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Film
von Toni Bruk

Kunstform, in der bewegte Bilder produziert werden. Sorbische Filme können Spiel- oder Dokumentarfilme mit künstlerischem Anspruch in ober- und niedersorbischer Sprache, Filme mit sorbischen Motiven, von Sorben produzierte Filme oder solche, in denen Sorbisches anklingt, sein. Die Verbreitung sorbischer Filme erfolgt durch Kinoaufführungen, Fernsehen und audiovisuelle Medien (Videos, CD, DVD usw.).

Den Anfang des sorbischen Films in der Weimarer Republik markieren etwa zehn Kultur- bzw. Dokumentarfilme mit Darstellungen sorbischen Brauchtums. 1925 entstand, bearbeitet durch den Dresdener Volkskundler Oskar Seyffert, der 60-Minuten-Film „Schaffendes Volk – Fröhliches Volk“. Anfangs sachlich und objektiv, veränderte sich der Charakter der Filme in den 1930er Jahren. Titel wie „Unbekanntes Wendenland“ (1930), „Volkstrachten aus dem Wendenlande“ (1930) und „Ostern in der Wendei“ (1930) wurden als Schulfilme verliehen. Die Begleittexte beschrieben sie als „romantisch“, „exotisch“ und „hinterwäldlerisch-verträumt“. Noch 1939 wurde von der Reichsstelle für den Unterrichtsfilm (RfdU) ein Film des Volkstumsfotografen Hans Retzlaff ediert, der unter dem Titel „Trachten der Oberlausitz“ in vier Sequenzen Sorbinnen in Schleifer und Hoyerswerdaer Tracht vorstellte. Die Charakterisierung, der Film liefere „nur einige Schlaglichter. Funktion und Lebenszusammenhang des Tragens von Trachten vermag er nicht darzustellen“ (Philipp 1987), ist auf andere Filme jener Zeit übertragbar.

Noch vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten entstanden in Zusammenarbeit zwischen dem späteren Pfarrer Herbert Cerna aus der Niederlausitz und dem Aktivisten tschechisch-sorbischer Zusammenarbeit Vladimír Zmeškal die kurzen 16-Millimeter-Dokumentationen „Serbski swjedźeń we Wětošowje“ (Sorbentreffen in Vetschau, um 1930), „Serbski kwas w Kulowskej wosadźe“ (Sorbische Hochzeit im Kirchspiel Wittichenau, 1930), „Bogumił Šwjela“ (1930), „Pohrjeb w Błótach“ bzw. „Zakopańe w Błotach“ (Beerdigung im Spreewald, 1931) und „Serbski Sokołski zjězd“ (Sorbisches Sokoł-Treffen, 1931).

Die Dokumentation sorbischen Lebens in allen Facetten erlebte nach dem Zweiten Weltkrieg einen Aufschwung. Beteiligt waren Amateurfilmer, so bei der Dokumentation einer Denkmalweihe in Königswartha oder beim Treffen sorbischer Jugendbrigaden 1948 in Uhyst (Spree). Seit den 1950er Jahren hat der Fotograf Kurt Heine im Auftrag der Domowina in 16-Millimeter-Kurzfilmen sorbisches Brauchtum aus allen Regionen sowie Persönlichkeiten und Ereignisse des sorbischen kulturellen Lebens dokumentiert. Sorbischem galt aber auch zunehmend die Aufmerksamkeit professioneller Filmdokumentaristen. Nach Gründung der DDR thematisierte das DDR-Filmunternehmen DEFA wiederholt die zweisprachige Lausitz. Es entstanden Reportagen über den Bau des Hauses der Sorben in Bautzen und über Erntebräuche im Spreewald (→ Bräuche). Die Wochenschau „Der Augenzeuge“ berichtete über die Sorben. Die DEFA-Studios für Kurz-, Dokumentar- und populärwissenschaftliche Filme in Berlin und Potsdam produzierten unter der Regie von Hans-Günter Kaden Kulturfilme für das Kino-Beiprogramm, die v. a. das sorbische Brauchtum betrafen, wie z. B. „Rockenstock und Zamperstrauß“ (Drehbuch: Měrćin Nowak-Njechorński, Musik: Jurij Winar, 1955) und „Hexennacht und Maientanz“ (1956). Die Vorführung einer Hochzeit aus dem Hoyerswerdaer Land unter dem Titel „Wenn Jan und Lenka Hochzeit machen“ (Szenarium: M. Nowak-Njechorński, Musik: J. Winar, 1955) wurde mit Bildern des Kombinats Schwarze Pumpe als Sinnbild für den Braunkohlenbergbau in der Lausitz unterlegt.

