Vereine außerhalb Deutschlands mit dem Ziel, Freunde oder Sympathisanten der Sorben zusammenzuführen, sie über die Situation des
sorbischen Volkes aufzuklären und es ideell oder materiell zu unterstützen (→ Vereinswesen). Die erste dieser
Freundesgesellschaften wurde 1907 als Vereinigung „Łužisko-serbske towarstwo
,Adolf Černý’ w Praze“ (Sorbischer Verein „Adolf Černý“ in Prag) gegründet. Dies geschah auf Initiative der
tschechischen Studenten Josef Páta,
František Páta, Cyril Stefan, Vilém Štekl sowie der Sorben Jan
Bryl, Cyril Wjenka und
Jurij Hantuš. Ob seiner Verdienste
um die tschechisch-sorbischen Beziehungen wurde der Schriftsteller und
Volkskundler Adolf Černý als
Namensgeber und Protektor gewonnen. Bis zur Einstellung der Vereinstätigkeit
1915 widmeten sich die Mitglieder dem Erlernen der sorbischen Sprache und
sorabistischen Studien. Nach dem Ersten Weltkrieg erneuerte die in
„Česko-lužický spolek ,Adolf Černý’“ (Tschechisch-sorbischer Verein „Adolf
Černý“) umbenannte Vereinigung ihre Tätigkeit und nahm aktiv an den
gesellschaftlichen Umwälzungen teil. Ende 1919 wurde Jan Hejret, Redakteur der Zeitung „Národní
politika“, zum Vorsitzenden gewählt. Der Verein zählte zu diesem Zeitpunkt ca.
170 Mitglieder. Sein Hauptaugenmerk galt der Aufklärung über sorbische Belange
und der Unterstützung von Projekten, u. a. der Herausgabe sorbischsprachiger
Literatur und der Einrichtung von Ferienkolonien für sorbische Kinder in der
Tschechoslowakei.
Sorbische Kinder in einem von der tschechischen Freundesgesellschaft
organisiertem Ferienlager in der ČSR, 1931; Sorbisches Kulturarchiv am
Sorbischen Institut
In Frankreich wurde Ende 1924 auf Initiative von Marie de Vaux
Phalipau, Mitarbeiterin des Internationalen anthropologischen
Instituts in Paris, die „Association
des Amis de la Lusace“ (Freundesgesellschaft der Sorben) ins Leben gerufen. Die
Nominierung des nationalkonservativen Politikers Louis Marin zum Vorsitzenden hatte symbolischen Charakter. Die
stellvertretende Vorsitzende de Vaux Phalipau dagegen trat auf allen
internationalen Tagungen des Instituts zwischen 1920 und 1936 mit Vorträgen über
die Sorben in Erscheinung, wobei sie auf deren Geschichte, Bräuche und aktuelle Lage im Deutschen Reich hinwies. Der
Zugang zum Thema wurde dabei stets vom antideutschen Standpunkt gesucht, der
historische Werdegang des sorbischen Volkes in den Kontext „teutonischer
Eroberungssucht“ gestellt. Dieses für Deutschland ungünstige Sorbenbild, das v.
a. Auguste Vierset mit seinem Buch „Un
Peuple martyr. La Question des Wendes (Serbes de Lusace) devant l’opinion
publique“ (Ein Märtyrervolk. Die Sorbenfrage in der öffentlichen Meinung, 1923)
in der frankofonen Welt geprägt hatte, wollten die deutschen staatlichen
Instanzen mittels eigener Veröffentlichungen in französischer Sprache
korrigieren. Deshalb erschien Otto Eduard
Schmidts Schrift „Die Wenden“ (1926) in Paris 1929 in
französischer Übersetzung.
