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Bibel­über­setzungen
von Doris Teichmann

Übertragungen des hebräischen Alten Testaments und des griechischen Neuen Testaments in andere Sprachen. Martin Luthers Übersetzung der Bibel unterstützte durch Annäherung der einzelnen deutschen Dialekte die Herausbildung einer nationalen Schriftsprache. In der Lausitz setzte die Obrigkeit früh auf eine Assimilation der Minderheitssprache. Da die Sorben in Schule und Kirche nicht gleichberechtigt behandelt wurden, verzögerte sich ihre kulturelle Entwicklung. Die Bibelübersetzungen förderten daher Erhaltung und Entfaltung der sorbischen Sprache und Kultur, besonders die Entstehung religiöser Literatur.

Die Besonderheiten der beiden sorbischen Sprachen und die unterschiedliche konfessionelle Zugehörigkeit der Obersorben ließen nach der Reformation drei Bibeltraditionen entstehen.

Jan Bogumił Fabricius; Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut, Repro: Christina Kliem

Die niedersorbischen Übersetzungen: Mitte des 16. Jh. übersetzte Mikławš Jakubica das Neue Testament in einen ostniedersorbischen Dialekt, ein Anonymus die Psalmen in eine westniedersorbische Mundart. Beide Manuskripte blieben wie die Ende des 17. Jh. entstandene Übersetzung des Neuen Testaments in der Niederlausitz ungedruckt (letztere veröffentlicht von Heinz Schuster-Šewc 1996 als Krakauer bzw. Berliner Handschrift); im Druck erschienen lediglich im Kurmärkisch-wendischen Distrikt 1656 die kollektiv übersetzten „Extracta aus der heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments“. Erst im 18. Jh. bemühten sich einige Adlige, die mit führenden Vertretern des Pietismus am Hofe des preußischen Königs und in Halle in Verbindung standen (Gottfried Wilhelm Leibniz, Daniel Ernst Jablonski, Philipp Jacob Spener, August Hermann Francke), um den Druck theologischer Schriften in die niedersorbische Sprache. Der aus dem heute zu Polen gehörigen Schwerin an der Warthe /​heute: Skwierzyna stammende Hallenser Absolvent Jan Bogumił Fabricius übernahm 1702 die Pfarrstelle in Kahren bei Cottbus. Da er nach eigenen Worten „keine Wissenschaft weder von der polnischen noch dieser [der wendischen] Sprache“ hatte, erlernte er Letztere beim Papitzer Pfarrer Johann Korn (senior). Schon 1706 gab Fabricius in Cottbus den Kleinen Katechismus in niedersorbischer Sprache heraus. Danach überarbeitete er mit Christoph Ermel, Archidiakon der Cottbuser Klosterkirche, eine niedersorbische Übersetzung des Neuen Testaments unbekannter Herkunft. Sie wurde 1709 in der für diesen Zweck in Kahren errichteten Druckerei gedruckt und noch im Erscheinungsjahr viermal aufgelegt. Auf Bitten Fabricius’ hatte Friedrich I. König in Preußen den Druck finanziell unterstützt. Mithilfe der Preußischen Hauptbibelgesellschaft konnten mehrere Nachauflagen des Neuen Testaments erscheinen.

Niedersorbisches Neues Testament, 1706; Repro: Sorbische Zentralbibliothek am Sorbischen Institut

Eine anonyme Übertragung des Jesus Sirach erschien 1754 (Nachdruck 1769), 1764 eine ebenfalls anonyme und von der Fabricius’schen Fassung abweichende Übersetzung der Psalmen. Die Gesamtübersetzung, ohne Einbeziehung der Einzelübersetzungen, und Herausgabe des Alten Testaments schuf 1796 der Kolkwitzer Pfarrer Jan Bjedrich Fryco, der mit seinem Werk entscheidend die niedersorbische Schriftsprache prägte. Nach der Revision des Alten Testaments durch Jan Zygmunt Bjedrich Šyndlaŕ erschien die Heilige Schrift, bestehend aus dem 1822 gedruckten Neuen Testament von Fabricius und der Übersetzung des Alten Testaments von 1796, als Gesamtausgabe erstmals 1824. Als gemeinsam gedruckte Ausgabe wurde die niedersorbische Bibel erst- und zugleich letztmalig 1868 herausgegeben. Im Jahr 2018 veröffentlichte die Cottbuser Zweigstelles des Sorbischen Instituts in Kooperation mit dem Verein zur Förderung der wendischen Sprache in der Kirche e. V. eine Internetedition des historischen Textes in drei Versionen (dolnoserbski.de/biblija).

