XS
SM
MD
LG
XL
XXL
🌐
Kalender
von Měrćin Völkel und Susanne Hose

Jährlich erscheinendes Verzeichnis der nach Wochen und Monaten geordneten Tage eines Jahres in Form eines Einblattdrucks, eines zwölfseitigen Heftes oder eines Buches. Kalender informieren über Arbeits- und Ruhetage, Feier- und Fastentage, über den Lauf des Kirchenjahres sowie den Stand von Sonne und Mond mit Auf- und Untergangszeiten, z. T. über das zu erwartende Wetter sowie über die Markttermine in der näheren und weiteren Umgebung.

Zwei Jahre nach der Gregorianischen Kalenderreform von 1582 gab der in der Niederlausitz wirkende Pfarrer und Astrologe Albin Moller (→ Buchdruck, → Volksmedizin) den ersten Jahrgang eines „Schreib Calenders“ heraus. Das 36- bis 40-seitige Jahrbuch mit seinem Bildnis im Titel erschien regelmäßig bis 1630 – zwölf Jahre über Mollers Tod hinaus – unter seinem Namen in deutscher, einige Jahrgänge auch in polnischer und tschechischer Sprache. Es führte die Tagesdaten mit den entsprechenden Heiligennamen an, verwies auf Gesundheitsregeln und gab Auskunft über Sternkreiszeichen, Planetenkonstellationen und Finsternisse.

Titelblatt des Buchkalenders „Předźenak“, 1926; Repro: Sorbische Zentralbibliothek am Sorbischen Institut

Kalender waren ein Mittel der Volksaufklärung. Ihre massenhafte Produktion machte sie im Laufe des 19. Jh. zum billigsten populären Lesestoff und wichtigsten Informationsmedium noch vor der flächendeckenden Verbreitung von Tageszeitungen. Neben Bibel und Gebetbuch waren sie in der Regel das einzige Druckwerk im Haus der „kleinen Leute“, denen sie mit der Möglichkeit für persönliche Eintragungen auch als Familien- und Wirtschaftsbücher dienten. Die Sorben waren zunächst auf deutschsprachige Kalender wie den „Budissinischen Historischen Schreib-Calender“ (1777–1928) angewiesen. 1789 beantragte der Leipziger Buchdrucker Johann Gottlob Immanuel Breitkopf , der in Bautzen eine Buchhandlung gekauft hatte, bei der Kurfürstlichen Kanzlei in Dresden für 1791 die Herausgabe eines sorbischen Kalenders, was auf vehemente Gegenwehr des Verlegers und Druckers Georg Gotthold Monse stieß, der die Konkurrenz zu seinem „Budissinischen“ Kalender fürchtete. Trotz der Bemühungen von Jan Arnošt Smoler kurz nach Gründung der Maćica Serbska (1847) und der vorliegenden Genehmigung durch die Königliche Kalenderdeputation gelang erst 1855 die Edition eines ersten sorbischen Kalenders.

Titelblatt des katholischen Kalenders „Krajan“, 1929; Repro: Sorbische Zentralbibliothek am Sorbischen Institut

Der „Předźenak. Protyka za Serbow“ (Der Garnsammler. Ein Kalender für Sorben), wurde unter der 33 Jahre währenden Redaktion von Pfarrer Korla Herman Robert Rjeda zur auflagenstärksten jährlichen Publikation (z. B. 1867: 3 500, 1899: 6 000, 1923: 5 400 Exemplare). Sie folgte dem Vorsatz, „die alltäglichen Mühen des sorbischen Bauernvolkes zu erleuchten und in Kleinigkeiten ihrer täglichen Verrichtungen eine Hilfe anzubieten, guten Rat zu leisten und, wenn nötig, Dummheiten und Narrheiten der Lächerlichkeit preiszugeben, die schädlich und gefährlich für das geistige wie das leibliche Wohl sind“ (Předźenak 1888). Die Monatsübersichten mit Namens- und Festtagen (z. B. Kirmes), biblischen Wochensprüchen, der julianischen Zählung (bis 1888), dem Sternen-, Mond- und Sonnenlauf, den Wettervorhersagen und Bauernregeln wurden ergänzt durch einen mit den Jahren anwachsenden Anteil an Erbauungsliteratur und Werbung. Als Pendant zum besonders unter den evangelischen Sorben verbreiteten „Předźenak“ gab der Cyrill-Methodius-Verein 1868 einen katholischen Kalender für die Oberlausitz heraus („Katholska protyka za Hornju Łužicu“), ab 1872 versehen mit dem Beinamen „Krajan“ (Der Landmann). Diesen redigierte fast 30 Jahre der Theologe Filip Rězak, wobei er die sog. analoge Rechtschreibung anwandte (→ Obersorbisch, → Orthografie). Zusätzlich zur weltlichen Kalenderübersicht bot der „Krajan“ einen katholischen Kirchenkalender mit Informationen zu den Fest- und Fastentagen bzw. Gottesdiensten in der katholischen Region und in Bautzen. Nachdem 1879 der sechste Jahrgang des in der Niederlausitz vertriebenen deutschen Kalenders „Gotthold“ in einer Parallelausgabe mit „wendischem Text“ erschienen war – Übersetzung und Druck hatte der Pfarrer der beiden altlutherischen Gemeinden in Döbbrick und Cottbus, Gottlieb Fengler, veranlasst –, gelang 1880 mit finanzieller Hilfe des polnischen Juristen Alfons Parczewski die Herausgabe der „Pratyja za dołojzno-łužiskich Serbow“ (Kalender für die Niederlausitzer Sorben) durch die Maćica Serbska. Da die Mittel für ein regelmäßiges Erscheinen nicht ausreichten, blieben immer wieder Jahrgänge aus, durchgängig von 1900 bis 1924.

