XS
SM
MD
LG
XL
XXL
🌐
Witaj-Modell­projekt
von Ludmila Budarjowa

Konzept zur Förderung und Revitalisierung der sorbischen Sprache bei Kindern unter Anwendung der Immersionsmethode; das sorbische Wort Witaj heißt ,Willkommen‘. Immersion (auch „Sprachbad“) ist eine Form des frĂŒhen Zweitspracherwerbs unter institutionellen Bedingungen (→ Spracherwerb). Die Methode wurde zuerst in Kanada erprobt und von den Bretonen in Frankreich in den 1970er Jahren ĂŒbernommen, woraus dort die DIWAN-Bewegung hervorging. Der Sorbische Schulverein e. V. griff die Idee des immersiven Lernens in den 1990er Jahren auf und schuf die Konzeption fĂŒr das Witaj-Modellprojekt. Es ist vorrangig fĂŒr Kinder aus ElternhĂ€usern gedacht, deren Muttersprache nicht Sorbisch ist. Dabei wird das Rollenprinzip „eine Person – eine Sprache“ angewandt; die Bezugsperson in der KindertagesstĂ€tte spricht mit den Kindern Sorbisch, unabhĂ€ngig davon, ob die Eltern Deutsch oder eine andere Sprache sprechen. Die Kinder werden so auf natĂŒrliche Weise zweisprachig sozialisiert.

Bei der vollstĂ€ndigen Immersion sprechen alle Erzieherinnen wĂ€hrend der gesamten Betreuungszeit Sorbisch. In Witaj-KindertagesstĂ€tten gilt dieses Prinzip durchweg. Bei der partiellen oder teilweisen Immersion lernen einige Kinder in einer oder mehreren Gruppen Sorbisch. Dabei beherrschen meist nur die fĂŒr die Witaj-Gruppen verantwortlichen Erzieherinnen die sorbische Sprache.

Der Sorbische Schulverein fĂŒhrte 1998 in der Witaj-KindertagesstĂ€tte „Mato Rizo“ in Sielow (Cottbus) erstmalig im sorbischen Siedlungsgebiet das Witaj-Modellprojekt bei einer Gruppe von zwölf Kindern ein. Es folgten 1999 die Witaj-KindertagesstĂ€tten in Dörgenhausen und Rohne, 2000 in Malschwitz und 2002 in Cottbus-Mitte. Da nicht jedes Kind aus einer sorbischen oder gemischtsprachigen Ehe in der Familie das Sorbische erlernt, gewinnt die institutionelle Anwendung der vollstĂ€ndigen Immersion an Bedeutung. Sie wird daher auch in den sorbischen KindergĂ€rten Crostwitz, Ralbitz und Ostro fĂŒr einzelne Kinder mit nicht sorbischer Muttersprache angewendet. Ein Ă€hnliches Prinzip des Spracherwerbs hat in diesen Einrichtungen bereits Tradition. Seit 1999 grĂŒndeten weitere freie und kommunale TrĂ€ger Witaj-Gruppen in deutschen bzw. sorbischen KindertagesstĂ€tten (u. a. in Vetschau, Straupitz, Burg (Spreewald) und JĂ€nschwalde in der Niederlausitz; in Bautzen, Panschwitz-Kuckau, Hochkirch und Königswartha in der Oberlausitz).

In den Witaj-KindertagesstĂ€tten und Witaj-Gruppen lernen die Kinder Ober- bzw. Niedersorbisch zeitlich versetzt zur Erstsprache Deutsch. Zwecks altersgerecht ausgewogener sorbisch-deutscher Zweisprachigkeit bis zum Schuleintritt wird fĂŒr muttersprachlich sorbische Kinder in den KindertagesstĂ€tten Ralbitz und Crostwitz die deutsche Sprache punktuell und personengebunden vermittelt. In Sachsen ist das Witaj-Modellprojekt auf die vorschulische Bildung und Erziehung beschrĂ€nkt. In der Schule wird das Sorbische im Rahmen der schulartĂŒbergreifenden Konzeption 2plus als Unterrichtssprache bzw. durch bilinguale Module im Sach-/​Fachunterricht vermittelt. In Brandenburg hat sich der Begriff Witaj auch in der Schule etabliert: Witaj-Klasse, Witaj-Unterricht, Witaj-SchĂŒler.