Die evangelischen obersorbischen Übersetzungen: Der Großpostwitzer Pfarrer Michał Frencel befasste sich als Erster in der Oberlausitz intensiv mit der Übersetzung der Bibel und legte somit den Grundstein für die obersorbische Schriftsprache. Die von ihm übersetzten Matthäus- und Markus-Evangelien wurden 1670 gedruckt. Frencels Orientierung an der tschechischen Schreibung rief in der von Zacharias Běrlink beeinflussten, auf der traditionellen Schreibweise beharrenden evangelischen Pfarrerschaft Auseinandersetzungen hervor (→ Orthografie). Der Einfluss der Pietisten erwirkte den Beschluss der Stände zur Finanzierung sorbischer theologischer Schriften. Die Stände beriefen 1690 eine aus fünf Pfarrern bestehende Übersetzergruppe (ohne Frencel). Kurz nacheinander erschienen 1693 ein obersorbischer Katechismus, 1695 ein Perikopenbuch (Episteln und Evangelien) und 1696 eine Agende („Die Evangelische Kirchen-Agenda“). Die Übersetzungen basierten nicht allein auf Martin Luthers Schriften, sondern auch auf dem griechischen Text sowie slawischen Bibeln (slowenische Bibel von 1584, tschechische Bibel von 1613 und polnische Bibel von 1660).

Von Philipp Jacob Spener unterstützt, wandte sich Michał Frencel zwecks Veröffentlichung des Neuen Testaments um finanzielle Unterstützung an Henriette Katharina von Gersdorf. Gemeinsam mit Pawoł Prätorius und Michał Raca gab Abraham Frencel 1703, wiederum durch Freifrau von Gersdorf finanziert, die Übersetzung der Psalmen heraus. Bevor 1706 das vom inzwischen verstorbenen Michał Frencel übertragene Neue Testament gedruckt wurde, hatten es sein Sohn Abraham und nach ihm das fünfköpfige Übersetzerkollegium unter Leitung von Prätorius revidiert.

Obersorbische evangelische Bibelübersetzung, 1728; Repro: Sorbische Zentralbibliothek am Sorbischen Institut

Als Teilübersetzung des Alten Testaments veröffentlichte 1719 Jurij Matej „Das Buch Jesus Sirach“. Nach einer elf Jahre währenden Übersetzungs- und Revisionsarbeit der Pfarrer Jan Běmar, Matej Jokuš, Jan Langa und Jan Wawer wurde 1727/28 die gesamte Heilige Schrift in dem um Bautzen gesprochenen obersorbischen Dialekt gedruckt. Die Übertragung des Alten Testaments fußte auf der Lutherbibel, dem griechischen Originaltext sowie tschechischen, polnischen und slowenischen Bibeln. Die zweite Auflage erschien 1742, die letzte (elfte) Gesamtausgabe der evangelischen Bibel 1905. Seit 2012 ist auf der Internetseite des Sorbischen evangelischen Vereins (http://www.sorbischer-evangelischer-verein.de/) eine leicht gekürzte elektronische Fassung des Lektionars („Serbski lekcionar. Bibliske čitanja na Božich słužbach“), die auf der Druckausgabe von 1997 basiert, zugänglich.

