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Sprachen­politik
von Ludwig Ela

Politische AktivitĂ€ten, die auf Status, Funktion und Verbreitung von Sprachen im öffentlichen Raum gerichtet sind, etwa auf die Rolle einer Sprache in den internationalen Beziehungen (z. B. Festlegung der Sprachen internationaler Institutionen und Dokumente, Regelungen zu Amtssprachen der EuropĂ€ischen Union). Im Unterschied zu Sprachpolitik betrifft Sprachenpolitik das VerhĂ€ltnis mehrerer Sprachen zueinander.

Hinsichtlich autochthoner Minderheitensprachen kann Sprachenpolitik als Teilbereich der Minderheitenpolitik gesehen werden, sie kann dabei auf Erhalt, Entwicklung und Revitalisierung oder aber auf Assimilation abzielen. Sprachenpolitik wird klassifiziert als „offizielle Sprachenpolitik“, „Schul-Sprachenpolitik“ und „allgemeine Sprachenpolitik“. Offizielle Sprachenpolitik umfasst Entscheidungen der Legislative, die den grundsĂ€tzlichen Status definieren (etwa als zusĂ€tzliche Staatssprache, Amtssprache, Gerichtssprache), gesetzlich fixieren und die reprĂ€sentative Verwendung erlauben, fördern, einschrĂ€nken oder unterbinden (zweisprachige Dokumente, topografische Benennungen usw.). Schul-Sprachenpolitik befasst sich mit der Frage, ob und wie Minderheitensprachen als Fach bzw. Unterrichtsmedium im öffentlichen Schulwesen eingesetzt werden. Daraus ergeben sich Konsequenzen z. B. fĂŒr Schulnetzplanung, Lehrerausbildung, Lehrmittel- und Lehrbuchproduktion (→ Schule). Allgemeine Sprachenpolitik bezieht sich auf die Zulassung bzw. Förderung des Gebrauchs von Minderheitensprachen in sonstigen gemeinschaftlichen SphĂ€ren. Hierzu zĂ€hlen etwa die Medien, die öffentliche Verwaltung, die private Wirtschaft und die mit sprachlicher Kommunikation verbundene Kulturpolitik. Diese Sprachenpolitik erhielt 1992 mit Annahme der EuropĂ€ischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen durch den Europarat eine internationale Dimension (in der Bundesrepublik seit 1999 rechtskrĂ€ftig). Minderheitensprachen gehören demnach zum kulturellen Reichtum Europas, das Recht auf ihren privaten und öffentlichen Gebrauch gilt als unverĂ€ußerliches Menschenrecht. Die Charta orientiert darauf, Minderheitensprachen durch Maßnahmen in Bildung, Justiz, Verwaltung, Medien, Kultur und Wirtschaft zu schĂŒtzen und zu fördern.

Erste zweisprachige Ortschilder in der Niederlausitz, 1951; Fotograf: Kurt Heine, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Die Sprachenpolitik gegenĂŒber den Lausitzer Sorben war vor 1945 ĂŒberwiegend auf deren Germanisierung ausgerichtet. Dieses Ziel sollte weniger durch Sprachverbote erreicht werden, als vielmehr durch GeringschĂ€tzung oder fehlende UnterstĂŒtzung des Sorbischen. Gefördert wurden hingegen Maßnahmen, die die sorbische Sprache aus dem öffentlichen Raum verdrĂ€ngten und ihr Prestige minderten. Systematisch gestĂ€rkt wurde die Rolle einflussreicher Multiplikatoren der deutschen Sprache samt einer antisorbischen Ideologie bei Amts- und FunktionstrĂ€gern. Geduldet wurde die Verwendung der sorbischen Sprache im Rahmen privatrechtlicher AktivitĂ€ten (→ Vereinswesen, Medien, kulturelle Initiativen). In der Schule wurde berĂŒcksichtigt, dass in einigen Regionen SchulanfĂ€nger bis Mitte des 20. Jh. im Alltag nur sorbisch sprachen und in zahlreichen evangelischen und katholischen Kirchgemeinden bei der ReligionsausĂŒbung die sorbische Sprache verwendet wurde. Daher wurde an Volksschulen, vornehmlich in der sĂ€chsischen Oberlausitz, sorbischer Sprachunterricht erteilt. In der NS-Zeit wurde er 1937/38 abgeschafft.