Kamerateam der DEFA bei Dreharbeiten zu einem Film über sorbische Frühlingsbräuche, 1956; Fotograf: Kurt Heine, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Die Dokumentation sorbischen Lebens, sorbischer Kultur und Geschichte hat sich bis in die Gegenwart fortgesetzt und mit dem Bedarf, der durch das Fernsehen gegeben war, eine quantitative und qualitative Ausweitung erfahren. Die Produzenten der Filme waren neben der DEFA die Fernsehstudios selbst sowie die in der Sorbischen Arbeitsgruppe Film und Fernsehen zusammengeschlossenen Amateure und professionellen Akteure. Seit 1976 unterstützte das Haus für sorbische Volkskunst in Bautzen mit eigenem Sektor für Fotografie und Film diese Gattung. Zwischen 1980 und 1990 wurden die Bemühungen um den sorbischen Film durch die bei der DEFA angesiedelte „Serbska filmowa skupina“ (Produktionsgruppe Sorbischer Film) institutionalisiert. Deren Arbeit wurde ab 1991 durch das „Sorabia-Film-Studio“ (Leitung: Toni Bruk) fortgeführt. Von der „Serbska filmowa skupina“ wurden 30 Dokumentar- und Kurzspielfilme mit sorbischer Thematik, teilweise in Koproduktion mit Filmstudios in Prag, Bratislava, Warschau, Łódź, Moskau und Ljubljana produziert. Filmische Dokumentationen zu sorbischen Themen entstanden auch durch Studios und Fernsehstationen außerhalb der Lausitz in Deutschland und in den slawischen Nachbarländern, aber auch veranlasst durch die Gesellschaft der Freunde der Sorben in Frankreich „Les Sorabes – derniers Slaves d’ Allemagne“ (Die letzen Slawen in Deutschland, Regie: Didier Autin, Szenarium: Jean Kudela, 1995). Zur Bilanz sorbischen Dokumentarfilmschaffens gehört auch die nach 1990 entstandene 13-teilige Videoserie für den Schulgebrauch „K stawiznam Serbow“ zur Geschichte der Sorben von den Anfängen bis zur Gegenwart (Regie: T. Bruk, Szenarium: Beno Budar, Jurij Krawža, Günter Mager).

Logo der Produktionsgruppe Sorbischer Film „Serbska filmowa skupina“

Spiel- und Kunstfilme sorbischer Provenienz waren erst unter den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs möglich. Zunehmend wurde zwischen Filmen über und für die Sorben unterschieden. Für Letztere ist der Kurzspielfilm „Wopyt“ („Unruhe“, 1984, Regie: T. Bruk, Szenarium: B. Budar) signifikant, der die Frage der Assimilation am Beispiel einzelner Generationen veranschaulicht. 1955 produzierte die DEFA nach der literarischen Vorlage von Jurij Brězan den Film „52 Wochen sind ein Jahr“ (Regie: Richard Groschopp, mit Hans Wehrl, Lotte Loebinger u. a.), in dem der Übergang zur genossenschaftlichen Produktion im Dorf thematisiert wurde. Die gesellschaftlichen und persönlichen Konflikte entwickeln sich vor dem romantisch ausgemalten Landschaftshintergrund der sorbischen Lausitz. Der Topos Landschaft ist auch bei den nachfolgenden Produktionen das konstituierende Moment sorbischer Filmsprache.

