Mit 561 m höchste Erhebung des nördlichen Gebirgszugs im Oberlausitzer Bergland. Der
Czorneboh bildet mit den Nachbarbergen eine 12 km lange Bergkette südlich der
Bundesstraße 6 zwischen Bautzen und
Löbau. Diese bildet seit jeher
die Grenze zwischen dem sorbischen Siedlungsgebiet im Norden und den im
Mittelalter entstandenen deutschen Kolonistendörfern im Süden.
Der Czorneboh besteht aus feinkörnigem Zweiglimmergranodiorit, der v. a. im Gipfelbereich in
mehreren Felsen und Felstürmen zutage tritt; Einschlüsse von Grauwacke sind
teilweise herausgewittert und haben zu verschiedenen Vertiefungen geführt. Der
Berg wurde relativ früh touristisch erschlossen. 1851 stand hier der erste
Aussichtsturm der Oberlausitz, 1852
folgte ein Gasthaus. Über Wege und Straßen ist der Gipfel von allen Seiten gut
erreichbar. Der Czorneboh ist einer der meistbesuchten Berge der Oberlausitz,
wozu in hohem Maße zahlreiche Sagen und die
Mythisierung zum Opfer- und Orakelberg beigetragen haben.
Ansichtskarte von der Bergbaude auf dem Czorneboh, um 1900; Sorbisches
Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Der Name Čorny Bóh ,der Schwarze Gott’ für den Berg tritt nach bisherigen
Erkenntnissen gleichzeitig mit dem Bergnamen Běły Bóh ,der Weiße Gott’
(→ Bieleboh) Anfang des 18. Jh. im Werk des
Polyhistors Abraham Frencel auf.
Ältere Namenbelege für den Berg fehlen. Lediglich für die Südseite ist um 1600
die Benennung Schleifberg dokumentiert, deren erster Teil gewöhnlich
als ,Gleitbahn für Baumstämme’, wie sie die Holzfäller benutzten, gedeutet wird.
In der NS-Zeit versuchte man den sorbischen
Namen Czorneboh gänzlich durch Schleifberg zu ersetzen. Speziell für
die Nordseite ist bei Frencel der sorbische Name Praš(w)ica oder
Prašiwa (hora) belegt, was der Autor fälschlich vom Verb so
prašeć ,fragen’ ableitet und als Frageberg übersetzt. Auszugehen ist
stattdessen vom sorbischen Adjektiv prašiwy ,räudig, verkommen,
krüppelhaft’, womit offenbar die schlechte Nutzbarkeit der Nordhänge gemeint
war. Heute ist dieser Name kaum noch bekannt. In den sorbischen Dialekten der
Dörfer nordwärts ist für den Berg noch vereinzelt der Name Čorny bok
,die schwarze Seite’, also ,die im Schatten liegende dunkle Seite’,
gebräuchlich. Trotz der weitgehenden lautlichen Übereinstimmung mit Čorny Bóh
lassen sich allerdings beide Benennungen etymologisch kaum verknüpfen.
Unterdessen hat sich deutsch und sorbisch der Name Czorneboh bzw.
Čornobóh durchgesetzt.
Ergänzend zum Czorneboh muss der westlich vorgelagerte, 514 m hohe Hromadnik
(gleicher Name sorbisch und deutsch), nach dem unterhalb gelegenen Dorf
Döhlen auch als Döhlener
Berg bekannt, erwähnt werden. Er zeichnet sich durch eine stattliche
Reihe von Felstürmen aus. Der Name Hromadnik gehört etymologisch zu
obersorb. hromadźe ,zusammen, gemeinsam’ und bezeichnet den
Gemeindewald der Bauern. In früherer Zeit wurde der Berg in den Kreis der
Czorneboh-Mythen einbezogen und sein Name als ,Versammlungsort’ gedeutet; es
hieß, hier versammle sich das Volk, bevor es zum Nachbarberg ziehe.