„Sorbischer Abend“ der Freundesgesellschaft im tschechischen Nymburk, 1934;
Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
In der Zwischenkriegszeit wurden nach dem Vorbild der Freundesgesellschaften in der
Tschechoslowakei und in Frankreich ähnliche Vereine in Polen – u. a. Warschau (1924), Poznań (1930), Katowice (1936) – und in Jugoslawien –
Zagreb (1927), Ljubljana (1928), Belgrad (1928) – gegründet. Ihr Wirken
blieb bis 1933 auf akademische Kreise beschränkt und war rein informativer
Natur. Im Jahr 1933, als in der Tschechoslowakei, in Polen und Jugoslawien
angesichts des repressiven Vorgehens der Nationalsozialisten eine Welle von
Aktivitäten ausgelöst wurde, entschlossen sich die Freundesgesellschaften zu
einer konzertierten Aktion zugunsten der Sorben. Auf Anregung der Warschauer
Vereinigung reichten im Herbst 1933 die Organisationen aus Prag, Warschau,
Poznań, Belgrad, Zagreb, Ljubljana und Paris beim Völkerbund in Genf eine knapp
zehnseitige Denkschrift zur Lage der Sorben ein. Die beigefügten Dokumente
veranschaulichten u. a. die Unterdrückungsmaßnahmen der NS-Behörden im Frühjahr
1933. Dem Protest folgten weitere Eingaben tschechoslowakischer Städte und
nationaler Organisationen (→ NS-Zeit).
Die Mitgliederzahl des Anfang 1933 nach französischem Vorbild in „Společnost přátel Lužice“
(Freundesgesellschaft der Sorben) umbenannten tschechoslowakischen Vereins
betrug damals über 3 000 Personen. Er umfasste 17 Ortsverbände von Prag über
Mladá Boleslav, Hradec Králové, Poděbrady bis ins mährische Brno. Die Liste der Vorträge,
Theateraufführungen, Konzerte, Ausstellungen, Rundfunkübertragungen, die
Geschäftsführer Vladimír Zmeškal auf
der Hauptversammlung 1934 vorlegen konnte, enthielt für 1933 knapp 70
Positionen. Die Zeitschrift des Vereins
„Lužickosrbský věstník“, 1920 erstmals als „Česko-lužický věstník“ in einer
Auflage von 500 Exemplaren herausgegeben, erschien mittlerweile in 4 500
Exemplaren. In den 1930er Jahren erfuhren neben Filmvorführungen und
Diavorträgen Ausstellungen über das kulturelle Leben der Sorben den größten
Zuspruch. Im Spätsommer 1937 organisierte die tschechoslowakische
Freundesgesellschaft eine Übersichtsschau ihrer Bestände an sorbischer Literatur
und Kunst in Jablkynice (heute
Jabkenice) bei Mladá Boleslav.
Sie markierte den Höhepunkt der Aktivitäten aller Freundesgesellschaften der
Vorkriegszeit, bevor diese infolge der Expansionspolitik Nazideutschlands ihre
Tätigkeit einstellen mussten. Anfang 1939 beschloss die Vereinigung in der
Tschechoslowakei ihre Auflösung. Angesichts von Hausdurchsuchungen und
Konfiskationen, die die Gestapo sofort nach der Annexion der sog. Resttschechei
am 15.3.1939 bei dem Verein und seinen Funktionären vornahm, sowie der
Verhaftung führender Mitglieder sah sich die tschechische Regierung veranlasst,
beim Reichsprotektor zu intervenieren. Im Protektorat Böhmen und Mähren war ab
1940 die illegale Gruppe „Łužica“, die unter Leitung von Zmeškal ehemalige
Mitglieder zusammenführte, intensiv darum bemüht, den Widerstandswillen von
Tschechen und Sorben gegen das NS-Regime zu stärken. Im Zuge der
Vergeltungsmaßnahmen nach dem Attentat auf Reinhard Heydrich wurden 1942 die Brüder Josef und František
Páta hingerichtet.
