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Ostereier
von Eva-Maria Zschornak

Kunstvoll verzierte und geschmückte Hühner- oder andere Eier, die vorwiegend in der Fastenzeit vor Ostern gestaltet werden. Überliefert sind bei den Sorben vier Verzierungstechniken: die Wachsreservetechnik, die Wachsbossiertechnik, die Kratztechnik und die Ätztechnik. Die zweisprachige Lausitz zählt heute zu jenen Gebieten in Europa, wo Ostereier traditionell am Karfreitag in den Familien verziert werden. Das „Eiermalen“ (obersorb. jejka pisać) zählt zu den bekanntesten sorbischen Osterbräuchen; durch Ostereiermärkte und Souvenirläden wurde es nach 1989 zum Hobby-Kunsthandwerk mit kommerziellem Hintergrund.

Das Ei gilt allgemein als Symbol des Lebens, der Fruchtbarkeit und der Kraft. Diese Bedeutung ergibt sich aus der Auffassung, dass alles Leben aus dem Ei entstanden sei, weshalb man gern vom Welten-Ei spricht. So spielt das Ei in den Überlieferungen vieler Völker eine Rolle. Unbekannt ist, seit wann Eier verziert werden. Nachdem das Zinsei im Mittelalter Teil der Jahressteuer für die Feudalherrn oder die Klöster wurde, entwickelte sich daraus allmählich der Brauch des Eierverschenkens. Zuerst beschenkte man Mönche, später auch Kinder, Lehrer, Pfarrer oder Dienstboten. Seit der Reformation ist es üblich, Patenkindern zwischen Gründonnerstag und Ostern Eier zu überreichen. Diese Sitte hat sich bei den Sorben bis heute erhalten. In der evangelischen mittleren Lausitz und der Niederlausitz besuchen die Kinder dazu ihre Paten, in anderen Regionen ist es meist umgekehrt. In der katholischen Region erhalten Patenkinder als Geschenk den „Gründonnerstag“, darunter verzierte Ostereier.

Ostereierverzieren in Trebendorf, 1956; Fotograf: Błažij Nawka, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Die älteste und verbreitetste Technik ist die Wachsreservetechnik, die der Batiktechnik in der Textilgestaltung entspricht. Mit einer Stecknadelkuppe und zurechtgeschnittenen Federkielen wird heißes Wachs auf das Ei aufgetragen, das danach ins Farbbad getaucht wird. Dieser Vorgang kann mehrmals wiederholt werden, sodass mehrfarbige Muster erscheinen, wenn man anschließend das Wachs an einer Kerze schmelzen lässt und mit einem Läppchen abwischt. Bei der Wachsbossiertechnik, die fast in Vergessenheit geraten war und erst seit den 1990er Jahren wieder intensiv in Gebrauch ist, wird heißes, meist farbiges Wachs auf das naturbelassene oder gefärbte Ei aufgetupft. Dort bleibt es als Schmuckelement sichtbar. Bei der Kratztechnik werden mit einem scharfen Gegenstand (Messer, Feile oder Bohrer) Muster in das zuvor kräftig gefärbte Ei eingekratzt. Sie gleichen feinen, filigranen Zeichnungen und zeigen unterschiedliche, individuell variable Ornamente. Älter als die Kratztechnik ist die aufwendige Ätztechnik, die Ende des 20. Jh. stark zurückgegangen ist. Dabei werden mithilfe verdünnter Säure durch einen Gänsefederkiel oder eine Stahlfeder Muster in die schwache Farbschicht geätzt. Nach jedem Strich muss die überschüssige Säure rasch mit einem Tuch abgetupft werden, damit sie nicht auf dem Ei verläuft.

Von alters her wurde das Ei gefärbt. Schon die alten Ägypter, Chinesen und Perser kannten gefärbte Eier, sie feierten z. B. das neue Jahr als „Fest des roten Eis“. Da Rot eine alte Kult- und Opferfarbe ist, gilt die Rotfärbung seit Jahrhunderten als die einfachste symbolische Verzierung. Bei den Sorben hieß noch im 19. Jh. die Sitte, bei Paten das Ostergeschenk abzuholen, „nach den roten Eiern gehen“ (niedersorb. pó cerwjene jaja hyś); in der Umgebung von Cottbus war dies bis nach 1945 üblich. Spätere schriftliche Überlieferungen sprechen nur von gefärbten Eiern (pisane jejka), meist in Gelb, Rot, Grün und Violett. Ähnlich wie dort werden auch bei den Sorben seit jeher Naturstoffe wie Zwiebelschalen, Heidelbeeren, Brennnesseln oder Rotbuche zum Färben benutzt. Heute werden zudem Farbhölzer verwendet, ebenso lichtechte chemische Farben, die kaum verblassen. Gekochte Ostereier, die zum Verzehr bestimmt sind, werden nur mit speziellen ungiftigen Eierfarben oder Naturstoffen gefärbt.

