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Wendische Ammen
von Sigmund Musiat und Maria Mirtschin

Hausmädchen sorbischer Herkunft mit der Bestimmung, Kinder adliger oder bürgerlicher Herrschaften gegen Entlohnung zu stillen und zu betreuen. Sie zählten im 18., 19. und zu Beginn des 20. Jh. in den Städten zum Hausgesinde.

Wendische Ammen waren ledige, seltener verheiratete Mütter, die sich durch den Wechsel in herrschaftliche Dienste eine soziale Sicherung versprachen. Für ledige Mütter spielte die Flucht vor der moralischen Ausgrenzung in den konservativen und religiösen Milieus der sorbischen Dörfer eine Rolle. Inwieweit die von August Bebel angeprangerte »Ammenzüchterei wendischer Landmädchen« zwecks gewerbsmäßiger Vermietung von »Nährmüttern« tatsächlich stattfand, ist bis heute nicht belegt. Wendische Ammen wurden über Gesindemärkte, Gesindevermietungsbüros, durch ärztlich kontrollierte Ammenvermittlungsstellen, über persönliche Kontakte oder Zeitungsannoncen vermittelt. Berliner Ammen kamen meist aus dem Spreewald, Dresdener Ammen dagegen aus der evangelischen oder katholischen Oberlausitz. Das Ammenwesen betraf nicht nur Sorbinnen, diese aber wurden wegen ihres guten Rufs, ihrer gesundheitlichen Robustheit, Sauberkeit und Genügsamkeit zum Markenzeichen des Berufsstands, was Ammen aus anderen Landschaften mitunter veranlasste, durch Tragen der sorbischen Tracht ihren Marktwert zu erhöhen.

Ammen aus dem Spreewald beim Spaziergang im Berliner Tiergarten; Reproduktion aus: Karl Holland Der Spreewald, Bielefeld, Leipzig 1920 (Volkbücher der Erdkunde)

Ein früher Bericht stammt aus der Zeit um 1750. Er schildert die Genesung des kränklichen Säuglings der in Dresden weilenden Schwedin von Stenn durch Inanspruchnahme einer wendischen Amme aus der Oberlausitz. Sowohl das preußische Königs- bzw. deutsche Kaiserhaus als auch das sächsische Kurfürsten- bzw. Königshaus haben die Dienste wendischer Ammen genutzt. Diese erwarben häufig ein hohes Ansehen, so Anna Cludi aus Burg (Spreewald), die 1884 ein Kind der Kaiserin Auguste Viktoria genährt hatte.

Wendische Ammen waren in den großstädtischen Milieus – vor allem Berlins, weniger Dresdens – durch ihre Trachten öffentlich wahrnehmbar. Ihr äußeres Erscheinungsbild hat im 19. und Anfang des 20. Jh. zu Darstellungen in der Bildenden Kunst angeregt. Sie bilden eine eigenständige Motivgruppe innerhalb der Trachtenmotive, Genreszenen und Stadtansichten (Johann Samuel Graenicher, Julius Jacob d. J., Heinrich Zille). Ihr soziales Schicksal wurde dabei nur gelegentlich reflektiert (Fritz Paulsen, »Bei der Stellenvermittlung«, 1881).

Lit.: K. A. Engelhardt: Die wendischen Ammen, Leipzig 1833, Nachdruck in: H. Zwahr: Meine Landsleute, Bautzen 1984; M. Mirtschin: Der Blick von außen, Bautzen 2006; M. Noack: »Nach Berlin! Spreewälder Ammen und Kindermädchen in die Großstadt«, Cottbus 2008.

Metadaten

Titel
Wendische Ammen
Titel
Wendische Ammen
Autor:in
Musiat, Sigmund; Mirtschin, Maria
Autor:in
Musiat, Sigmund; Mirtschin, Maria
Schlagwörter
Hausmädchen; Gesinde; Genremalerei; Sorbin; Wendin; Kind; Amme
Schlagwörter
Hausmädchen; Gesinde; Genremalerei; Sorbin; Wendin; Kind; Amme
Abstract

Hausmädchen sorbischer Herkunft mit der Bestimmung, Kinder adliger oder bürgerlicher Herrschaften gegen Entlohnung zu stillen und zu betreuen. Sie zählten im 18., 19. und zu Beginn des 20. Jh. in den Städten zum Hausgesinde.

Abstract

Hausmädchen sorbischer Herkunft mit der Bestimmung, Kinder adliger oder bürgerlicher Herrschaften gegen Entlohnung zu stillen und zu betreuen. Sie zählten im 18., 19. und zu Beginn des 20. Jh. in den Städten zum Hausgesinde.

Enthalten in Sammlung
Enthalten in Sammlung
Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
Im Sorabicon 1.0 zu finden unter

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