sorbische Kinder und Jugendliche in
der Tschechoslowakei ein Gymnasium in
Im Rahmen einer Anweisung wurde der Sorbischunterricht ab 1952 allmählich im gesamten zweisprachigen Gebiet der Ober- und Niederlausitz eingeführt. Die Bestimmung beinhaltete u. a., dass sich Kinder sorbischer Herkunft obligatorisch am Sprachunterricht zu beteiligen hatten. 1955 wurden rund 9 000, drei Jahre später mehr als 10 000 Schüler erfasst. In einigen Schulen der Kreise Bautzen und Kamenz – vorwiegend im sorbischen katholischen Siedlungsgebiet – sowie an der Sorbischen Oberschule Bautzen wurde der gesamte Fachunterricht in sorbischer Sprache erteilt (Sorbische Schulen Typ A). In den meisten Schulen der Lausitz jedoch wurde Sorbisch faktisch als Fremdsprache gelehrt (zweisprachige Schulen vom Typ B). Damals existierten im zweisprachigen Gebiet elf sorbische Schulen (Typ A) und 94 Schulen mit sorbischem Sprachunterricht (Typ B), davon 22 in der Niederlausitz.
Ende der 1950er Jahre bestanden politische Rahmenbedingungen, in denen alle Gesellschaftsbereiche – auch die Förderung sorbischer Sprache und Kultur – der sozialistischen Entwicklung untergeordnet werden sollten. Die Auswirkungen der neuen Linie zeigten sich auch im Schulwesen. Zahlreiche Eltern nutzten den Wandel und gingen gegen den Sorbischunterricht vor. Unterstützt wurden sie dabei von einigen Direktoren, Lehrern und regionalen Verantwortlichen. Als sich die Probleme um 1963/64 zuspitzten, reagierte das Ministerium für Volksbildung mit einer schulpolitischen Anweisung, die als „Siebente Durchführungsbestimmung zum Gesetz über die sozialistische Entwicklung des Schulwesens in der DDR vom 30.4.1964“ zu einer Zäsur in der Schulpolitik führte. Der Sprachunterricht wurde nun auch für von Haus aus sorbischen Kindern freiwillig. Der Domowina war es nicht mehr gestattet, unter der Schülerschaft dafür zu werben. Darüber hinaus wurde die Teilnahme in den Dörfern erschwert. Die Stunden fanden zu ungünstigen Zeiten am Nachmittag statt, sodass Kinder, die an den Schulbus gebunden waren, nicht teilnehmen konnten. Im Kreis Hoyerswerda bestimmte der Kreisschulrat, dass Eltern, die eine Teilnahme ihrer Kinder am Sorbischunterricht wünschten, dies der Schule schriftlich mitzuteilen hätten. Diese Einschränkungen führten zu einem quantitativen Einbruch beim Sprachunterricht in den B-Schulen. Die Gesamtzahl sank von 12 000 auf rund 3 000 Teilnehmer.
Sorbische Lehrbücher für Schüler und Erwachsene; Fotografin: Hana Schön, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Zu dieser Zeit gab es Überlegungen, den Status der Schulen mit sorbischer Unterrichtssprache (Typ A) aufzuheben. Schließlich wurde eine Regelung getroffen, die es kleinen sorbischen Schulen ermöglichte, bereits ab acht Schülern eine Klasse einzurichten. Für diesen Schultyp war 1962 eine Anweisung erlassen worden, wonach ab der Mittelstufe die naturwissenschaftlichen Fächer in deutscher Sprache zu unterrichten waren.