Obersorbische katholische Bibelübersetzung, Domowina-Verlag 2006

Die obersorbischen katholischen Übersetzungen: Der aus Wittichenau stammende Jurij Hawštyn Swětlik ließ zahlreiche Editionen erscheinen: „Swjate Sćenja, lekciony a epistle na te njedźele a swjate dny toho cyłeho lěta“ (1690), „Serbske katolske kěrluše“ (1696) und „Tón mały křestijanski katolski katechismus“ des Petrus Canisius (o. J.). Jedoch blieb seine Bibelübersetzung „Swjate Biblije. To je tón stary a nowy testament božoho Swjatoho pisma“, an der er während seiner Pfarrtätigkeit in Radibor (1688–1707) gearbeitet hatte, wegen der geringen Anzahl an Sponsoren ungedruckt. Über 150 Jahre dienten das mehrfach aufgelegte Perikopenbuch (1692, 1699, 1720 und 1750) und die beiden anderen Bücher Swětliks als alleinige Grundlage des obersorbischen katholischen Gottesdienstes. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jh. erschienen Bibeltexte in neuen Übertragungen: das Matthäus- und Markus-Evangelium von Jakub Buk wurden 1862 gedruckt, ein Jahrzehnt später, von Michał Hórnik herausgegeben, eine Psalmenübersetzung von Jan Laras. Hórnik selbst erarbeitete gemeinsam mit Bischof Jurij Łusčanski eine neue Übertragung des Neuen Testaments nach dem griechischen Text, die in Teilen 1887, als Ganzes 1896 in Bautzen gedruckt wurde. Dank Hórnik erschien sie in der analogen Orthografie. Auf seine Anregung hin befasste sich der damalige Dresdener Hofprediger Filip Rězak mit einer Neuübertragung des Alten Testaments. Die Übersetzung verglich er mit den hebräischen und lateinischen Originaltexten. Im Druck erschienen „Das Buch Hiob“, die Psalmen und ein Teil der Sprüche Salomos. Aus Rězaks Feder stammen zudem „Krótke bibliske stawizny“ und „Krótki katechismus“, die 1887 bzw. 1888 herausgegeben wurden.

Rund 250 Jahre nach Swětlik begann 1953 eine Gruppe obersorbischer katholischer Theologiestudenten und junger Geistlicher die Arbeit an einer neuen Bibelübersetzung. Das Neue Testament erschien 1966 im Domowina-Verlag, es folgten 1968 die Psalmen, 1973 die Lehr- und prophetischen Bücher, 1977 die Geschichtsbücher des Alten Testaments. Eine revidierte Gesamtausgabe dieser Bibelübersetzung gab schließlich Měrćin Salowski im Jahr 2006 heraus.

Lit.: R. Trautmann: Der Wolfenbütteler niedersorbische Psalter, Leipzig 1928; H. Schuster-Šewc: Das niedersorbische Testament des Miklawuš Jakubica 1548, Berlin 1967; T. Lewaszkiewicz: Łużyckie przekłady Biblii. Przewodnik bibliograficzny, Warszawa 1995; H. Schuster-Šewc: Das Neue Testament der niedersorbischen Krakauer (Berliner) Handschrift. Ein Sprachdenkmal des 17. Jahrhunderts, Bautzen 1996; L. Udolph: Jurij Hawštyn Swětliks Übertragungen des Neuen Testaments (1687–1711), in: Nowy Testament w dziejach i kulturze Europy, Red. T. Jaworski/​W. Pyżewicz, Zielona Góra 2001; M. Salowski: Stawizny hornjoserbskeje katolskeje biblije, in: Rozhlad 53 (2003) 11/12.

Metadaten

Titel
Bibel­über­setzungen
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Bibel­über­setzungen
Autor:in
Teichmann, Doris
Autor:in
Teichmann, Doris
Schlagwörter
Bibel; Altes Testament; Neues Testament; Übersetzung; Kirche; Sprachdenkmal; Obersorbisch; Niedersorbisch; Reformation
Schlagwörter
Bibel; Altes Testament; Neues Testament; Übersetzung; Kirche; Sprachdenkmal; Obersorbisch; Niedersorbisch; Reformation
Abstract

Übertragungen des hebräischen Alten Testaments und des griechischen Neuen Testaments in andere Sprachen. Die Besonderheiten der beiden sorbischen Sprachen und die unterschiedliche konfessionelle Zugehörigkeit der Obersorben ließen nach der Reformation drei Bibeltraditionen entstehen.

Abstract

Übertragungen des hebräischen Alten Testaments und des griechischen Neuen Testaments in andere Sprachen. Die Besonderheiten der beiden sorbischen Sprachen und die unterschiedliche konfessionelle Zugehörigkeit der Obersorben ließen nach der Reformation drei Bibeltraditionen entstehen.

Enthalten in Sammlung
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Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
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