Entwicklung, Einrichtungen und Maßnahmen, die der Bevölkerung auch der zweisprachigen Lausitz zur Befriedigung ihres Bedarfs an Gütern und Dienstleistungen dienen.
Von der Landnahme in der
Durch Nutzung vorhandener Grünlandareale und Waldrodung zur Gewinnung von
Ackerflächen schufen sie die Voraussetzungen für Ackerbau und Viehzucht als
Hauptzweige der Landwirtschaft. Umfangreiche Keramikfunde in den zahlreichen
Illustration der Flachsverarbeitung und Tuchproduktion in der Schreiber-Karte der Oberlausitz, 1732
Von großer Bedeutung war die Verarbeitung von Leinfasern zu Flachs, der neben
Wolle durch Verspinnen zu Garn als Ausgangsbasis zur Textilherstellung und
Anfertigung von Bekleidung diente. Webstein, Webgewichte und Spinnwirteln
gehörten zur Ausstattung der Siedlungen. Die Ackerbau und Viehzucht treibende
Bevölkerung stellte die benötigten Gebrauchsgüter überwiegend in Eigenproduktion
her. In den Burgwardzentren erfolgten erste handwerkliche Spezialisierungen
durch Arbeitsteilung. Fischfang, Jagd und
Im selben Zeitraum entwickelten sich
Einzug der Dreschmaschine in Groß Partwitz, um 1916; Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Die politische Unterwerfung der sorbischen Stämme und die Eliminierung ihrer
Adelsschicht bedeutete für die Wirtschaft der autochthonen Bevölkerung eine
entscheidende Zäsur. Bis zum 16. Jh. erreichte auch in der Lausitz die feudale
Gesellschaftsordnung ihre Hochform, zeigte aber einige Besonderheiten. Über die
Jahrhunderte bildete primär die Landwirtschaft die Existenzgrundlage der Sorben.
Insbesondere der niedere deutsche Adel brachte rechtliche, wirtschaftliche und
kulturelle Erfahrungen mit, die auf die Slawen nur bedingt übertragen wurden. Im
Wechselspiel der Kräfte setzte sich bis Ende des 12. Jh. die Feudalordnung auch
ordnungspolitisch durch. Spätestens mit der Ansiedlung deutscher Bauern mussten
im sorbischen Territorium die dörflichen Besitzstrukturen, sofern noch nicht
geschehen, neu geregelt werden (→
Die Größe der Hofstätten schwankte zum einen nach den hergebrachten Gewohnheiten (flämische,
fränkische, deutsche Hufe) und zum anderen nach der natürlichen Ertragsfähigkeit
der Böden (Lößlehmböden, Heide, 2 große
Adelsherrschaften, deren Verwaltungszentren seit dem 12. Jh. immer mehr
städtischen Charakter annahmen und für die Entwicklung einer arbeitsteiligen
Wirtschaft sorgten. Um Mitte des 13. Jh. erlangte die Mehrzahl dieser
Ansiedlungen das Stadtrecht. Einige wurden landesherrlich, so die größeren
Städte in der Oberlausitz,
Binden von Garben und Aufstellen von Kornpuppen, um 1954; Fotograf: Kurt Heine, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Die Beschränkung des Handwerks auf die Städte und die Ausstattung der großen
Kommunen mit Marktgerechtigkeit, Weichbildrecht und Bannmeile beförderten
während der Feudalzeit den Warenaustausch und die Arbeitsteilung. Dadurch wurde
die Ansiedlung einer Vielfalt von Gewerben auf dem Lande weitgehend
ausgeschlossen. Das betraf sorbische, deutsche und gemischtnationale Gebiete
gleichermaßen. Der Beitrag der beiden Bevölkerungsgruppen zum
gesamtwirtschaftlichen Ergebnis entsprach ihrem Anteil. In den vom deutschen
Bürgertum begründeten und verwalteten, direkt dem König unterstehenden Städten
erlangten die Sorben nur beschränkt Zugang und Aufnahme in die Zünfte (→
Unterschiedliche Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der sorbischen und deutschen Bevölkerung hatte die Tatsache, dass die Lausitz nie Herrschaftsterritorium eines Landesherrn vor Ort war. Selbst als sie ab 1370 als Nebenland zur böhmischen Krone gehörte, erfolgte weiterhin eine separate Verwaltung der späteren zwei Markgraftümer, weshalb die wirtschaftliche Verflechtung beider kaum voranschritt. Während die Oberlausitz seit 1089 mit Ausnahme eines längeren Intervalls geschlossen bei Böhmen verblieb, litt die Bevölkerung der Niederlausitz unter der Vielzahl ihrer Landesherren. In der Oberlausitz förderten und begünstigten besonders die böhmischen Regenten bis zum Übergang ihrer Krone auf das Haus Habsburg (1526) die Städte als Horte frühbürgerlicher Entwicklung.
