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Bauernaufstände
von Peter Kunze

Konsequenteste Form des Widerstands der bäuerlichen Bevölkerung gegen Leibeigenschaft u. a. Formen der sozialen und ökonomischen Unterdrückung. Ab dem 16. Jh. wurden Ober- und Niederlausitz immer wieder von bäuerlichen Unruhen erfasst. Die wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse der Landbevölkerung verschlechterten sich spürbar. Die Bauern mussten den Grundherren ungemessene Dienste, sog. Roboten, leisten und konnten von ihrem Grund und Boden, den sie nicht erblich, sondern nur lassweise besaßen, jederzeit umgesetzt werden. Sie waren durch Erbuntertänigkeit fest an die Scholle gebunden und somit persönlich abhängig. Dagegen setzten sie sich vielfältig zur Wehr. Neben dem täglichen Kleinkrieg, der sich in schlechter Arbeitsmoral, verspätetem Arbeitsbeginn, oberflächlicher Ausführung der Dienste oder unregelmäßiger Zahlung von Zinsen und Abgaben äußerte, versuchten sie durch Petitionen und Klagen, oftmals in langwierigen Prozessen, durch Landflucht sowie durch bewaffneten Kampf ihre Lage zu verbessern. Einen ersten Höhepunkt erreichten die Konflikte der Bauern mit den Grundbesitzern während des Bauernkriegs 1524/25, der abgeschwächt auch die sorbischen Gebiete erfasste.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg verschlechterte sich die Lage der Landbevölkerung durch Zunahme der Dienste, Einziehung von Grund und Boden, Erbuntertänigkeit und Gesindezwangsdienst. Mit dem Übergang von der Eigenwirtschaft zur Gutswirtschaft setzte die Phase der sog. zweiten Leibeigenschaft ein, die Gutsherrschaft erreichte im 17./18. Jh. ihre volle Ausprägung.

Am Ende des 18. Jh. war die feudale Herrschaft in eine tiefe Krise geraten. Ihre Beseitigung schien geboten, sollte die Stagnation in der Landwirtschaft überwunden werden, die zu einer weiteren Verschlechterung der Lage der Bauern geführt hatte. Die allgemeine Unzufriedenheit war so groß, dass es nur eines kleinen Auslösers bedurfte, um sie in offene Rebellion umschlagen zu lassen. Das geschah durch die Französische Revolution 1789, als in der Lausitz und in vielen anderen Gebieten Deutschlands Bauernunruhen ausbrachen.

Die seit dem 16. Jh. hartnäckig geführten Auseinandersetzungen der sorbischen und deutschen Bauern mit ihren Herrschaften wirkten der Verschlechterung ihrer Lebenslage entgegen und verhinderten eine noch stärkere Ausbeutung. Sie trugen wesentlich dazu bei, dass sich die Krise des feudalen Systems seit dem Ausgang des 18. Jh. vertiefte und der Prozess der bürgerlichen Umgestaltung der Gesellschaft einsetzte.

Wirkungsvolle und ausgedehnte Protestaktionen sorbischen Bauern fanden in den jeweiligen Jahren an folgenden Orten bzw. Stellen beider Lausitzen statt:

1525: Bauern aus 40 Dörfern der Standesherrschaft Hoyerswerda beschwerten sich über unerträgliche Dienste und unmenschliche Behandlung, hatten aber weder bei ihrem Gutsherrn Wilhelm von Schönberg noch beim böhmischen König Ferdinand I., den sie in Prag um Hilfe ersuchten, Erfolg. Mit Billigung des Königs wurden 1527 der Anführer Hrjehor Twarnuški und 12 weitere Bauern gefoltert und hingerichtet.

1525: Untertanen aus Reichwalde vertrieben ihren Grundherrn, der Besitzer der Standesherrschaft Lieberose wurde erschlagen.

1525: Ein Streit zwischen dem Besitzer von Blossin, Heinrich von Queiß, und seinem Gutsschäfer führte zu offenem Aufruhr im Gebiet um Storkow. Nachdem Letzterer mit Unterstützung der Untertanen aus Friedersdorf und Dolgenbrodt die herrschaftlichen Schafe gestohlen hatte, unternahmen die Adligen unter Führung von Nickel von Minckwitz auf Sonnewalde einen Feldzug gegen die rebellierenden Bauern, konnten jedoch des Blossiner Schäfers, der als heimlicher Wendenkönig galt, nicht habhaft werden.

