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Asimilacija
Peter Kunze

Im soziologischen Sinne ein Vorgang, bei dem Angehörige einer meist kleineren ethnischen oder nationalen Gemeinschaft bestimmte charakteristische Merkmale wie Sprache, Kultur oder Mentalität verlieren und sich Merkmale einer anderen, meist größeren ethnischen oder nationalen Gruppe aneignen. Auf die Sorben bezogen bedeutet Assimilation das Aufgehen in bzw. Verschmelzen mit dem deutschen Volk.

Von einer Assimilation der Sorben kann man seit dem 12. Jh. sprechen. Der massenhafte Zuzug deutscher bäuerlicher Siedler aus Flandern, Franken, Bayern, Thüringen und Sachsen (→ Kolonisation) führte namentlich in den Randgebieten, wo die Sorben rasch in die Minderheit gerieten, zu einer allmählichen Assimilierung der Einheimischen. Die Zahl der Neusiedler, der Einfluss durch Städte, Handel und Verkehr sowie unterschiedliche Landesverfassungen, aber auch erzwungene Germanisierung beschleunigten den Prozess. So erließen die Landgrafen und Fürsten für die Gebiete um Zwickau, Leipzig und Meißen bereits ab Ende des 13. Jh. Sprachverbote und benachteiligten die Wenden in rechtlicher Hinsicht. Die Bezeichnung „Wende“ galt dabei als beleidigendes Schimpfwort. In Oschatz zahlte 1488 ein Bürger, der einen Deutschen so betitelt hatte, eine Geldbuße. Im Meißnischen soll der Gebrauch des Sorbischen unter Androhung der Todesstrafe verboten worden sein. Die obrigkeitlichen Maßnahmen sowie die Majorität der deutschen Bevölkerung führten dazu, dass die westlich der Elbe lebenden Sorben bereits Ende des 15. Jh. weitestgehend assimiliert waren.

Anders verlief die Entwicklung in beiden Lausitzen. Die zahlenmäßige Stärke der Sorben bewirkte zum einen das teilweise Aufgehen deutscher Kolonisten im sorbischen Volkstum, zum anderen verhinderten die Landesverfassungen der Markgraftümer Oberlausitz und Niederlausitz eine schnelle Angleichung. Zu keiner Zeit waren diese Gebiete Sitz einer eigenen Landesherrschaft bzw. straff geleitete, zentral verwaltete Territorien. Es dominierten partikulare Kräfte, denen es gelang, zentralistische Bestrebungen einzudämmen. Die Stände, d. h. die Vertreter der Klöster und des Domstifts, der adligen Herrschaften und Rittergüter sowie der größeren Städte, bildeten eine Art kollektive Regierung, die zunächst kein Interesse an einer Zurückdrängung oder gar Beseitigung des Sorbischen hatte. Deshalb kam es hier im Mittelalter zu keiner nennenswerten Assimilation der sorbischen Bevölkerung (→ Ständeherrschaft).

Das änderte sich ab dem 17. Jh. zunächst in der Niederlausitz, als behördliche Maßnahmen wie Verbote der sorbische Sprache im öffentlichen Leben oder der Einsatz deutscher Pfarrer und Lehrer die Assimilation vorantrieben (→ Dezemberreskript). Im Gegensatz dazu konnte sich das sorbische Element in der Oberlausitz und im Cottbuser Kreis, wo eine gemäßigte Sprachenpolitik betrieben wurde, im 18. und teilweise auch im 19. Jh. festigen. Doch durch Aufhebung der Leibeigenschaft, den Militärdienst sorbischer Jugendlicher und die Industrialisierung setzte in der Moderne eine beschleunigte Assimilation ein. Besonders in die entstehenden Industriezentren zogen sehr viele fremde Arbeitskräfte. Im Braunkohlenbergbau der Senftenberger Region etwa stieg die Anzahl der Beschäftigten von 450 im Jahr 1871 auf 3 100 im Jahr 1890 und auf 10 600 zehn Jahre darauf. Durch den Ausbau des Eisenbahnnetzes wurde die Isolation vieler Gebiete überwunden, was zur Veränderung der nationalen Struktur führte. Es kam zur Vermischung der Bevölkerung einschließlich ethnisch gemischter Ehen, was – zunächst in den evangelischen Gebieten – den Übergang der Sorben zur Zweisprachigkeit förderte und in der Folge zur Assimilation beitrug. Hinzu kam seit dem letzten Drittel des 19. Jh. ein starker ideologischer Druck durch Diffamierung der Sorben und ihrer Sprache, was bei vielen Angehörigen des Ethnikums zur Schwächung des Selbstbewusstseins und zur Aufgabe der Nationalität beitrug. Eine deutsch-nationalistische Welle vergiftete das öffentliche Leben, antisorbische Stimmungen breiteten sich aus. Allgemein galt es als Makel, das Sorbische zu verwenden, da die Sprache mit Armut, Rückständigkeit und dörflicher Enge gleichgesetzt wurde. Wer nach sozialem Aufstieg strebte, musste deutsch sprechen können. Dahinter stand eine Förderung des Deutschen im öffentlichen Leben, in Schule und Militär. Allein in der Niederlausitz ging die Zahl der sorbischen Kirchspiele von 49 zu Beginn des 19. Jh. auf 26 im Jahr 1870 zurück, bis es um 1900 noch zwölf waren. Das führte v. a. in der mittleren Niederlausitz in der Spremberger Region, in der Senftenberger Region und in der Calauer Region, in der westlichen um Lübben, in der nördlichen Niederlausitz um Neu Zauche, Lieberose und Guben sowie in der Östlichen Lausitz um Forst, Triebel/​heute: Trzebiel (Polen) und Sorau/​heute: Żary (Polen) zu einer raschen Assimilation