Dreharbeiten der DEFA-Produktionsgruppe Sorbischer Film, 1982; Sorabia Film-Studio

Nach literarischen Vorlagen von Brězan wurden vom Fernsehen der DDR „Die alte Jantschowa“ mit Mathilde Danegger in der Titelrolle (1968) und „Musen im Mäuseturm“ (1970) produziert. In „Struga – Bilder einer Landschaft“ (Regie: Konrad Herrmann, Drehbuch: Kito Lorenc, T. Bruk, 1972) wurde in einer melancholischen und symbolträchtigen Bildfolge die „Inselexistenz“ des sorbischen Ethnikums dargestellt. Die Gefährdung der sorbischen nationalen Existenz durch den fortwährenden Assimilationsprozess wurde in Filmen der 1980er und 1990er Jahre prononciert mit der Darstellung der Folgen der Industrialisierung der Lausitz im Gefolge des Braunkohlenbergbaus in eindrucksvollen Bildsequenzen verbunden, so im Filmessay „Rublak – Die Legende vom vermessenen Land“ (Regie: K. Herrmann, Drehbuch: Jurij Koch, 1983) oder im Spielfilm „Tanz auf der Kippe“ (Regie: Jürgen Brauer, literarische Vorlage: J. Koch, 1991). In der engagierten poetischen Lausitz-Trilogie „Hochwaldmärchen“ (1987), „Leben am Fließ“ (1989) und „Schmerzen der Lausitz“ (1990) (Regie und Szenarium: Peter Rocha) wurden die Verwerfungen in den angestammten sorbischen Lebensräumen durch die neuzeitliche industrielle Entwicklung zur Darstellung gebracht. In den beiden Filmen „Über der Kohle wohnt der Mensch“ (1994) und „Serbski són. Sich sorbisch trauen“ (2001/02) stellt Edmund Ballhaus Fragen mit kulturwissenschaftlichem Anspruch nach Heimat-, Kultur- und Identitätsverlusten.

Monothematische – meist ebenfalls im Fernsehen gezeigte – Filme waren nach 1990 u. a. auf historische Ereignisse gerichtet, etwa die Auswanderung von Sorben im 19. Jh. Nach dem Szenarium und unter der Regie von T. Bruk entstanden die Streifen „Serbja w Texasu“ („The Wendish Texans“, 1993), „Wird uns dort die Linde blühn – Sorben in Australien“ („Buźo-lic nam lipa kwisć – Serby w Awstralskej“, 1995) und „Hoffnung am Kap“ („Naźeja pśi Kapje“; „Nadźija nad Kapom“, 1996).

Zu Märchen und mythologischen Überlieferungen entstand eine Vielzahl von Filmen, die für Kinder oder Erwachsene konzipiert worden sind. „Bity njebiteho njese“ (Der Geschlagene trägt den Ungeschlagenen, Regie: Jan Hempel in Zusammenarbeit mit K. Heine, 1950) war der erste sorbische Puppentrickfilm. In Adaption der sorbischen Sagengestalt Krabat wurde bei der DEFA im Auftrag des Fernsehens der DDR der Film „Die Schwarze Mühle“ nach der literarischen Vorlage von J. Brězan (Regie: Celino Bleiweiß, 1975) produziert. Als tschechoslowakisch-deutsche (BRD) Gemeinschaftsproduktion entstand der Zeichentrickfilm „Der Zauberlehrling“ („Čarodejův učeň“, Regie: Karel Zeman, 1977) nach der literarischen Vorlage von Otfried Preußler, dem die Kritik eine „virtuose“ Umsetzung ohne „hektische Action- Dramaturgie“ bescheinigt hatte. Als Realverfilmung kam „Krabat“ 2008 in die Kinos (Regie: Marco Kreuzpaintner, als Krabat David Kross, nach der literarischen Vorlage von O. Preußler). 2011 produzierte Jörg Herrmann in Anlehnung an die Krabat- Sage den Silhouettenfilm für Kinder „Der siebente Rabe“ („Sedymy wron“, 2011; „Sedmy rapak“, 2012).

Jan Hempel beim Kulissenbau im Puppenspielstudio, 1950; Fotograf: Kurt Heine, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

1999–2005 entstanden vier Spielfilme für Kinder (Regie: jeweils T. Bruk), die entweder auf sorbische Märchenmotiven aufbauten wie „Tři pjeršćenje“ (Die drei Ringe) oder neu geschrieben wurden wie „Das Geheimnis der alten Mühle“, „Jasna a Krasna“ und „Lutki“.