1539: In Petershain brach eine Rebellion aus, die damit endete, dass ein Bauer hingerichtet und 14 weitere nach Verbüßung einer längeren Haftstrafe gezwungen wurden, „barhäuptig, ohne Schuhe und Waffen, in leinenen Kitteln“ beim König in Prag um Gnade zu bitten.

1548: Weil Gutsherr Franz von Minckwitz auf Uckro jährlich Dienste und Abgaben erhöht hatte und zudem die Schafe der Bauern rauben ließ, die für sie eine zusätzliche Einnahmequelle darstellten, protestierten die Untertanen aus Uckro, Pickel und Paserin heftig. Da alle Vermittlungsversuche scheiterten, stürmten die Bauern den Gutshof und setzten kurzerhand den Gutsherrn ab. In der Folgezeit leisteten sie weder Dienste noch Abgaben und errichteten eine Selbstverwaltung. Ihrem Beispiel folgten Dörfer der Umgebung, sodass sich der Aufstand bald auf den gesamten westlichen Teil des Kreises Luckau ausdehnte. Erst nach Monaten konnten die Aufständischen mit militärischer Gewalt wieder zu Botmäßigkeit gezwungen werden. Ihr Anführer Jan Borik wurde nebst weiteren Verurteilten hingerichtet.

1587: In 33 Dörfern der Klosterherrschaft Dobrilugk sowie in Sallgast und Drehna neigten die Untertanen wegen erhöhter Dienste und Abgaben zu Dienstverweigerung und Widersetzlichkeit, was einen „Generalaufruhr im ganzen Lande“ befürchten ließ. Erst 1594 kehrte durch Vermittlung des Landvogts wieder Ruhe ein.

1588–1594: Ein Streit zwischen den Bürgern von Pulsnitz und Hans Wolf von Schönberg um Bau- und Wachdienste sowie Beschwerden der Bauern

„wegen übermäßiger und fast unmöglicher Hofedienste“ lösten einen Aufstand aus, der sich über mehrere Jahre hinzog und erst durch das gemeinsame Vorgehen des Prager Hofes, des Oberlausitzer Adels und der Sechsstädte niedergeschlagen werden konnte.

1658: In Radibor wurden die Hofbeamten verprügelt. Nach Niederschlagung der Unruhen beschloss der Landtag in Bautzen, drei Rädelsführer entweder nach Dresden auf den Bau zu schicken oder mit anderen harten Strafen zu belegen.

1658–1661: In der Stiftsherrschaft Neuzelle kam es zu Auseinandersetzungen, die eine „Generalrevolte“ befürchten ließen.

1665: In der Gubener Gegend versammelten sich die Bauern in den Wäldern. Erneut drohte eine „Generalrevolte“.

1666/67: Im Cottbuser Kreis kam es zu „Zusammenrottungen“ von Bauern aus 55 Dörfern, die sich unter Führung der Dorfschulzen gegen den Adel und den Landesherrn auflehnten und „gänzliche Freiheit von allen Diensten und Abgaben“ forderten. Erst 800 mit Feuerwaffen ausgerüsteten Soldaten gelang es, ein bis zu 5 000 Mann starkes Aufgebot sorbischer Bauern zu zerstreuen und einen Teil davon mit Festungsarbeit in Küstrin zu bestrafen.

1678: Wegen Verweigerung von Baufuhren ließ Graf Kurt Reinicke II. von Callenberg mehrere Bauern aus Schleife verhaften und ihr Vieh beschlagnahmen. Die Bauern strengten einen Prozess an, den sie allerdings verloren.

1687–1690: Die Untertanen aus Mulkwitz, Mühlrose und Rohne verweigerten willkürlich verlängerte Frondienste und entzogen sich einer Bestrafung durch Flucht. Da sie in einem Prozess kein Recht erhielten, wandten sie sich an den sächsischen Kurfürsten, der die Handlungsweise des Grafen von Callenberg missbilligte und ihn – allerdings vergeblich – aufforderte, sich künftig aller Gewalttätigkeiten gegen seine Untertanen zu enthalten. Dieser reagierte mit neuer Gewalt, ließ zahlreiche Bauern verhaften, beschlagnahmte über 700 Schafe und Schweine, Getreide sowie persönliche Habe der Bauern und zwang diese mit militärischer Gewalt zu Ruhe und Ordnung.

