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Kretscham
von Sigmund Musiat

Wirtshaus oder Gasthof für Veranstaltungen auf dem Lande, v. a. östlich der Elbe, namentlich in der Oberlausitz (obersorb. korčma, niedersorb. kjarcma, poln. karczma, tschech. krčma). Der Kretscham war bis Mitte des 19. Jh. oft Sitz des mit der Schankgerechtigkeit ausgestatteten Schultheißen und Ort des Patrimonialgerichts, das meist mit einem Rittergut verbunden war (daher auch die Namen „Gerichtskretscham“ bzw. „Erbgericht“).

Kretscham in Kunnersdorf, 2015; Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Schoepstal_Kunnersdorf_Gerichtskretscham.jpg

Der im Kretscham ansässige Erbrichter bzw. Gerichtshalter oder Schulze (Kretschmer) verantwortete vor der Feudalherrschaft die Anliegen der dörflichen Gemeinschaft, speziell die Pflichten der Verwaltung und der niederen Gerichtsbarkeit; er veranlasste die Erhebung von Steuern und Abgaben, sorgte für Einquartierung des Militärs, war zuständig für die Wartung öffentlicher Straßen und Gewässer. Zudem besaß er (begrenzt) die Rechte zum Bierbrauen und Branntweinbrennen, zum alleinigen Bier- und Branntweinausschank, zum Beherbergen von Reisenden sowie Backen und Schlachten. Ihm oblag die fremdenpolizeiliche Kontrolle der Reisepässe und die Anzeige verdächtiger Personen. Innerhalb der Gemeinde nutzte er das Privileg, Hochzeiten und Kindtaufen auszurichten, weshalb jede Hochzeitsgesellschaft nach der Trauung zum Bierzug in den Kretscham verpflichtet war.

Materiell abgesichert war der Kretschmer durch ein großes Bauerngut, Anteile aus den erhobenen Geld- und Sachbußen sowie Einkommen aus Straßenausschank und Gasthausumsatz. Unterstützt und vertreten wurde er von Gerichtsschöffen, in der Lausitz u. a. dann, wenn er die Dorfgerichte nicht in der sorbischen Umgangssprache führen konnte. Die Privatgerichtsbarkeit wurde 1877 in Deutschland endgültig abgeschafft.

Lit.: W. Boelcke: Bauer und Gutsherr in der Oberlausitz, Bautzen 1957; H. Schuster-Šewc: Krajny sudniski stoł serbskeho wobkruha abo Fojtske wěco w Hodźiju, in: Rozhlad 56 (2006) 5; W. Wenzel: Slawische Zunamen aus Bezeichnungen für den Gastwirt im Deutschen. Unter besonderer Berücksichtigung des Sorbischen, in: Zunamen. Zeitschrift für Namenforschung 5

Metadaten

Titel
Kretscham
Titel
Kretscham
Autor:in
Musiat, Sigmund
Autor:in
Musiat, Sigmund
Schlagwörter
Gasthaus; Mahlzeit; Getränk; Gerichtsbarkeit; Braurecht; Herberge
Schlagwörter
Gasthaus; Mahlzeit; Getränk; Gerichtsbarkeit; Braurecht; Herberge
Abstract

Wirtshaus oder Gasthof für Veranstaltungen auf dem Lande, v. a. östlich der Elbe, namentlich in der Oberlausitz. Der Kretscham war bis Mitte des 19. Jh. oft Sitz des mit der Schankgerechtigkeit ausgestatteten Schultheißen und Ort des Patrimonialgerichts, das meist mit einem Rittergut verbunden war.

Abstract

Wirtshaus oder Gasthof für Veranstaltungen auf dem Lande, v. a. östlich der Elbe, namentlich in der Oberlausitz. Der Kretscham war bis Mitte des 19. Jh. oft Sitz des mit der Schankgerechtigkeit ausgestatteten Schultheißen und Ort des Patrimonialgerichts, das meist mit einem Rittergut verbunden war.

Enthalten in Sammlung
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Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
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