Im Jahr 1550 gegründetes Eisenhüttenwerk in Peitz, 1977; Fotograf: Gerhard Joppich, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Ein stetes Bevölkerungswachstum auf dem Lande und die Erschöpfung der nutzbaren Rodungsflächen führten in beiden Lausitzen ab Mitte des 14. Jh. zur Besitzdifferenzierung der Bauernwirtschaften. Selbst wenn Inhaber bestrebt waren, die Zerstückelung der Hufe zu verhindern, kamen sie nicht umhin, die erbberechtigten Kinder mit einer Mindestfläche zur Lebensabsicherung auszustatten. Sowohl in den deutschen als auch den sorbischen Dörfern entstanden nun unterbäuerliche Schichten – Gärtner, Kossäten, Häusler –, deren Existenz von der Verfügbarkeit der Lohnarbeit abhing. Der Zuzug vom Land in die Städte war äußerst begrenzt.
Die Agrarkrise im westlichen Europa, die seit Mitte des 14. Jh. vom Verfall der
Getreidepreise begleitet war, erfasste nach 1450 auch die Lausitz. Betroffen
waren die Landadligen, von denen einige wegen völliger Überschuldung im
Raubrittertum die letzte Rettung sahen, aber auch die Bauernschaft, deren
Einnahmen in ein wachsendes Missverhältnis zu den steigenden Abgaben und Preisen
für gewerbliche Erzeugnisse sowie den Löhnen gerieten. Unter dem Druck der
Verhältnisse zerfielen in der Oberlausitz bis zur Mitte des 16. Jh. bis auf
wenige Ausnahmen alle Adelsherrschaften in mehrere Hundert Rittersitze. In der
Niederlausitz blieb eine größere Anzahl von Grundherrschaften bestehen, doch
auch hier nahmen die Gutsherrschaften und die zweite
Die ostelbische Gutsherrschaft war mit einschneidenden ökonomischen Veränderungen verbunden. Auf den großen Gütern hatte sich die Bewirtschaftung der teils riesigen Waldflächen und der Gewässer auf Basis von Lohnarbeit durchgesetzt. Der übrige Boden befand sich in vorwiegend bäuerlicher Nutzung. Die Inhaber der kleinen Adels- oder Rittersitze entzogen ihren Untertanen einen Großteil der Äcker, Wiesen und Weiden und arrondierten diese zum selbst bewirtschafteten Mundgut. Wald und Gewässer waren ohnehin bei ihnen verblieben.