Für sorbische Kinder gab der Lehrer Franc Kral einen kleinformatigen illustrierten Kalender „Nadźija“ (Hoffnung) für die Jahre 1911 bis 1913 heraus. Sorbische Abreißkalender mit kurzen Gedichten und der Angabe sorbischer Gedenktage erschienen 1923 bis 1927.

Niedersorbischer Buchkalender, Domowina-Verlag 2013

Durch das Beispiel von Ota Wićaz seit Mitte der 1920er Jahre erfuhren nicht nur der von ihm redigierte „Předźenak“, sondern auch der „Krajan“ und die „Pratyja“ spürbare Aufwertung im publizistischen und literarischen Bereich. Sorbische Künstler veröffentlichten ihre Arbeiten, Měrćin Nowak-Njechorński stattete die Kalender mit farbigen Titelvignetten aus. Alle drei Buchkalender erschienen jeweils bis 1937. Der „Krajan“ für das Jahr 1938 folgte bereits einer strengen Vorgabe der Behörden (→ NS-Zeit): Vorlage in deutscher Übersetzung und Vorwort in deutscher Sprache. Für die Ausgabe von 1939 forderte die „parteiamtliche Prüfungskommission zum Schutze des NS-Schrifttums“, den Kalender künftig nur in deutscher Sprache zu verfassen, was der Cyrill-Methodius-Verein ablehnte.

Der erste obersorbische Kalender nach dem Zweiten Weltkrieg erschien für das Jahr 1946 unter dem Titel „Protyka za Serbow“ (Kalender für die Sorben) und nach 1949 dann wieder periodisch als „Protyka za serbski lud“ (Kalender für das sorbische Volk). Der Aufbau der Kalendernachrichten blieb unverändert, allerdings erweiterte sich das inhaltliche Spektrum im publizistischen Teil. Dies gilt auch für den niedersorbischen Kalender „Pratyja za Dolnych Serbow“ (Kalender für die Niedersorben), der seit 1954 die kulturgeschichtliche und sprachliche Situation in der Niederlausitz reflektiert. Sowohl ihrem Inhalt als auch dem Verbreitungsgrad nach sind die vom Domowina-Verlag herausgegebenen Kalender charakteristische Volkslesebücher. In der Oberlausitz wurden 1970 ca. 4 100 Exemplare, 1987 ca. 4 500 und 2012 2 000 Exemplare der obersorbischen „Serbska protyka“ (so der Name ab 1955) verkauft, in der Niederlausitz stieg die Auflage zwischen 1970 und 1987 von 770 auf 1 280 Exemplare, 2012 wurden 400 Exemplare der „Serbska pratyja“ (so ab 1960) gedruckt. Nach dem Vorbild der beiden sorbischen Kalender gab der Lusatia Verlag Bautzen zwischen 1991 und 2017 jährlich das „Oberlausitzer Hausbuch“ (6 500 Exemplare) in deutscher Sprache mit einem relativ hohen Anteil an Beiträgen zur sorbischen Thematik heraus; seit 2018 erscheint das Hausbuch im Via Regia Verlag in Königsbrück. In der Niederlausitz erscheint seit 2004 der Heimatkalender „Stog – Der Schober“, herausgegeben vom gleichnamigen Verein.

Erweitert wurde das sorbische Angebot durch Wandkalender. Die Edition eines zweisprachigen ober- und niedersorbischen Kunstkalenders (1950) durch die Künstlervereinigung folgte dem Ziel, das populäre Medium Kalender für die Veröffentlichung von Werken sorbischer Künstler (→ Bildende Kunst) zu nutzen, blieb jedoch Ausnahme. Der dreisprachige Wochenkalender „Moja domizna – Moja domownja – Meine Heimat“ erschien zwischen 1952 und 2000 mit Fotografien aus der Region und Kurztexten (1970: 6 000, 1987: 15 000 Exemplare), der populäre Monatskalender „Křinja – Die Truhe“ (1977–2005) präsentierte Lausitzer Volkskunst und Dorfarchitektur. Seit 2001 bietet der Verlag nur noch den Monatskalender „Łužica – Lausitz – Łužyca“ mit Fotografien an.

Lit.: J. Krawc: Posledni „Krajan“, in: Serbska protyka 1966; J. Cyž: Prěni pospyt wudawanja Serbskeje protyki, in: Rozhlad 17 (1967) 10; H.-D. Krausch: Beiträge zur Lebensgeschichte von Albin Moller, in: Lětopis A 25 (1978) 2; R. Braun/​H. J. Härtel/​K. Köstlin: Volkskalender im 19. und 20. Jahrhundert – Zeitweiser, Lesestoff und Notizheft, Cham 1992.

Metadaten

Titel
Kalender
Titel
Kalender
Autor:in
Völkel, Měrćin; Hose, Susanne
Autor:in
Völkel, Měrćin; Hose, Susanne
Schlagwörter
Buchdruck; Brauchtum; Volksliteratur
Schlagwörter
Buchdruck; Brauchtum; Volksliteratur
Abstract

Jährlich erscheinendes Verzeichnis der nach Wochen und Monaten geordneten Tage eines Jahres in Form eines Einblattdrucks, eines zwölfseitigen Heftes oder eines Buches.

Abstract

Jährlich erscheinendes Verzeichnis der nach Wochen und Monaten geordneten Tage eines Jahres in Form eines Einblattdrucks, eines zwölfseitigen Heftes oder eines Buches.

Enthalten in Sammlung
Enthalten in Sammlung
Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
Im Sorabicon 1.0 zu finden unter

Entdecke mehr

Panslawismus
Schule
Bauernaufstände
Dialektologie
Humanisten
Museen