Der vermeintliche Kult um den Schwarzen Gott, dem von den Sorben in heidnischer Zeit geopfert
worden sein soll, sowie die Übersetzung des alten Namens Prašica als
Frage- bzw. Orakelberg haben im 18./19. Jh. zu mythologischen Deutungen
bestimmter Naturerscheinungen und zur Sagenbildung geführt (Heinrich Gottlob Gräve: „Volkssagen und
volksthümliche Denkmale der Lausitz“, 1839; Karl
Haupt: „Sagenbuch der Lausitz“, 1862/63). Unweit des Gipfels
befindet sich an einem der Felstürme eine ausgewitterte Öffnung, Teufelsfenster
oder Koboldkammer genannt, an der man angeblich Fragen an die Zukunft stellen
konnte, worauf man geheimnisvolle Antworten erhielt. Am Bergsattel westlich des
Czorneboh liegt das Opferbecken oder Teufelswaschbecken, eine schalenartige
Vertiefung im Gestein, die ständig mit Wasser gefüllt ist; laut Sage haben sich
hier die heidnischen Priester vor und nach dem Opfergang gewaschen. Von den
großen Gipfelklippen sollen sie zu den Menschen gesprochen haben. Anderen
Überlieferungen zufolge sind die Felsen in Stein verwandelte Überreste eines
Schlosses des Schwarzen Gottes, der nach der Annahme des Christentums durch die
Sorben seine Macht verlor. Die Sage vom Goldkeller unter den Felsen, dessen
Schatz ein Kuhhirt heben wollte und dabei ums Leben kam, wird in ähnlicher Form
auch von anderen Oberlausitzer Bergen erzählt.
Blick aus Richtung Meschwitz auf den Czorneboh; Fotograf: Rafael Ledschbor
Für die sorbische kulturelle Überlieferung birgt der Czorneboh seit dem beginnenden 19. Jh.
nationale Symbole, was sich in
der Literatur widerspiegelt. In Handrij
Zejlers Gedicht „Na serbsku Łužicu“ (Auf die sorbische Lausitz,
1827), das später zur sorbischen Nationalhymne wurde, erscheint das Reich des
Schwarzen Gottes als einst bedeutsame Stätte, die mittlerweile ganz der Natur
überlassen ist. Im Vormärz bei Mikławš
Jacsławk dient die Besinnung auf die berühmten Kultstätten
„Prašica a Hromadnik“ als Ansporn, das nationale Schicksal in die eigenen Hände
zu nehmen. In Jan Ćěslas historischem
Epos aus legendärer Vergangenheit „Kral Přibysław“ (König Pribislav, 1868) wird
„Prašica“ zur Prophetin, die man vor dem Waffengang befragt und die zum Ringen
für die Freiheit rät. Ähnlich fordern in Jakub
Bart-Ćišinskis Gedicht „Na Prašicy“ die alten Priester auf zum
Kampf, um den Boden der Väter gegen die fränkischen Eindringlinge zu behaupten.
In dem Gedicht „Na wěži Čornoboha“ (Auf dem Turm des Czorneboh, 1891) von
Bart-Ćišinski weckt der Blick vom Berg Freude über die Schönheit der
heimatlichen Erde.
In der Zeit der Weimarer Republik war der
Czorneboh Ziel von Volkstreffen jeweils zu Himmelfahrt, was in der Literatur
gleichfalls seinen Ausdruck fand, so z. B. in Měrćin Nowak-Njechorńskis Prosaskizze „Bože spěće na Čornoboze“
(Himmelfahrt auf dem Czorneboh, 1950) und etwas ausführlicher in einer
gleichnamigen Kurzgeschichte bei Pawoł
Grojlich (1986). In Korla Bohuwěr
Šěcas „Čłowjek w přirodźe“ (Der Mensch in der Natur, 1925)
erscheint der Czorneboh wiederum als Ort biologischer Exkursionen, die der Autor
literarisch zu gestalten weiß. Die Bedeutung des Bergs und seines Namens äußert
sich auch darin, dass eine Reihe von Vereinen diesen Namen trug bzw. trägt (so
in Dresden, Hochkirch und Soritz).
Lit.: P. Nedo: Czorneboh und Bieleboh zwei angebliche Kultstätten in der
Oberlausitz, in: Lětopis C 6/7 (1963/64); Th. Schütze: Zwischen Strohmberg,
Czorneboh und Kottmar, Werte unserer Heimat, Band 24, Berlin 1974; H.
Schuster-Šewc: Die beiden sorbischen Götterberge Czorneboh und Bieleboh – ein
kulturhistorisches Phänomen der Oberlausitz, in: Lětopis 47 (2000) 2; A. Gerth:
Götter, Glücksritter und Gelehrte: Auf den Spuren großer Mythen der Oberlausitz,
Spitzkunnersdorf 2009; M. Donath: Czorneboh und Bieleboh, in: Oberlausitzer
Mythen, Hg. L.-A. Dannenberg/M. Donath/D. Scholze, Meißen 2012.