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Wendisches Haus in Bautzen/​Serbski dom
von Hans Mirtschin

Spendenliste für die Finanzierung des Baus; Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Erstes, 1897–1904 erbautes Vereinshaus der wissenschaftlich-kulturellen Gesellschaft Maćica Serbska in Bautzen. Es diente bis zum Betätigungsverbot der Domowina 1937 als Zentrum des sorbischen Vereinswesens. 1945 wurde es zerstört und am alten Ort nicht wieder aufgebaut. Sein Nachfolgebau ist das Haus der Sorben am Bautzener Postplatz.

Nach Gründung der Maćica Serbska 1847 entstand bei den Mitgliedern der Wunsch nach einem eigenen Vereinshaus. Durch Erwerb eines Grundstücks am Schulgraben (heute Lauengraben) in Bautzen tat Jan Arnošt Smoler 1873 einen ersten Schritt zu dessen Erfüllung. Er bemühte sich auch um die finanziellen Mittel für das Vorhaben. Zweck seiner Russlandreisen zwischen 1859 und 1883 war es nicht zuletzt, die russischen Freunde der Sorben um Unterstützung zu bitten (→ slawische Wechselseitigkeit).

»Die sorbischen Vereine, die sich über die sächsische und preußische Lausitz erstrecken, bedürfen aber eines gemeinsamen Mittelpunkts, um ihre gemeinnützigen Ziele ersprießlich erstreben zu können« (Baugenehmigungsantrag an den Bautzener Stadtrat). Ziele waren die »materielle und sittliche Hebung des Volkes« und die »Abwehr der staatsgefährlichen Bestrebungen der Neuzeit«. Dem Vorstand der Maćica schwebte ein reiner Zweckbau vor, der die Raumbedürfnisse der Gesellschaft sowie anderer sorbischer Vereine zu befriedigen vermochte. Durch Vermietung von Wohnungen und Läden sollten Baukosten und Unterhalt des Gebäudes ausgeglichen werden. Ein erster Entwurf im Renaissancestil stammte vom Baumeister Xaver Mauerer aus Bautzen.

Wendisches Haus am Lauengraben nach der Fertigstellung 1904; Postkarte, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Realisiert wurde schließlich der Entwurf des Dresdener Architekten August Grothe. Die Zusammenarbeit vermittelte Arnošt Muka, sie ging aus der gemeinsamen Tätigkeit beim Aufbau des »Wendischen Dorfes« zur Ausstellung des Sächsischen Handwerks und Kunstgewerbes in Dresden 1896 hervor. Die Gestaltung der floral geschmückten Fassade in Formen der Frührenaissance entsprach dem historischen Stadtbild Bautzens »in würdiger Weise« (Landbaurat Karl Schmidt). Durch drei große Giebelhäuser und einen Eckturm wurde die Verbindung zur Dachlandschaft der Stadt hergestellt. In den Pfeilern stiegen Rosen, stilisierte Garten-, Wald- und Wiesenblumen auf, in den Ranken saßen Vögel. So ergab sich ein Bild des Blühens und organischen Wachsens. Gestalterische Höhepunkte waren die Giebel, in denen sorbische Linden (→ nationale Symbole) aus unter Bändern sichtbarem Wurzelwerk hervorwuchsen. Das Laub umschloss Schilder mit dem Lausitzer Wappen, mit Kreuz und Bibel und einer Rose als Symbol der Liebe. Ein Bienenkorb symbolisierte Fleiß, Ähren das Bauerntum. Auf den Bändern stand in goldenen Lettern: »Serbski dom« (Wendisches Haus), »Bohu k česći, Serbam k wužitku!« (Gott zur Ehre, den Sorben zum Nutzen!) und »Trać dyrbi Serbstwo zawostać!« (Ewig währen soll das Sorbentum!). Im Mittelgiebel wurde die Firstsäule eines sorbischen Bauernhauses nachgebildet. Auf der Folie bürgerlicher Respektabilität wurde in symbolischen Bildern Bilanz der nationalen Wiedergeburt gezogen und eine Hoffnung für die Zukunft angedeutet.

Café im Wendischen Haus, 1935; Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Ruine des wendischen Hauses, 1945; Fotograf: Jurij Kubaš, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Die Einweihung des Hauses erfolgte am 26.9.1904, die des Festsaals 1909. Nach den Vorstellungen Mukas wurde Letzterer mit Porträts sorbischer Patrioten der Wiedergeburtszeit geschmückt. Das Haus beherbergte ein Archiv (→ Sorbisches Kulturarchiv / Serbski kulturny archiw, die Bibliothek der Maćica Serbska, das Wendische Museum in Bautzen, Büros, Schmalers Verlag und Druckerei, eine Buchhandlung sowie ein Café. 1941, vier Jahre nach dem Betätigungsverbot von 1937, konfiszierten die Nationalsozialisten das Haus und sein Inventar. Bibliothek, Museum und Archiv wurden geschlossen, die Bestände teilweise an städtische Einrichtungen übergeben. Am 22.4.1945 fiel das Wendische Haus einer strategischen Brandlegung und zugleich einem Bombenangriff zum Opfer.

Lit.: J. Bryl: Serbski dom w Budyšinje, Budyšin 1924; L. Bejmina: Ze stawiznow Serbskeho doma w Budyšinje. Projekt, natwar a kulturnopolitiska funkcija (1873–1956) – přinošk k přeslědźenju kulturnohistoriskich tradicijow serbskeho narodneho hibanja, Lipsk 1982 (Dipl.-Arbeit); H. Mirtschin: Zwischen Symbolismus und Heimatkunst. Zur Ikonographie des ersten Wendischen Hauses (Serbski dom) in Bautzen, in: Lĕtopis 40 (1993) 2; M. Mirtschin: Bildnisse sorbischer Persönlichkeiten von der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg – Zeugnisse bürgerlichen Werteverhaltens, in: Zwischen Zwang und Beistand. Deutsche Politik gegenüber den Sorben vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart, Hg. E. Pech/​D. Scholze, Bautzen 2003.

Metadaten

Titel
Wendisches Haus in Bautzen/​Serbski dom
Titel
Wendisches Haus in Bautzen/​Serbski dom
Autor:in
Mirtschin, Hans
Autor:in
Mirtschin, Hans
Schlagwörter
Vereinshaus; Gebäude
Schlagwörter
Vereinshaus; Gebäude
Abstract

Erstes, 1897–1904 erbautes Vereinshaus der wissenschaftlich-kulturellen Gesellschaft Maćica Serbska in Bautzen. Es diente bis zum Betätigungsverbot der Domowina 1937 als Zentrum des sorbischen Vereinswesens. 1945 wurde es zerstört und am alten Ort nicht wieder aufgebaut. Sein Nachfolgebau ist das Haus der Sorben am Bautzener Postplatz.

Abstract

Erstes, 1897–1904 erbautes Vereinshaus der wissenschaftlich-kulturellen Gesellschaft Maćica Serbska in Bautzen. Es diente bis zum Betätigungsverbot der Domowina 1937 als Zentrum des sorbischen Vereinswesens. 1945 wurde es zerstört und am alten Ort nicht wieder aufgebaut. Sein Nachfolgebau ist das Haus der Sorben am Bautzener Postplatz.

Enthalten in Sammlung
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Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
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