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Calauer Region
von Lotar Balke

Gebiet zwischen dem Spreewald und der Senftenberger Region mit den Städten Calau, Vetschau, Drebkau und Altdöbern. Seit dem hohen Mittelalter von Sorben besiedelt, war die ertragsarme Region von der Kolonisation nur wenig betroffen.

Im Mittelalter herrschten in der Calauer Region wechselnde Besitzverhältnisse. Die Städte Calau, Vetschau und Drebkau waren im 14. Jh. im Besitz von adligen Grundherren unter böhmischer Oberhoheit. Nach dem Tod von Kaiser Karl IV. 1378 wurde die Region zunächst an Jobst von Mähren verpfändet. Nach dessen Tod 1411 übernahm König Wenzel die Oberhoheit. Sein Nachfolger König Sigismund musste 1422 die gesamte Niederlausitz an Landvogt Hans von Polenz für 7859 Schock böhmischer Groschen verpfänden.

1635 erfolgte der Übergang an Kursachsen (→ Traditionsrezess). Im sog. Dresdener Hauptvergleich, der die Erbmasse des 1656 verstorbenen Kurfürsten Johann Georg I. zu ordnen hatte, fiel die Region an Herzog Christian I. von Sachsen-Merseburg, der die gesamte bisherige Verwaltung einer grundlegenden Änderung unterzog. Durchsetzt war die Calauer Region von brandenburgischen Enklaven. Nach dem Wiener Kongress kam sie 1815 an Preußen.

Calauer Region um 1790; Karte: Iris Brankatschk

Zentrum des territorial mehrmals sich verändernden Kreises war die Stadt Calau, die zu den sog. „sechs wendischen Städten“ der Niederlausitz zählte. Im Unterschied zu Luckau, wo sich Deutsche und Sorben etwa die Waage hielten, war die Calauer Bürgerschaft im 16. und 17. Jh. nahezu geschlossen sorbisch geprägt.

Um 1530 verbreitete sich in der Calauer Region die Reformation, wobei die ersten beiden Superintendenten zunächst das Sorbische zu ignorieren versuchten. Erst die Berufung des Sprembergers Johann Agricola 1666 trug den realen Bedürfnissen Rechnung. Seitdem war bis 1677 so gut wie jeder Calauer Superintendent mit dem Sorbischen vertraut. Einige studierte Calauer traten als bewusste Sorben auf, so der Ratsherrensohn und Rektor Juro Ermel, der Mitte des 17. Jh. die sog. Calauische „ABC-Kniglitzky“, die erste sorbische Fibel herausgab.

Im Unterschied zur bis 1667 von den Vögten und der Landesverwaltung des Markgraftums gegenüber dem Sorbischen geübten Toleranz war die Neuordnung unter Herzog Christian I. mit der stufenweisen Beseitigung der sorbischen Sprache verbunden (→ Dezemberreskript). Administrative Zwangsmittel wurden gegenüber den dörflichen Untertanen aus praktischen Erwägungen einem späteren bzw. geeigneten Zeitpunkt überlassen: „Allein in den Städten, wo die Wenden mehrenteils auch der teutschen Sprache schon etwa kundig, muß mit der Ausrottung des Wendischen auch in diesen Strichen ein Anfang gemacht werden.“ Die erste Maßnahme traf Ermels sorbisches ABC-Büchlein, das 1669 konfisziert wurde, was aber nicht widerstandslos hingenommen wurde. Auch die Einsetzung eines des Sorbischen unkundigen Superintendenten 1677 führte zu Protesten. Die kirchliche Oberbehörde lenkte schließlich ein und betraute einen sorbischen Diakon mit den Diensten eines Primarius.

Wendische Kirche in Calau um 1879, Lichtdruck nach einer Zeichnung von Camillo Ehregott Zschille, 1891: SLUB Dresden/​Deutsche Fotothek

Im Laufe des 18. Jh. erreichte die Germanisierungspolitik der Landesverwaltung mithilfe der Schule, dass Manifestationen sorbischen Volksbewusstseins wie im 17. Jh. nicht mehr auftraten. 1803 wurde das Diakonat mit einem gebürtigen Deutschen besetzt; 1815 verstummte die sorbische Sprache in der Kirche in Calau. In Vetschau wurde an die Hauptkirche, die spätere Wendische Kirche, 1693 eine deutsche Kirche angebaut, womit eine in der Lausitz einmalige wendisch-deutsche Doppelkirche entstand. Mit der Vereinigung der beiden Kirchgemeinden 1910 wurde die sorbische Sprache zurückgedrängt, 1932 fand der letzte sorbische Gottesdienst statt. Aufgrund fortschreitender Assimilation wurde das Sorbische in den Kirchen der Calauer Region schrittweise aufgegeben, so in: Stöbritz 1702, Reddern 1738, Schönfeld 1795, Seese 1795, Drebkau 1798, Zerkwitz 1810, Altdöbern 1814, Calau 1815, Terpt 1817, Pritzen 1825, Laasow 1830, Petershain 1842, Bischdorf 1851, Kalkwitz 1851. Sorbisches Abendmahl fand in Kalkwitz noch bis 1860, in Ogrosen bis 1858, in Saßleben bis 1883 und in Greifenhain bis 1890 statt.