1690–1700: Auseinandersetzungen brachen in der Herrschaft Bärwalde aus, in deren Verlauf der Besitzer Wolf Heinrich von Leipzig mehrere Rädelsführer verhaften ließ. Erst durch Gerichtsurteil wurde er gezwungen, die Inhaftierten wieder freizulassen, seine Untertanen künftig nicht über Gebühr zu belasten und ihnen die gepfändeten Sachen zurückzugeben.

1712–1722: Langwierige Kontroversen in Särchen um die Nutzung der Teiche ließen 1720 einen bewaffneten Aufstand befürchten. Um dem vorzubeugen, begab sich eine 60 Mann starke bewaffnete Einheit in den Ort, verhaftete mehrere Bauern und verübte „Gewalttätigkeit und Räubereien“. Beschwerden blieben erfolglos, es gelang lediglich, 1722 die Freilassung der Verhafteten zu erreichen.

1715–1717: Der größte Aufstand sorbischer Bauern fand im Kreis Cottbus statt. In einer umfangreichen Beschwerdeschrift an den preußischen König Friedrich Wilhelm I. forderten Bauern die Abschaffung der drückendsten Belastungen. Als anlässlich einer Beratung zwischen Bauernabordnungen aus 73 Dörfern und einer vom König eingesetzten Untersuchungskommission der Eichower Schulze Hans Lehmann, der als Anführer der Bauern galt, verhaftet wurde, griffen diese zur Gegenwehr: Sie befreiten Lehmann, der sich außerhalb des Landes in Sicherheit brachte. Ein erneuter Haftbefehl gegen ihn blieb zunächst erfolglos, an seiner Stelle verhaftete man 17 weitere Bauern, darunter den Werbener Měto Dalic; wenige Monate später erneut Lehmann. Das führte zum offenen Aufruhr, an dem sich „sämtliche“ Untertanen der adligen Güter des Cottbuser Kreises beteiligten. 1717 standen über 4 000 Bauern unter Waffen. Erst einem starken militärischen Aufgebot gelang es, den Aufstand niederzuschlagen. Dalic wurde 1720 begnadigt, Lehmann musste eine lebenslange Festungshaft verbüßen.

1718–1720: In den Dörfern Lugknitz, Berg und Nochten der Muskauer Standesherrschaft kam es zu ähnlichen Auseinandersetzungen wie etwa 30 Jahre zuvor in Mulkwitz. Auch hier ließ der Besitzer Graf von Callenberg mehrere Bauern, die sich seinen Willkürmaßnahmen widersetzten, verhaften und in Ketten legen. Erst durch erneutes Einschreiten des Kurfürsten wurde der Standesherr zum Einlenken gezwungen.

1718–1739: Im Ergebnis eines jahrelangen Prozesses zwischen den durch tägliche Dienste belasteten Bauern von Sonnewalde und dem Grafen Friedrich Erhard zu Solms entschied ein Gericht, dass die Untertanen die früher geleisteten Hofdienste erneut zu verrichten hätten. Doch diese weigerten sich und versuchten ihre Forderungen mit Waffengewalt durchzusetzen. Es kam zu Handgreiflichkeiten mit einer in Begleitung des Grafen erschienenen kurfürstlichen Kommission. Erst nach Zusicherung eines freien Tags, der Verhaftung von sechs Rädelsführern, der Androhung weiterer Verhaftungen und strenger militärischer Exekution nahmen die Untertanen ihre Dienste wieder auf.

1734: Im Stift Neuzelle griffen die Untertanen zur Selbsthilfe, die sich in unterschiedlichen Formen äußerte: Sie verprügelten die klösterlichen Schäfersknechte, eigneten sich Brenn- und Bauholz aus den Stiftswäldern an, fischten des Nachts in den Stiftsseen und nahmen Schuldeneintreiber fest. Da auch die Untertanen in den Ämtern Friedland und Schenkendorf sowie in den Herrschaften Straupitz, Lieberose und Lübbenau kampfentschlossen waren, drohte „im ganzen Lande ein Bauernkrieg“, der zunächst durch eine gütliche Einigung des Klosters mit den klagenden Dorfschaften abgewendet wurde.

1764/65: Erneut drohten größere Unruhen im Stift Neuzelle, die durch „rechtzeitige“ Festnahme des Anführers Hans Welkisch aus Möbiskruge verhindert wurden.

