Im engeren Sinn Rechtsnormen, mit denen der Gesetzgeber umfassendere Regelungen
sorbischer Angelegenheiten vorgenommen hat (formelle Gesetze). In weiteren Sinn
sind unter Sorbengesetzen auch einzelne Rechtssätze formeller Gesetze zu
verstehen, deren unmittelbare Adressaten Sorben sind oder die ausdrücklich an
Merkmale sorbischer Identität (z. B. Sprache, Kultur, Brauchtum) anknüpfen bzw.
diese zum Gegenstand haben. Sorbengesetze sind schließlich Rechtsnormen mit
einem solchen Regelungsgehalt, denen unterhalb der Gesetzesebene allgemein
verbindliche Wirkung zukommt (materielle Gesetze), etwa Satzungen kommunaler
Körperschaften. Sorbengesetze können den Schutz, aber auch die Diskriminierung
der Sorben bezwecken (→
Sächsisches Sorbengesetz vom 23.3.1948; Repro aus: Nowa doba 2 (24.3.1948) 23, S. 1
Das erste Sorbengesetz im engeren Sinn stellt das noch vor Gründung der DDR im Land Sachsen
erlassene Gesetz zur Wahrung der Rechte der sorbischen Bevölkerung vom 23.3.1948
dar (Gesetztes- und Verordnungsblatt – GVBl. S. 191). Dort wird erstmals ein
allgemeiner Anspruch der Sorben auf Schutz und Förderung geregelt, für die
sorbisch-deutschen Gebiete der
Das einzige bundesrechtliche Sorbengesetz ist im Vertrag über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag) vom 31.8.1990 (Bundesgesetzblatt – BGBl. II S. 889) enthalten. Die Protokollnotiz Nr. 14 zu Artikel 35 des Einigungsvertrags schreibt die Bekenntnisfreiheit zum sorbischen Volkstum und zur sorbischen Kultur fest, enthält eine Schutzklausel für die sorbische Kultur und gewährleistet für Angehörige des sorbischen Volkes sowie ihre Organisationen die Freiheit zur Pflege und Bewahrung der sorbischen Sprache im öffentlichen Leben. Ferner leitet der Einigungsvertrag die Regelung des Gerichtsverfassungsgesetzes der DDR über, wonach Sorben in den Heimatkreisen ihre Sprache vor Gericht gebrauchen dürfen. Das Sorbengesetz des Landes Sachsen von 1948 wurde durch Artikel 9 Absatz 1 Einigungsvertrag zunächst als Landesrecht übergeleitet und hat seine Geltung in Sachsen erst mit Inkrafttreten des Sächsischen Sorbengesetzes von 1999 vollständig verloren.
Auf Landesebene sind Sorbengesetze in den Verfassungen des Freistaates Sachsen
und des Landes Brandenburg enthalten. Artikel 6 Absatz 1 der Sächsischen
Verfassung erkennt die »Bürger sorbischer Volkszugehörigkeit« als
»gleichberechtigten Teil des Staatsvolks« an und enthält eine Schutzklausel für
die Bewahrung der sorbischen Identität sowie das Recht auf Pflege und
Entwicklung ihrer angestammten Sprache, Kultur und Überlieferung, insbesondere
durch Schulen, vorschulische und kulturelle Einrichtungen. Artikel 6 Absatz 2
regelt die Berücksichtigung der Lebensbedürfnisse des sorbischen Volkes bei der
Landes- und Kommunalplanung sowie den Erhalt des deutsch-sorbischen Charakters
des sorbischen
Verkündung des sächsischen Sorbengesetzes, 1948; Fotograf: Schmidt (Bautzen); Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Der brandenburgische Gesetzgeber ist mit dem Erlass des Gesetzes zur
Ausgestaltung der Rechte der Sorben (Wenden) im Land Brandenburg – dem sog.
Sorben(Wenden)-Gesetz (SWG) – vom 7.7.1994 (GVBl. I S. 294) dem
Verfassungsauftrag aus Artikel 25 Absatz 5 der Landesverfassung nachgekommen. Im
Jahr 2014 novellierte der Brandenburgische Landtag dieses Gesetz. Das sorbische
Siedlungsgebiet erfuhr dabei eine namentliche Festlegung und Erweiterung. In
Sachsen ist mit dem Gesetz über die Rechte der Sorben im Freistaat Sachsen
(Sächsisches Sorbengesetz – SächsSorbG) vom 31.3.1999 (GVBl. S. 161) ebenfalls
ein Sorbengesetz im engeren Sinn geschaffen worden. Beide Gesetze schreiben ein
Recht der Sorben auf nationale Identität fest und erkennen die Sorben als
»gleichberechtigten Teil des Staatsvolkes« an. Die sorbische Volkszugehörigkeit
wird jeweils über das Bekenntnis zum sorbischen Volk definiert und das
»angestammte
Eine Vielzahl von materiellen Sorbengesetzen besteht als kommunales Satzungsrecht, in der Regel bezogen auf die Förderung der sorbischen Sprache und Kultur. In Sachsen sind die Gemeinden und Landkreise des sorbischen Siedlungsgebiets zum Erlass solcher Satzungen verpflichtet.
Sorbengesetze aus dem Bereich des Rechts der Europäischen Union oder des Völkerrechts gibt es derzeit nicht, zumal es keinen (Heimat-)Staat der Sorben gibt, der für diese mit dem deutschen (Herbergs-)Staat völkerrechtliche Vereinbarungen treffen könnte. Die für die Sorben anzuwendenden Vorschriften beziehen sich stets allgemein auf den Schutz von nationalen, ethnischen oder sprachlichen Minderheiten oder Volksgruppen. Für den Anwendungsbereich des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten hat die Bundesrepublik Deutschland die Erklärung abgegeben, dass (auch) die Angehörigen des sorbischen Volkes mit deutscher Staatsangehörigkeit nationale Minderheit im Sinne des Rahmenübereinkommens sind; die Sprachen Obersorbisch und Niedersorbisch sind als vom Geltungsbereich der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen erfasste Sprachen anerkannt.
Lit.: H. Nowusch: Die Gleichberechtigung der Bürger sorbischer Nationalität in der DDR – verwirklichtes Menschenrecht, 3. Aufl., Bautzen 1988; Th. Pastor: Die rechtliche Stellung der Sorben in Deutschland, Bautzen 1997; L. Elle: Die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen und die Sprachenpolitik in der Lausitz, Bautzen 2004; L. Elle: Das Rahmenübereinkommen des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten und die Minderheitenpolitik in der Lausitz, Bautzen 2005; D. Rein: Nationale Minderheit, Volksgruppe, Volk, Sprachminderheit, ethnische Minderheit oder was? Versuch einer juristischen Begriffsklärung, Bautzen 2018.
Metadaten
Im engeren Sinn Rechtsnormen, mit denen der Gesetzgeber umfassendere Regelungen sorbischer Angelegenheiten vorgenommen hat (formelle Gesetze). Im weiteren Sinn sind unter Sorbengesetzen auch einzelne Rechtssätze formeller Gesetze zu verstehen, deren unmittelbare Adressaten Sorben sind.
Im engeren Sinn Rechtsnormen, mit denen der Gesetzgeber umfassendere Regelungen sorbischer Angelegenheiten vorgenommen hat (formelle Gesetze). Im weiteren Sinn sind unter Sorbengesetzen auch einzelne Rechtssätze formeller Gesetze zu verstehen, deren unmittelbare Adressaten Sorben sind.