Ab Ende der 1960er Jahre zeigte sich das Ministerium für Volksbildung
kompromissbereit. Die Domowina durfte Eltern wieder beraten und Schüler für den
Sorbischunterricht werben. Sorbische Sprache und Kultur wurden verstärkt in die
allgemeinen Lehrpläne eingebunden. Auch deutsche Bewohner der Region erkannten
den Wert der
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurde das Schulwesen umstrukturiert. Der 1991
gegründete Sorbische Schulverein e. V. (obersorb. Serbske šulske towarstwo,
niedersorb. Serbske šulske towaristwo) fungiert seither als Fachgremium und als
Verhandlungspartner für Ministerien und nachgeordnete Institutionen. Sorbische
und zweisprachige Schulen wurden in das Schulsystem Sachsens bzw. Brandenburgs
integriert. Die zuvor in der Oberlausitz praktizierte Unterscheidung des
Sorbischunterrichts nach Mutter- und Zweit- bzw. Fremdsprache ist wegen
sinkender Schülerzahlen und geänderter Schulstrukturen seit 2001 aufgehoben. Der
Beginn der zweisprachigen institutionellen Erziehung wurde in den frühkindlichen
Bildungsabschnitt, d. h. in die Kindertagesstätten vorverlegt (→
Für die Ausarbeitung von Lehrplänen und Unterrichtshilfen sowie die Entwicklung
von Lehrbüchern u. a. pädagogischer Literatur war 1952 in Bautzen eine
Arbeitsstelle für Schulen im zweisprachigen Gebiet eingerichtet worden, die der
Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR zugeordnet war; 1991 wurde sie
aufgelöst. Seit 1992 erfüllt diese Aufgaben die Arbeitsstelle für sorbische
(wendische) Bildungsentwicklung Cottbus, das Sächsische Bildungsinstitut
Hauptgebäude des Sorbischen Schul- und Begegnungszentrums in Bautzen; Fotografin: Hana Schön, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
2001 hat das sächsische Kultusministerium trotz heftiger Proteste von sorbischer
Seite die Einrichtung der Klasse 5 an der Sorbischen Mittelschule
Die Schülerzahlen lagen in Sachsen im Schuljahr 2011/12 bei 2 432 (davon 1 214 Muttersprachler bzw. 2plus [Witaj-Kinder]), in Brandenburg 1994/95 bei 1 051 und 15 Jahre danach bei 1 713 (darunter 282 2plus [Witaj-Kinder]). In Sachsen wird an 19 Grundschulen, sechs Mittelschulen und drei Gymnasien Sorbisch unterrichtet, in Brandenburg an 23 Grundschulen, einer Gesamtschule und am Niedersorbischen Gymnasium (2012).
Lit.: P. Kunze: Sorbisches Schulwesen. Dokumentation zum sorbischen Elementarschulwesen in der sächsischen Oberlausitz des 18./19. Jahrhunderts, Bautzen 2002; P. Kunze: Kirchen- und Schulpolitik in der Niederlausitz bis zum Ersten Weltkrieg, in: Zeitmaschine Lausitz. Raumerfahrung – Leben in der Lausitz, Hg. S. Hose, Dresden/Husum 2004; L. Budar: Zum sorbischen Schulwesen, in: Schule in mehrsprachigen Regionen Europas. School Systems in Multilingual Regions of Europe, Hg. W. Wiater/G. Videsott, Frankfurt am Main u. a. 2006; P. Kunze/E. Pech: Zur Entwicklung des sorbischen Schulwesens in der Oberlausitz von den Anfängen bis zur Gegenwart, in: Lětopis 56 (2009) 1; E. Pech: Ein Staat – eine Sprache? Deutsche Bildungspolitik und autochthone Minderheiten im 20. Jahrhundert, Bautzen 2012.
Metadaten
Institution zur Vermittlung von Wissen und Können durch Lehrer an Schüler; hier die Entwicklung des Unterrichts- und Bildungswesens in der Lausitz mit Blick auf die sorbische Sprache als Unterrichtsfach bzw. als Unterrichtssprache.
Institution zur Vermittlung von Wissen und Können durch Lehrer an Schüler; hier die Entwicklung des Unterrichts- und Bildungswesens in der Lausitz mit Blick auf die sorbische Sprache als Unterrichtsfach bzw. als Unterrichtssprache.