1790: Bauern aus über 50 Dörfern der Herrschaften Leuthen, Lieberose, Straupitz sowie der Ämter Lübben und Neu Zauche forderten bei Zusammenkünften die Abschaffung der Abgaben und täglichen Dienste sowie die Überlassung ihrer Güter in Erbpacht. Als einige Bauern verhaftet wurden, verweigerten die aufgebrachten Untertanen die Hofdienste und griffen zur Selbsthilfe, indem sie die herrschaftlichen Merkpfähle im Forst zerstörten. Unter Führung der Gerichtsschulzen Hanzo Boriš aus Guhlen und Fryco Lejnik aus Dollgen sowie der Gerichtsschöppen Hanzo Kurt, Erdmann Hedmann – beide aus Dollgen – und Kito Krol (Christian Kroll) aus Groß Leuthen drohten die Bauern mit einer Revolte, deren Ausbruch durch einen Vergleich mit der Herrschaft verhindert werden konnte.

1790: 600 mit Äxten und Hacken bewaffnete Bauern aus Lohsa und Umgebung forderten ihre Herrschaft auf, die Ableitung des Spreewassers in die herrschaftlichen Teiche zu unterlassen, weil sie sonst die eigenen Felder nicht bewässern könnten. Dem beugte sich die Herrschaft.

1794: Gegen die obrigkeitliche Anordnung, den kirchlichen Feiertag Mariä Verkündigung vom 25. März, einem Werktag, auf einen Sonntag zu verlegen, protestierten die Einwohner von Königswartha, Klix, Hochkirch, Gröditz, Lohsa, Nostitz, Malschwitz und anderen Oberlausitzer Orten. Sie erzwangen die Abhaltung des Gottesdienstes und somit auch den freien Tag.

1794: In Lohsa brachen offene Unruhen aus, weil der dortige Gutsherr Wolf Heinrich August von Muschwitz von einigen Untertanen Abbitte für deren eigenmächtiges Kirchenläuten am 25. März forderte. Unter Führung des Zimmermanns Jan Cuška und des Häuslers Jan Tunka aus Weißkollm sowie des Häuslers Michał Barč aus Driewitz stürmten über 1 000 Bauern das Herrenhaus, plünderten es und nahmen den flüchtenden Gutsherrn gefangen. Erst Monate später gelang es einer Schwadron Dragoner, die Aufständischen zu überwältigen. 25 Bauern wurden zu Zuchthaus und Festungshaft verurteilt.

Lit.: R. Lehmann: Quellen zur Lage der Privatbauern in der Niederlausitz im Zeitalter des Absolutismus, Berlin 1957; R. Lehmann: Geschichte der Niederlausitz, Berlin 1963; J. Leszczyński: Der Klassenkampf der Oberlausitzer Bauern in den Jahren 1635–1720, Bautzen 1964; P. Kunze: Bauernunruhen im Kreis Cottbus 1715–1717, in: Lětopis B 16 (1969) 1; J. Brankačk/ F. Mětšk: Geschichte der Sorben, Band 1, Bautzen 1977.

Metadaten

Titel
Bauernaufstände
Titel
Bauernaufstände
Autor:in
Kunze, Peter
Autor:in
Kunze, Peter
Schlagwörter
Aufstand; Bauer; Grundherr; Hofdienst; Erbuntertänigkeit; Landflucht; Leibeigenschaft; Protest; Unruhen; Landesgeschichte
Schlagwörter
Aufstand; Bauer; Grundherr; Hofdienst; Erbuntertänigkeit; Landflucht; Leibeigenschaft; Protest; Unruhen; Landesgeschichte
Abstract

Konsequenteste Form des Widerstands der bäuerlichen Bevölkerung gegen Leibeigenschaft u. a. Formen der sozialen und ökonomischen Unterdrückung. Ab dem 16. Jh. wurden Ober- und Niederlausitz immer wieder von bäuerlichen Unruhen erfasst.

Abstract

Konsequenteste Form des Widerstands der bäuerlichen Bevölkerung gegen Leibeigenschaft u. a. Formen der sozialen und ökonomischen Unterdrückung. Ab dem 16. Jh. wurden Ober- und Niederlausitz immer wieder von bäuerlichen Unruhen erfasst.

Enthalten in Sammlung
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Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
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