Die sorbische Grafikerin Maja Nagelowa hat mit ihren gezeichneten Animationsfilmen „das erste mal“ (Musik: Gottfried Röszler, 1998), „augenblick“ (Musik: Juro Mětšk, 2006), „immerfort“ (Musik: J. Mětšk, 2010) neue Akzente im sorbischen Film gesetzt.

Eine besondere Bewertung verdienen die Filme, bei denen die Lausitz und die sorbischen Lebenswelten nur die Folien bilden, vor denen die mehr oder minder beliebigen Handlungsabläufe inszeniert wurden. Sie sind für die sorbische Kulturgeschichte insofern interessant, weil in ihnen, wenn auch nur indirekt und oft mit Verzeichnungen, Bilder der Lausitzer Landschaft sowie der Kultur und Lebensweise der Sorben vermittelt werden. Das früheste Beispiel ist der Stummfilm „Der fremde Vogel“ mit Asta Nielsen in der Hauptrolle (Regie: Urban Gad, 1911). Hans Steinhoff, der nach 1933 den „Hitlerjungen Quex“ inszeniert hat, war der Regisseur des Stummfilms „Das Spreewaldmädel“ (1928). Seit 2006 produziert das ZDF die Serie „Spreewaldkrimi“ nach Drehbüchern von Thomas Kirchner. Noch beim Fernsehen der DDR entstand 1990 die Serie „Spreewald-Familie“ von Renate Loewenberg und Dagobert Loewenberg.

Seit einigen Jahren ist das sorbische Filmerbe unter dem Thema Heimat/​domownja wiederholt Bestandteil des FilmFestivals Cottbus – Festival des osteuropäischen Films. Mit dem Ziel der Professionalisierung der regionalen Film-Branche und der Sichtbarmachung ihrer Produkte über die Region hinaus, gründete sich 2015 ein Netzwerk Lausitzer Filmschaffender (niedersorbisch Seś łužyskich filmarjow/​obersorbisch Syć łužiskich filmowcow).

Lit.: A. Krawc-Dźěwinski: Serbja a film, in: Rozhlad 23 (1973) 1; T. Bruk: Mysle k dźěłu na polu filmowstwa, in: Rozhlad 25 (1975) 6; C. G. Philipp: Deutsche Volkstrachten, Kunst- und Kulturgeschichte. Der Fotograf Hans Retzlaff, 1902-1965, Marburg 1987. www.luzyca-film.de

Metadaten

Titel
Film
Titel
Film
Autor:in
Bruk, Toni
Autor:in
Bruk, Toni
Schlagwörter
Film; Dokumentarfilm; Märchenfilm; Spielfilm; Regisseur; Szenarium; Kamera; Animationsfilm; Kunst; Dokumentation; Zeichentrickfilm
Schlagwörter
Film; Dokumentarfilm; Märchenfilm; Spielfilm; Regisseur; Szenarium; Kamera; Animationsfilm; Kunst; Dokumentation; Zeichentrickfilm
Abstract

Kunstform, in der bewegte Bilder produziert werden. Sorbische Filme können Spiel- oder Dokumentarfilme mit künstlerischem Anspruch in ober- und niedersorbischer Sprache, Filme mit sorbischen Motiven, von Sorben produzierte Filme oder solche, in denen Sorbisches anklingt, sein. Die Verbreitung sorbischer Filme erfolgt durch Kinoaufführungen, Fernsehen und audiovisuelle Medien (Videos, CD, DVD usw.).

Abstract

Kunstform, in der bewegte Bilder produziert werden. Sorbische Filme können Spiel- oder Dokumentarfilme mit künstlerischem Anspruch in ober- und niedersorbischer Sprache, Filme mit sorbischen Motiven, von Sorben produzierte Filme oder solche, in denen Sorbisches anklingt, sein. Die Verbreitung sorbischer Filme erfolgt durch Kinoaufführungen, Fernsehen und audiovisuelle Medien (Videos, CD, DVD usw.).

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