Zweisprachige Ortstafeln in der Oberlausitz, 2019; Fotografin: Anja Pohontsch, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Der Übergang zur kompensatorischen, d. h. fördernden Minderheitenpolitik nach 1945 war mit einem grundsĂ€tzlichen Wandel in der Sprachenpolitik verbunden. Mit dem sĂ€chsischen Gesetz zur Wahrung der Rechte der sorbischen Bevölkerung von 1948 (→ Sorbengesetze) sowie mit Artikel 11 der Verfassung der DDR von 1949 erhielt die sorbische Sprache den Status einer regionalen zweiten Amtssprache. Es folgten weitere sprachenrechtliche Verordnungen und BeschlĂŒsse (bes. Regelungen fĂŒr den Schulunterricht, fĂŒr Presse und Rundfunk, zweisprachige amtliche Dokumente und topografische Bezeichnungen, Einrichtung staatlicher kultureller und wissenschaftlicher Institutionen).

Die Bundesrepublik Deutschland sieht im Schutz der autochthonen Minderheiten und ihrer Sprachen einen Beitrag zur Wahrung der IdentitĂ€t, zur Sicherung des kulturellen Erbes und der innerstaatlichen VerstĂ€ndigung. Im sorbischen Siedlungsgebiet Sachsens und Brandenburgs sollen die BĂŒrger zum Gebrauch der Minderheitssprache ermutigt werden; sie können sich vor Gericht und bei Behörden der sorbischen Sprache bedienen, ohne dadurch Nachteile zu erleiden. Sorbischer Schulunterricht, sorbische Medien und sorbischsprachige kulturelle AktivitĂ€ten werden unterstĂŒtzt. Amtliche Aufschriften sollen die Zweisprachigkeit betonen. Die Sprachenpolitik der Domowina zielt auf Statuserhöhung, Wahrnehmung der Anwendungsmöglichkeiten und Revitalisierung der Sprache (→ Witaj-Modellprojekt). Besonderes Augenmerk gilt dabei der vorschulischen und schulischen Bildung.

Lit.: L. Elle: Sprachenpolitik in der Lausitz. Eine Dokumentation 1949–1989, Bautzen 1995; Serbơćina. Najnowsze dzieje językĂłw sƂowiaƄskich, Red. H. Faska, Opole 1998; Erster Bericht der Bundesrepublik Deutschland gemĂ€ĂŸ Artikel 15 Absatz 1 der EuropĂ€ischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, [Berlin] 2000; Zweiter Bericht der Bundesrepublik Deutschland gemĂ€ĂŸ Artikel 15 Absatz 1 der EuropĂ€ischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, [Berlin] 2003; L. Elle: Die EuropĂ€ische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen und die Sprachenpolitik in der Lausitz, Bautzen 2004; E. Pech: Ein Staat – eine Sprache? Deutsche Bildungspolitik und autochthone Minderheiten im 20. Jahrhundert, Bautzen 2012.

Metadaten

Titel
Sprachen­politik
Titel
Sprachen­politik
Autor:in
Ela, Ludwig
Autor:in
Ela, Ludwig
Schlagwörter
Minderheitenpolitik; Sorben; Lausitz; Sprachverbote; Sorbengesetz
Schlagwörter
Minderheitenpolitik; Sorben; Lausitz; Sprachverbote; Sorbengesetz
Abstract

Politische AktivitÀten, die auf Status, Funktion und Verbreitung von Sprachen im öffentlichen Raum gerichtet sind, etwa auf die Rolle einer Sprache in den internationalen Beziehungen.

Abstract

Politische AktivitÀten, die auf Status, Funktion und Verbreitung von Sprachen im öffentlichen Raum gerichtet sind, etwa auf die Rolle einer Sprache in den internationalen Beziehungen.

Enthalten in Sammlung
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Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
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