Lehr- und Lernmittel sowie Projekte zur UnterstĂŒtzung des sorbisch-deutschen Spracherwerbs werden u. a. vom WITAJ-Sprachzentrum der Domowina, vom Domowina-Verlag, von der Arbeitsstelle fĂŒr sorbische (wendische) Bildungsentwicklung Cottbus, dem SĂ€chsischen Bildungsinstitut in Radebeul und dem Sorbischen Schulverein entwickelt und herausgegeben. Zur Qualifikation der Erzieherinnen in Witaj-KindergĂ€rten und Witaj-Gruppen werden auch regionale Angebote genutzt. Elterntreffen, Ganztagsangebote an den Schulen, Feriensprachlager, Sprach- und Kulturwettbewerbe sowie Familienfeste schaffen zusĂ€tzliche sorbische SprachrĂ€ume und dienen zugleich dem Erfahrungsaustausch.

Entscheidend fĂŒr den Erfolg des frĂŒhkindlichen sorbisch-deutschen Zweitspracherwerbs sind IntensitĂ€t, Konsequenz, Dauer und KontinuitĂ€t der Sprachvermittlung. Der Lernerfolg ist einerseits von den individuellen FĂ€higkeiten und Fertigkeiten der Kinder, andererseits von den gegebenen Rahmenbedingungen abhĂ€ngig.

Lit.: 20 Jahre Sorbischer Schulverein e. V., Hg. L. Budarjowa, Bautzen 2010; Das bilinguale Sprachprogramm WITAJ in der KindertagesstĂ€tte und in der Schule in der Niederlausitz. Einblicke und Ausblicke, Hg. M. Norberg, Bautzen 2006; Das WITAJ-Projekt in KindertagesstĂ€tten im Freistaat Sachsen – Zwischenbilanz und Ausblick in die Zukunft, Hg. J. KaulfĂŒrstowa, Bautzen 2008; L. Budar/​J. Schulz: Sorbisch lernen und lehren. Sprachstandsanalyse in ausgewĂ€hlten KindertagesstĂ€tten der Ober- und Niederlausitz, in: Witaj und 2plus – eine Herausforderung fĂŒr die Zukunft, Hg. L Budarjowa, Bautzen 2009. www.witaj-sprachzentrum.de; J. Schulz, Bilingualer Spracherwerb im Witaj-Projekt, Bautzen 2015; J. Schulz: Sorbisch, in: Handbuch Fremdsprachenunterricht, Hgg. Grit Burwitz-Melzer, Grit Mehlhorn u. a., TĂŒbingen 62016; 20 Jahre Witaj, Hg. L. Budarjowa, Bautzen 2018.

Metadaten

Titel
Witaj-Modell­projekt
Titel
Witaj-Modell­projekt
Autor:in
Budarjowa, Ludmila
Autor:in
Budarjowa, Ludmila
Schlagwörter
Spracherwerb; Sorbische Sprache(n); Obersorbisch; Niedersorbisch; Zweisprachigkeit; Domowina; Revitalisierung; Immersion (Fremdsprachenlernen); Kindergarten; Schule; Erstsprache; Zweitsprache; Sprache; Muttersprache
Schlagwörter
Spracherwerb; Sorbische Sprache(n); Obersorbisch; Niedersorbisch; Zweisprachigkeit; Domowina; Revitalisierung; Immersion (Fremdsprachenlernen); Kindergarten; Schule; Erstsprache; Zweitsprache; Sprache; Muttersprache
Abstract

Konzept zur Förderung und Revitalisierung der sorbischen Sprache bei Kindern unter Anwendung der Immersionsmethode; das sorbische Wort Witaj heißt ,Willkommen‘.

Abstract

Konzept zur Förderung und Revitalisierung der sorbischen Sprache bei Kindern unter Anwendung der Immersionsmethode; das sorbische Wort Witaj heißt ,Willkommen‘.

Enthalten in Sammlung
Enthalten in Sammlung
Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
Im Sorabicon 1.0 zu finden unter

Entdecke mehr

Wenden
BrĂŒdergemeine
BrÀuche
Weihnachts­brÀuche
Hexenbrennen
Wirtschaft