Viele sorbische Flurnamen zeugen von der einst durchgängigen Sorbischsprachigkeit. Sorbische Volkslieder aus der Umgebung um Drebkau, aufgezeichnet Ende des 18. Jh., zogen auch ausländische Sammler wie Andrzej Kucharski an. Ein sorbischer Verein entstand 1893 am Lehrerseminar in Altdöbern.

Zu den in der Calauer Region ausgeübten sorbischen Bräuchen zählt die Fastnacht, die heute von den Dorfclubs organisiert wird. Erhalten haben sich Osterbräuche wie das Walleien mit Eiern, die nach sorbischen Tradition verziert werden (→ Ostereier). In den meisten Orten werden Osterfeuer entzündet. Das Osterwasserholen war bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg üblich. In der gesamten Region wird der Maibaum aufgestellt, das Schmücken der Hoftore mit Pfingstmaien dagegen ist eher selten. In Casel findet an einem Sonntag um den 24. Juni das Johannisreiten statt, das im 19. Jh. auch für die Gemeinden Muckwar, Greifenhain und Laubst bezeugt war. Der Johannistag ist ein Lostag des bäuerlichen Kalenders, an dem anhand der entsprechenden Wetterlage die Ernteerträge vorhergesagt wurden. Verbreitet war der Glaube an die besondere Heilkraft der Kräuter und Wurzeln in der Johannisnacht, was sich auch beim Johannisreiten widerspiegelt. Der von den Mädchen mit Kornblumen- und Seerosenranken umwundene und mit einer kronenähnlichen Maske vermummte „Jan“ erinnert an einen Wachstumsgeist, den die Dorfbewohner am Davonreiten zu hindern versuchen. Jeder entreißt ihm ein paar Blumen, die dann als Glücks- und Heilpflanzen zu Hause aufbewahrt werden. Von den Erntebräuchen wird in einigen Orten das Stollenreiten praktiziert. Die Kirmes, vor dem Zweiten Weltkrieg noch ein Fest, an dem das ganze Dorf teilnahm, wird heute im Familienkreis gefeiert. Zu Weihnachten stellten einige Familien anstelle des Tannenbaums den „Drehbaum“ auf (→ Weihnachtsbräuche).

Johannisreiter in Casel, 2016; Fotograf: Heiko Lobert

Mit der Feudalablösung und Separation wandelten sich die Formen der Volksbauweise. Die traditionellen Blockbauten wurden vielfach von Fachwerk- und Rohziegelbauten abgelöst. In der „Calauer Schweiz“ sind einige Gehöfte als Feldsteinbauten ausgeführt. Meist kam es zur aufgelockerten Hofform, dem Drei- oder Vierseithof.

Die in der Mitte des 19. Jh. einsetzende Industrialisierung wirkte sich in der Calauer Region nicht stark aus. Es entstanden einige Betriebe der Ziegelindustrie und einzelne Glaswerke wie in Neupetershain. Erst um die Mitte des 20. Jh. kam es durch den Braunkohlenbergbau zum Aufschluss von Gruben, durch die über 20 Ortschaften vollständig oder teilweise devastiert wurden.

In der NS-Zeit wurden auch in der Calauer Region Orte umbenannt (z. B. Dlugi in Fleißdorf, Weissagk b. Vetschau in Märkischheide).

Bedeutsam für die sorbische Kulturgeschichte waren neben Juro Ermel der in Vetschau geborene Dichter und Humanist Jan Bok (Bocatius), der in Petershain geborene Pfarrer Jan Chojnan, Verfasser der ersten Grammatik des Niedersorbischen (→ Grammatiken), sowie der in Märkischheide verstorbene Maler Wylem Šybaŕ.

Lit.: E. Muka: Statistika łužiskich Serbow, Budyšin 1884 –1886; R. Moderhack: Aus der Geschichte des Kreises Calau, in: Der Kreis Calau, Magdeburg 1937; F. Mětšk: Zur Sorabität der Niederlausitzer Kreisstadt Calau und zum Widerstand ihrer Bürger gegen die Germanisierungsmaßnahmen der feudalabsolutistischen Landesgewalt, in: Lětopis B (1965).

Metadaten

Titel
Calauer Region
Titel
Calauer Region
Autor:in
Balke, Lotar
Autor:in
Balke, Lotar
Schlagwörter
Assimilation; Niederlausitz; Regionalkultur; Kirchspiel
Schlagwörter
Assimilation; Niederlausitz; Regionalkultur; Kirchspiel
Abstract

Gebiet zwischen dem Spreewald und der Senftenberger Region mit den Städten Calau, Vetschau, Drebkau und Altdöbern. Seit dem hohen Mit-telalter von Sorben besiedelt, war die ertragsarme Region von der Koloni-sation nur wenig betroffen.

Abstract

Gebiet zwischen dem Spreewald und der Senftenberger Region mit den Städten Calau, Vetschau, Drebkau und Altdöbern. Seit dem hohen Mit-telalter von Sorben besiedelt, war die ertragsarme Region von der Koloni-sation nur wenig betroffen.

Enthalten in Sammlung
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Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
Im Sorabicon 1.0 zu finden unter

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