Nach Mitte des 16. Jh., in der Oberlausitz konkret nach dem Pönfall der
Sechsstädte 1547, konsolidierten sich die Gutswirtschaften. Bis dahin konnte das
Bürgertum im eigenen ökonomischen Interesse auch die Bauern außerhalb des
städtischen Landbesitzes vor übermäßiger Belastung schützen. Die Masse der
ländlichen Untertanen aber wurde nun zur Bearbeitung der Rittergüter teils durch
definierte, in der Regel aber durch „ungemessene“, d. h. in der Praxis tägliche
Frondienste gezwungen (→
Gurkenernte im Spreewald, 1964; Fotograf: Gerhard Joppich, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Noch während des
Der stete Kaufkraftschwund auf dem Lande, namentlich die Verschuldung infolge des Siebenjährigen Kriegs, beschränkte die Anzahl der Meister und Gesellen im zunftgebundenen Handwerk der Lausitzer Städte, die bis ins erste Drittel des 19. Jh. ihre Einwohnerzahlen vom Ende des 15. Jh. nicht wieder erreichten. Nach 1763 versuchten die großen Herrschaften und die Rittergüter verstärkt, die Minderung ihrer Einnahmen aus der Land- bzw. Waldwirtschaft durch gewerbliche Nebenproduktion und „Veredlung“ der Erzeugnisse mittels Bierbrauerei, Schnapsbrennerei sowie den Betrieb von Kalköfen, Ziegeleien u. a. zu kompensieren.
Im Süden der Oberlausitz siedelten nach 1650 die Stadträte von Lauban, Zittau und
Löbau, die
Nach den Befreiungskriegen wurde auf dem
Sorbische Landwirtschaftsschule in Crostwitz, um 1952; Fotograf: Kurt Heine, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Die kapitalistische Ordnung entfesselte sowohl in der deutschen wie in der
sorbischen Bevölkerung produktive Kräfte und Fähigkeiten. Die um 1830 im
sächsischen Teil der Oberlausitz einsetzende
Die Landwirtschaft erfuhr erhebliche Veränderungen. Die großen Herrschaften und die Rittergüter konnten ihre Areale nur mit Lohnarbeit bestellen, wobei Gesindeordnungen viele feudalzeitliche Relikte im Umgang mit weiblichen und männlichen Arbeitskräften konservierten. Die großen Anstrengungen zur Ertragssteigerung erbrachten besonders im Heidegebiet nicht den erhofften Produktivitätszuwachs, der die sinkenden Weltmarktpreise für agrarische Erzeugnisse hätte ausgleichen können. Der von Gutsbesitzern und Großbauern beklagte Arbeitskräftemangel wegen höherer Löhne in der Industrie war hingegen größtenteils selbstverschuldet, weil man das bis dahin extrem niedrige Lohnniveau auf Dauer beizubehalten suchte.
Nach der Gründung des Deutschen Zollvereins 1834 und der Reichseinigung 1871 kam es zwischen dem sächsischen und dem preußischen Teil der Oberlausitz sowie zwischen beiden Lausitzen jeweils zur raschen Ausweitung der Wirtschaftskooperation. Die zweite Phase der Industrialisierung blieb jedoch in der Mittel- und Niederlausitz bis zur Jahrhundertwende fast ganz auf einzelne Städte und Siedlungen beschränkt. Im West- und Südteil der Oberlausitz erfolgte eine Flächenindustrialisierung; mit Ausnahme der Schwerindustrie siedelten sich in diesem Raum alle Gewerbezweige vornehmlich auf dem Lande an. Zwischen 1882 und 1907 erhöhte sich in der Oberlausitz die Zahl der Arbeiter und Angestellten in Fabriken und Gewerben um ca. 240 %, während die Zahl der Beschäftigten in der Landwirtschaft lausitzweit rückläufig war. Die Industrialisierung führte hier zu einem nie dagewesenen Lohnanstieg und damit zu einem tief greifenden Wandel in den Vermögensverhältnissen. In jenen Jahren stieg der Anteil der Löhne und Gehälter am Gesamteinkommen der Bevölkerung von 28 auf 52 %, während sich die Einnahmen aus der Landwirtschaft real verminderten. Der immense Lohnfonds sicherte eine hohe Kaufkraft und stabilisierte in Krisenzeiten Landwirtschaft, Industrie, Handel, Handwerk und Gewerbe. Ab 1830 setzten Unternehmer, Händler und Landwirte zunehmend auf die Nutzung von Wissenschaft und Technik zur Stärkung der wirtschaftlichen Innovationskraft.
