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Sprachpolitik
von Jana Šołćina und Anja Pohončowa

Bewusste und institutionell organisierte Formung der Schriftsprache (z. B. durch Linguisten, Lehrer) im Hinblick auf Schrift, Orthografie, Wortschatz und Grammatik mit dem Ziel der Schaffung eines in unterschiedlichen Situationen einsetzbaren überregionalen Kommunikationsmittels und zum Zweck des Domänenausbaus. Sie ist im Gegensatz zur Sprachenpolitik auf eine einzelne Sprache gerichtet.

Die Anfänge einer sorbischen Sprachpolitik reichen zurück in die zweite Hälfte des 17. Jh., als die Ständeversammlung der Oberlausitz beschloss, evangelische religiöse Drucke in Sorbisch zu fördern und Kommissionen von Predigern einsetzte, die eingereichte Manuskripte sprachlich überarbeiten bzw. selbst Übersetzungen anfertigen sollten. In der katholischen Oberlausitz entstand im Geiste der Gegenreformation ebenfalls ein religiöses Schrifttum mit einer kodifizierten Norm, deren Prestige und Verbindlichkeit durch das Bautzener Domstift als oberster Kirchenbehörde bestimmt wurden.

Bereits im 19. Jh. bemühten sich im Rahmen der nationalen Wiedergeburt einzelne Personen um die Schaffung einer einheitlichen obersorbischen Schriftsprache (Handrij Zejler, Hendrich Jordan, Jan Arnošt Smoler). Sprachpolitisch wirksam wurde jedoch erst die Maćica Serbska, die mit der Standardisierung der Sprache die Grundlagen für die heutige obersorbische Schriftsprache schuf. In der ersten Ausgabe des „Časopis Maćicy Serbskeje“ stellte sie einen Kompromiss zwischen der evangelischen und katholischen Variante der obersorbischen Schriftsprache zur Kodifizierung des Obersorbischen vor, den die Mitglieder in ihren Schriften verbreiteten und somit wesentlich zu seiner Durchsetzung beitrugen. Diese einheitliche Form erlangte zu Beginn des 20. Jh. weitere Verbreitung und wurde schließlich nach 1945 allgemein verbindlich.

Aufsatz Michał Hórniks über eine Annäherung der ober- und niedersorbischen Schriftsprache, Časopis Maćicy Serbskeje 33 (1880) 2; Repro: Sorbische Zentralbibliothek am Sorbischen Institut

Die 1880 gegründete niedersorbische Abteilung der Maćica Serbska (Maśica Serbska) betrachtete als ihre dringlichste Aufgabe die Herausgabe niedersorbischer Bücher. Um die Wende zum 20. Jh. wirkte für eine begrenzte Zeit eine philologische Abteilung der Maśica Serbska, die aber kaum Einfluss auf die Entwicklung der niedersorbischen Schriftsprache nahm.

Michał Hórnik veröffentlichte 1880 einige Vorschläge zur gegenseitigen Annäherung der ober- und niedersorbischen Schriftsprache. Für die Herausbildung einer gemeinsamen sorbischen Schriftsprache fehlten jedoch bereits damals die Voraussetzungen. Zwar wurde nach 1945 erneut die Schaffung einer gemeinsamen sorbischen Schriftsprache diskutiert, konkrete Vorschläge dazu jedoch als unrealistisch verworfen. Trotzdem wurde 1949 in der niedersorbischen Wochenzeitung „Nowy Casnik“ eine veränderte, dem Obersorbischen angenäherte Orthografie eingeführt.

1952 wurde auf Beschluss des Bundesvorstands der Domowina am Institut für sorbische Volksforschung eine Sprachkommission gegründet (→  Sorbisches Institut), die die bestehenden Unklarheiten in der Orthografie beseitigen sowie Terminologiearbeit leisten sollte. Daraus entstand 1955 die sog. Terminologie-Kommission. Weiterhin existierte die Sprachkommission, die 1979 reorganisiert wurde. Sie war bei der Akademie der Wissenschaften der DDR angesiedelt und bestand aus einer obersorbischen und niedersorbischen Subkommission. 1994 erfolgte die Neugründung je einer selbstständigen Obersorbischen und Niedersorbischen Sprachkommission unter dem Dach der Maćica Serbska.

Die Obersorbische Sprachkommission befasst sich insbesondere mit Fragen der Orthografie (u. a. Getrennt- und Zusammenschreibung, Groß- und Kleinschreibung, Schreibung von Fremdwörtern, Interpunktion), z. T. als Reaktion auf die deutsche Rechtschreibreform von 1996. Für die fünfte und sechste, überarbeitete Auflage des obersorbischen Rechtschreibwörterbuchs („Obersorbisch-deutsches Wörterbuch“, 2005 bzw. 2014) sowie für das „Deutsch-obersorbische Wörterbuch neuer Lexik“ (2006) erarbeitete sie Vorgaben und Richtlinien bezüglich ausgewählter orthografischer Probleme. Derzeit erfolgt eine Überarbeitung der der „Regeln der obersorbischen Orthografie und Interpunktion“.

Ausgangspunkt für die Tätigkeit der Niedersorbischen Sprachkommission, die sich seit den 1990er Jahren vornehmlich mit lexikalischen, z. T. auch mit orthografischen Fragen beschäftigt, bilden drei Prinzipien: 1. Bewahrung der Verständlichkeit (Kommunikativität), 2. Bewahrung der Slawizität in niedersorbischer Ausprägung und 3. gesamtsorbische Ausrichtung, sofern dies nicht in Widerspruch zu 1. und 2. steht. Die Niedersorbische Sprachkommission veröffentlicht neue Regelungen zur Orthografie und Interpunktion auf der Internetseite dolnoserbski.de/dsrk/.

Lit.: H. Faßke: Die Sprachpolitik M. Hórniks. Ein Beitrag zur Geschichte der sorbischen Schriftsprachen, in: Wiener Slawistischer Almanach, 13 (1984); R. Marti: Probleme europäischer Kleinsprachen – Sorbisch und Bündnerromanisch, München 1990; A. Pohontsch/​J. Schulze: Sprachwandel im Ober- und Niedersorbischen, in: Sprachwandel in der Slavia, Hg. L. Zybatow, Teil 2, Frankfurt am Main u. a. 2000.

Metadaten

Titel
Sprachpolitik
Titel
Sprachpolitik
Autor:in
Šołćina, Jana; Pohončowa, Anja
Autor:in
Šołćina, Jana; Pohončowa, Anja
Schlagwörter
Sorbische Sprache(n); Orthografie; Sprachreform; Schriftsprache; Minderheitensprache
Schlagwörter
Sorbische Sprache(n); Orthografie; Sprachreform; Schriftsprache; Minderheitensprache
Abstract

Bewusste und institutionell organisierte Formung der Schriftsprache (z. B. durch Linguisten, Lehrer) im Hinblick auf Schrift, Orthografie, Wortschatz und Grammatik mit dem Ziel der Schaffung eines in unterschiedlichen Situationen einsetzbaren überregionalen Kommunikationsmittels und zum Zweck des Domänenausbaus.

Abstract

Bewusste und institutionell organisierte Formung der Schriftsprache (z. B. durch Linguisten, Lehrer) im Hinblick auf Schrift, Orthografie, Wortschatz und Grammatik mit dem Ziel der Schaffung eines in unterschiedlichen Situationen einsetzbaren überregionalen Kommunikationsmittels und zum Zweck des Domänenausbaus.

Enthalten in Sammlung
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Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
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