In der sächsischen Oberlausitz setzte bei einer liberaleren Sprachenpolitik und größeren sorbische Aktivitäten auf nationalem und kulturellem Gebiet der Prozess der Assimilation zeitverzögert ein. Er erfasste zuerst die von der Industrialisierung stark betroffenen Gebiete im westlichen und südlichen Teil um Demitz, Schmölln, Gaußig, Uhyst am Taucher, Göda, Kirschau, Wilthen und Großpostwitz. Um 1900 gab es hier noch 28 evangelische sorbische Kirchspiele, 30 Jahre später 23. Die katholische Region war von der Entwicklung zunächst nicht berührt, da einerseits die doppelte Barriere – sorbisch-katholisch gegenüber deutsch-evangelisch – bis 1945 Mischehen verhinderte, andererseits die Landwirtschaft vorherrschte und es zu keinem nennenswerten Aufschwung kam. Während der NS-Zeit wirkte jedoch die erzwungene Assimilation, v. a. durch das Verbot alles Sorbischen in der Öffentlichkeit ab 1937, besonders nachhaltig.

Nach 1945 schritt die Assimilation der Sorben trotz staatlicher kultureller Unterstützung weiter voran. Sie wurde durch die deutschen Flüchtlinge und Vertriebenen, die sich auch in sorbischen Dörfern niederließen, beschleunigt (zeitweise über 25 %, → Zuwanderung). Das betraf v. a. die protestantischen Gebiete, während in den katholischen Orten der Oberlausitz partiell ein umgekehrter Prozess stattfand; einige der jüngeren Neuankömmlinge wurden ans Sorbische assimiliert. Mitte der 1950er Jahre kam es erneut zu einem Zuzug deutscher Arbeitskräfte in den expandierenden Braunkohlenbergbau der Niederlausitz, was nicht nur zu einer weiteren Einschränkung des Lebensraums führte, sondern auch einen beträchtlichen Verlust an nationaler Substanz mit sich brachte.

Die Globalisierung beschleunigt zwar einerseits die Assimilation der Sorben (Englisch-, nicht Sorbischkenntnisse sind auf dem Arbeitsmarkt gefragt), andererseits vermag die Nähe der Lausitz zu den slawischen Nachbarländern das Prestige der sorbischen Sprache zu erhöhen. Erste Anzeichen deuten darauf hin, dass der weiteren Assimilation wirksam entgegengesteuert und die sorbische Identität erhalten werden kann (→ Witaj-Modellprojekt). Einen wichtigen Beitrag leisten Schule, Kirche, kulturelle und politische Institutionen sowie Vereine (→ Vereinswesen), die sich die Pflege von sorbische Sprache und Kultur zum Ziel gesetzt haben.

Lit.: T. Malinkowa: Narodne wuwiće ewangelskich Serbow w Sakskej w zašłym połdra lětstotku, in: Rozhlad 48 (1998) 7/8; P. Kunze: Die Sorben/​Wenden in der Niederlausitz, Bautzen 2000; P. Kunze: Kurze Geschichte der Sorben, Bautzen 2001; Der Niedersorben Wendisch. Eine Sprachreise, Bautzen 2003; I. Keller: „Ich bin jetzt hier und das ist gut so“. Lebenswelten von Flüchtlingen und Vertriebenen in der Lausitz, Lětopis Sonderheft, Bautzen 2005; M. Walde: Wie man seine Sprache hassen lernt. Sozialpsychologische Überlegungen zum deutsch-sorbischen Konfliktverhältnis, Bautzen 2010.

Metadaty

Titel
Asimilacija
Titel
Asimilacija
Awtor:ka
Kunze, Peter
Awtor:ka
Kunze, Peter
Klucowe słowa
rěcna politika; rěcna politika; pšašanje rěcy; rěcna mjeńšyna; narodna mjeńšyna
Klucowe słowa
rěcna politika; rěcna politika; pšašanje rěcy; rěcna mjeńšyna; narodna mjeńšyna
Zespominanje

W sociologiskem zmysle zjaw, pśi kótaremž pśisłušniki zwětšego małego etniskego abo narodnego zgromaźeństwa zgubiju wěste charakteristiske pśiznamjenja ako rěc, kulturu abo mentalitu a se pśiswóje pśiznamjenja drugeje, zwětšego wětšeje etniskeje abo narodneje kupki. Na Serbow póśěgnjone groni asimilacija rozpušćenje w nimskem luźe resp. zjadnośenje z nimskim ludom.

Zespominanje

W sociologiskem zmysle zjaw, pśi kótaremž pśisłušniki zwětšego małego etniskego abo narodnego zgromaźeństwa zgubiju wěste charakteristiske pśiznamjenja ako rěc, kulturu abo mentalitu a se pśiswóje pśiznamjenja drugeje, zwětšego wětšeje etniskeje abo narodneje kupki. Na Serbow póśěgnjone groni asimilacija rozpušćenje w nimskem luźe resp. zjadnośenje z nimskim ludom.

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Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
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