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BrÀuche
von Susanne Hose

Ritualisierte Handlungen mit zeichenhafter Wirkung, die regelmĂ€ĂŸig von lokalen bzw. regionalen, sozialen oder ethnischen Gemeinschaften vorgenommen werden. In der sorbischen Kulturgeschichte besitzen sie als Ausdruck nationaler und regionaler Zugehörigkeit grundlegende ReprĂ€sentationsfunktion. Die sozialwissenschaftliche Kategorie „Brauch“ erfĂ€hrt in der sorbischen Volkskunde besondere Beachtung.

Katholische Taufe, um 1950; Fotograf: Kurt Heine, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Strukturell können BrĂ€uche im Lebenslauf und im Jahreslauf unterschieden werden, hinzu kommen kirchliche und profane BrĂ€uche. Zu Ersteren gehören Rituale, die den Wechsel in einen neuen Lebensabschnitt oder sozialen Zustand bzw. die Aufnahme in eine Gemeinschaft markieren (Geburt und Taufe, Schuleingang, Erstkommunion, Konfirmation/​Firmung bzw. Jugendweihe, Tod und BegrĂ€bnis). Bei den Sorben hat die Hochzeit besondere Formen der Festkultur angenommen. Die BrĂ€uche im Jahreslauf wie WeihnachtsbrĂ€uche, Vogelhochzeit, Fastnacht, OsterbrĂ€uche, Hexenbrennen, BrĂ€uche um den Maibaum (→ Maibaumwerfen), Johannisreiten (→ Calauer Region), der niedersorbische Kokot und das Stollenreiten (→ ErntebrĂ€uche) sowie die Kirmes stehen in ritueller Verbindung mit den wiederkehrenden Jahreszeiten. Sie sind im Laufe der Überlieferung, die kein kontinuierlicher Prozess ist, institutionell – vor allem von Kirche und Staat – ĂŒberformt worden. Seit der Christianisierung gliedern die Termine des Kirchenkalenders den Jahreslauf, wobei diese sich zum großen Teil an den von Mond- und Sonnenlauf bestimmten vorchristlichen Festen orientieren. Die dĂŒrftigen Informationen ĂŒber die Religion der nordwestslawischen StĂ€mme erlauben keine gesicherten Aussagen, um die sorbischen BrĂ€uche aus der Mythologie herzuleiten, wenngleich etwa die zur Trauer getragene Farbe Weiß (→ Tracht), das UmherfĂŒhren von StrohbĂ€r und Schimmelreiter zur Vorweihnachtszeit oder Fastnacht, die Feuer zu Ostern und Walpurgis oder der Hahn bei den ErntebrĂ€uchen an Toten-, Opfer- und Fruchtbarkeitskulte erinnern. Zu BrĂŒchen kam es infolge der Reformation und des Trienter Konzils sowie der AufklĂ€rung und der Industrialisierung. Von den kirchlichen BrĂ€uchen (Segnungen, Weihen, Prozessionen) haben die katholischen Sorben (→ Katholische Region) mehr bewahrt als die evangelischen. In der Niederlausitz spielen die Fastnachts- und ErntebrĂ€uche eine identitĂ€tsstiftende Rolle.

Die BrĂ€uche im Jahreslauf strukturierten in der vormodernen Gesellschaft das öffentliche Leben v. a. der sorbischen Landbevölkerung. Die kirchliche und weltliche Obrigkeit griff, wie spĂ€ter die staatlichen Behörden, regulierend, reglementierend und privilegierend ein. So stand das wegen seiner sozialen Bedeutung durchaus erwĂŒnschte Heischen von Naturalien vor Fastenzeiten bzw. anlĂ€sslich von Schlachtfesten und der Kirmes zeitweise im Ruf der Bettelei. Gleichermaßen ambivalent war das VerhĂ€ltnis der Obrigkeit zur Spinnstube, einer der wichtigsten brauchgestaltenden Gemeinschaften im Dorf. Seit Ausgang des 19. Jh. ĂŒbernahmen Vereine (→ Vereinswesen) die TrĂ€gerschaft von BrĂ€uchen und Ă€ußerten mit deren Pflege ihr kulturell-ethnisches Anliegen. Die Nationalsozialisten erklĂ€rten „die Sitten und BrĂ€uche der Wenden“ zu ursprĂŒnglich deutschen BrĂ€uchen (→ NS-Zeit). Zur DDR-Zeit wurde ihnen als „Kultur der werktĂ€tigen Massen“ eine hohe Aufmerksamkeit zuteil. Mit der Institutionalisierung der sorbischen Kultur wurde die Verantwortung fĂŒr die Volkskultur der Domowina und dem Haus fĂŒr sorbische Volkskunst ĂŒbertragen. Seit der politischen Wende widmen sich neu gegrĂŒndete Heimatvereine der Pflege von BrĂ€uchen, was den BedĂŒrfnissen nach geselligen Traditionen und Freizeitgestaltung ebenso entspricht wie touristischen Nachfragen. Das Engagement, das vielfach von der Dorfjugend ausgeht, wird von der Domowina bzw. der Stiftung fĂŒr das sorbische Volk gefördert.