Edition zum 100-jährigen Bestehen der Freundesgesellschaft in Prag, Chvojkovo
nakladatelství 2008
Nach der Kriegsniederlage Deutschlands nahm noch im Mai 1945 die Freundesgesellschaft der
Sorben in der Tschechoslowakei ihre Tätigkeit wieder auf. Unter Vorsitz von
Zmeškal wurden Großveranstaltungen organisiert, die die politischen Bemühungen
um eine Lösung der sorbischen Frage unterstützen sollten. Die Zahl der
Mitglieder betrug nun nahe 10 000. Auch in Polen kam es zu einer prosorbischen
Bewegung, deren Aktivitäten von akademischen Kreisen ausgingen, u. a. von den
Mitgliedern des „Akademicki Związek Przyjaciół Łużyc ,Prołuż’“ (Akademischer
Verband der Freunde der Sorben „Prołuż“) in Poznań, Krakau und Wrocław. Spätestens 1950 wurde die Arbeit auf Druck der
staatlichen Instanzen eingestellt. Infolge des kommunistischen Umsturzes 1948 in
der Tschechoslowakei musste die Freundesgesellschaft ihre Tätigkeit einschränken
und wurde 1955 als „Sekce pro studium lužickosrbské kultury“ (Sektion zum
Studium der sorbischen Kultur) dem Nationalmuseum zugeordnet. Bis in die 1970er
Jahre beschränkte sich ihre Tätigkeit auf Informationsvorträge, danach wurden
unter Leitung von Zdeněk Boháč und
mithilfe der Domowina zahlreiche kulturelle
Veranstaltungen durchgeführt.
Nach der Samtenen Revolution von 1989 versuchte der Freundeskreis unter dem neuen
Namen „Sdružení přátel Lužice“ (Vereinigung der Freunde der Sorben) an die
Periode vor 1948 anzuknüpfen. Zeitgleich gründete 1990 eine Gruppe junger
Sympathisanten den „Spolek česko-lužické mládeže“ (Tschechisch-sorbischer
Jugendverein) und begann mit der Herausgabe des Informationsblatts „Zprávodaj“,
seit Mai 1993 umbenannt in „Česko-lužický věstník“. Ein Zusammenschluss beider
Vereine erneut zur „Společnost přátel Lužice“ (Gesellschaft der Freunde der
Sorben) erfolgte 2003.
Im Nachklang der politischen Wende von 1989 in
Osteuropa kam es zur Wiederbelebung der Idee der Freundesgesellschaften. Bereits
1988 hatten sich in Paris unter Vorsitz von Jean
Kudela die „Les Amis de la Lusace“ (Freunde der Sorben) neu
konstituiert. In Warschau wurde 1991 von Zbigniew
Gajewski und Zbigniew
Wierzbicki die „Towarzystwo Polsko- Serbołużyckie“
(Polnisch-Sorbische Gesellschaft) ins Leben gerufen. Seit 1990 erscheint dort
die populärwissenschaftliche Jahresschrift „Zeszyty Łużyckie“ (Sorbische Hefte),
um die Öffentlichkeit über Sprache, Kultur und Geschichte der Sorben zu
informieren. In weiteren polnischen Großstädten existieren Sektionen der
Vereinigung. Anfang 2005 nahm in Opole der Polnisch-Sorbische Verein „Pro
Lusatia“ seine Arbeit auf, der jährlich einen populärwissenschaftlichen
Sammelband vorlegt. Die Aktivitäten beinhalten regelmäßige Kulturtage u. a. mit
Vorträgen, Lesungen, Ausstellungen und Konzerten. Weitere Freundesgesellschaften
sind inzwischen in Tschechien (Brno), Serbien (Belgrad) und Russland (Moskau, Nowosibirsk) entstanden.
Lit.: J. Páta/V. Zmeškal: Naše styky s Lužicí, Praha 1934; T. Meškank: Kultur
besteht – Reich vergeht. Tschechen und Sorben (Wenden) 1914–1945, Berlin 2000;
S. Musiat: Sorbische/Wendische Vereine, Bautzen 2001; Stoletý most mezi Prahou a
Budyšínem. Společnost přátel Lužice (1907–2007), Hg. M. Černý/P. Kaleta, Praha
2008. www.luzice.cz; www.prolusatia.pl