Wachreservetechnik

Kratztechnik

Ätztechnik

Die Kraft des Eis als magisches Symbol sollte durch Ornamente gesteigert werden. Dabei gewannen überlieferte Zeichen, die zu Reihen kombiniert wurden, oft tiefere Bedeutung. Heute werden zu heidnischer und christlicher Symbolik gern persönliche Varianten hinzugefügt. Aus der Vielfalt der Möglichkeiten haben sich v. a. stilisierte geometrische Formen behauptet. Sorbische Ostereier sind auf Symmetrie, Harmonie, Rhythmik und Gleichgewicht ausgerichtet. Das geometrische Ornament ist das älteste und findet sich bei den Wachstechniken in den Grundformen Linie, Dreieck, Rhombus und Kreis. Die Darstellung der Sonne als Quelle von Licht und Leben zählt in Form des Sonnenrads oder des Strahlenbündels zu den ältesten und häufigsten Symbolen. Dreiecke stehen für verschiedene Formen der Dreieinigkeit, die z. B. die göttliche Trinität oder die Familie versinnbildlichen. Dies ist etwa in folgender Ornamentkette sichtbar: Das Sonnenrad wird von einer Reihe aus Dreiecken, die im Volksmund auch Wolfszähne genannt werden, umschlossen. Das Lebensglück (die Sonne) wird damit symbolisch geschützt. Die Kombination verschiedener Symbole ergibt jeweils ein Grundmotiv: den Wunsch nach Glück und Liebe sowie nach Schutz vor dem Bösen. Das stilisierte Ornament dominiert in der Kratz- und Ätztechnik, besonders bei der Darstellung von Blumen, Ranken, Rosetten, Sternen und im sog. Lebensbaum als Sinnbild für Fruchtbarkeit und Wachstum. Als christliche Ostersymbole werden gern Lamm und Kreuz verwendet. In der naturalistischen Ornamentik erscheinen Schnee- und Maiglöckchen, mitunter ganze Jagdszenen mit Rehen, Hasen, Vögeln oder sogar Bienen. In einigen Teilen der Lausitz war es früher üblich, einen Spruch auf das Ei zu kratzen, namentlich gute Wünsche zum Osterfest oder sorbische Sprichwörter.

Seit Mitte des 20. Jh. haben sich Muster und Farben gewandelt. Dazu hat besonders der vom Haus für sorbische Volkskunst und anderen Institutionen ab 1951 in Bautzen ausgeschriebene Wettbewerb „Schönstes sorbisches Osterei“ beigetragen. Die regionale Spezifik in der Gestaltung ist dabei gewahrt und gefestigt worden. Seit 1991 wird der Wettbewerb vom Förderkreis für sorbische Volkskultur im Bautzener Haus der Sorben in Verbindung mit dem „Sorbischen Ostereiermarkt“ fünf Wochen vor Ostern durchgeführt. Weitere Lausitzer Ostermärkte finden in der Fastenzeit u. a. in Lübbenau, Hoyerswerda, Schleife, Neuwiese, Sabrodt und Halbendorf statt. Vielfältige Anregungen vermittelte seit der ersten Ausstellung 1983 auch die Sorbische Webstube in Drebkau bei Cottbus, die unterdessen ca. 3 000 Eier aus mehr als 50 Ländern, davon ca. 1 200 in den sorbischen Verziertechniken, in einer Sammlung vereint.

Lit.: L. Balke: Das Ei: Vom Kultgegenstand zum Souvenir. Unter besonderer Berücksichtigung der sorbischen Ostereier, in: I. Ziehe: Rund und schön. 10 Jahre Europäischer Ostermarkt, Berlin 2003; J.-M. Čornakec: Kleine sorbische Ostereierfibel, 7. Auflage, Bautzen 2010.

Metadaten

Titel
Ostereier
Titel
Ostereier
Autor:in
Zschornak, Eva-Maria
Autor:in
Zschornak, Eva-Maria
Schlagwörter
Ostern; Osterei; Tradition; Ornament; Volkskunst; Symbole; Brauchtum; Osterbrauch
Schlagwörter
Ostern; Osterei; Tradition; Ornament; Volkskunst; Symbole; Brauchtum; Osterbrauch
Abstract

Kunstvoll verzierte und geschmückte Hühner- oder andere Eier, die vorwiegend in der Fastenzeit vor Ostern gestaltet werden. Überliefert sind bei den Sorben vier Verzierungstechniken: die Wachsreservetechnik, die Wachsbossiertechnik, die Kratztechnik und die Ätztechnik.

Abstract

Kunstvoll verzierte und geschmückte Hühner- oder andere Eier, die vorwiegend in der Fastenzeit vor Ostern gestaltet werden. Überliefert sind bei den Sorben vier Verzierungstechniken: die Wachsreservetechnik, die Wachsbossiertechnik, die Kratztechnik und die Ätztechnik.

Enthalten in Sammlung
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Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
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