Konfirmation in Spreewitz, 1919; Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Eine umfassende handschriftliche Beschreibung sorbischer BrĂ€uche in der Oberlausitz lieferte Abraham Frencel in „Historia populi et rituum superioris Lusatiae“ (ca. 1720). AuszĂŒge daraus ĂŒbersetzte ArnoĆĄt Muka zur Veröffentlichung im „Časopis Maćicy Serbskeje“ (1880–1882). Quellenwert besitzen auch die Abhandlungen von Jan HĂłrčanski in den „Lausitzischen ProvinzialblĂ€ttern“ (1782) und von Jan ArnoĆĄt Smoler in „Volkslieder der Wenden in der Ober- und Nieder-Lausitz“ (1841/43), fĂŒr die Niederlausitz von Wilibald von Schulenburg (1880, 1882) und Karl Gander in den „Niederlausitzischen Mitteilungen“ (1890, 1899, 1901) und explizit fĂŒr die Schleifer Region die Berichte von Matej Handrik-Slepjanski im „Časopis Maćicy Serbskeje“ (1901/02). Edmund Schneeweis’ „Feste und VolksbrĂ€uche der Lausitzer Wenden“ (1931) bietet eine umfassende Darstellung sorbischer BrĂ€uche in Ober- und Niederlausitz, die alle bis dahin verstreut erschienenen BeitrĂ€ge zusammenfasst und auf eigenen empirischen Studien Ende der 1920er Jahre basiert.

Lit.: H. Fascyna/​J. Matschie: Sorbische BrĂ€uche, Bautzen 1992; H. M. Wolf: Das neue Brauch-Buch, Wien 2000.

Metadaten

Titel
BrÀuche
Titel
BrÀuche
Autor:in
Hose, Susanne
Autor:in
Hose, Susanne
Schlagwörter
Hahnrupfen; Hahnschlagen; Kokot; Stollenreiten; Stoppelreiten; Zapust; Fastnacht; Haus fĂŒr sorbische Volkskunst; Tracht; WeihnachtsbrĂ€uche; Volkskunde; Alltagskultur; Hexenbrennen; Maibaumwerfen; Ostern; Osterbrauch; Kirmes
Schlagwörter
Hahnrupfen; Hahnschlagen; Kokot; Stollenreiten; Stoppelreiten; Zapust; Fastnacht; Haus fĂŒr sorbische Volkskunst; Tracht; WeihnachtsbrĂ€uche; Volkskunde; Alltagskultur; Hexenbrennen; Maibaumwerfen; Ostern; Osterbrauch; Kirmes
Abstract

Ritualisierte Handlungen mit zeichenhafter Wirkung, die regelmĂ€ĂŸig von lokalen bzw. regionalen, sozialen oder ethnischen Gemeinschaften vorgenommen werden. In der sorbischen Kulturgeschichte besitzen sie als Ausdruck nationaler und regionaler Zugehörigkeit grundlegende ReprĂ€sentationsfunktion. Die sozialwissenschaftliche Kategorie „Brauch“ erfĂ€hrt in der sorbischen Volkskunde besondere Beachtung.

Abstract

Ritualisierte Handlungen mit zeichenhafter Wirkung, die regelmĂ€ĂŸig von lokalen bzw. regionalen, sozialen oder ethnischen Gemeinschaften vorgenommen werden. In der sorbischen Kulturgeschichte besitzen sie als Ausdruck nationaler und regionaler Zugehörigkeit grundlegende ReprĂ€sentationsfunktion. Die sozialwissenschaftliche Kategorie „Brauch“ erfĂ€hrt in der sorbischen Volkskunde besondere Beachtung.

Enthalten in Sammlung
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Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
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