Kraftwerk Lübbenau, 1961; Fotograf: Erich Rinka, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Der Erste Weltkrieg beendete abrupt die erfolgreichste Entwicklungsperiode der Lausitzer
Wirtschaft, die sich nun in fast allen Bereichen den kriegswirtschaftlichen
Vorgaben zu unterwerfen hatte. Die geopolitischen, materiellen und finanziellen
Folgen der Niederlage Deutschlands, dazu Revolution, Inflation,
Weltwirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit unterbrachen immer wieder die
Versuche, an die alte Leistungskraft anzuknüpfen. Infolge des Plebiszits in
Oberschlesien vom Mai 1921 wurden 90 der dortigen Steinkohlenvorräte sowie die
Schwerindustrie Polen zugeschlagen. In der Lausitz mussten daher binnen
kürzester Zeit die Braunkohlenvorkommen zur Deckung des eigenen Energiebedarfs
und zur Versorgung des
Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 weiteten sich die ordnungspolitischen Eingriffe des Staates auf Landwirtschaft, Industrie, Handwerk, Handel und Gewerbe gravierend aus. Wie alle anderen Bereiche der Gesellschaft wurde die Wirtschaft für die Vorbereitung und Führung des Kriegs bis zum totalen Zusammenbruch im Mai 1945 missbraucht. Die Spaltung Deutschlands in zwei Teile und deren Einbindung in zwei sich diametral gegenüberstehende Blöcke bewirkte nach 1945 die Ausbildung von zwei Volkswirtschaften. Die Lausitz, die ihr Territorium rechts der Neiße an Polen verlor, konnte nicht mehr an die altbewährten Wirtschaftsbeziehungen anschließen. Gesellschaftsprägende Eingriffe in die Eigentums- und Besitzverhältnisse wie Bodenreform, Enteignung der Banken und Wirtschaftsbetriebe von Nazi- und Kriegsverbrechern, die Überführung der Landwirtschaft und des Handwerks in kollektive Produktionsformen und schließlich die Übernahme der mittelständischen und kleinen Betriebe in den volkseigenen Sektor unterbanden die Privatinitiative fast völlig und setzten der Vermögensbildung enge Grenzen.
Lausitzer Seenland, 2008; Fotograf: Peter Radke, Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH
Die überdurchschnittlich industrialisierte Lausitz hatte infolge der teilungsbedingten
Disproportionen im Osten eine besondere wirtschaftliche Verantwortung zu tragen.
In der
Nach der Wiedervereinigung 1990 machten die Überproduktionskapazitäten in den alten Bundesländern, in den EU-Ländern sowie auf dem Weltmarkt fast die gesamte, wenig produktive Industrie im Beitrittsgebiet überflüssig. Ganze Industriezweige, z. B. die Textil- und Glasindustrie, die wegen hoher Lohnkosten anderswo längst ins Ausland abgewandert waren, wurden in der Lausitz in kürzester Zeit weitgehend abgewickelt. Andere Zweige schrumpften bis auf die Herstellung von Nischenprodukten zusammen. Lediglich die groß dimensionierten landwirtschaftlichen Betriebe konnten sich dank einer Produktivitätssteigerung erfolgreich dem Konkurrenzkampf auf dem Weltmarkt stellen. Die Braunkohlenförderung im Lausitzer Revier beträgt weiterhin rund ein Drittel der Jahresförderung in Deutschland.
Glaspyramidenverkaufhaus Cristalica Kingdom in Döbern, 2020; Fotografin: Anja Pohontsch, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Erste Erfahrungen mit dem Fremdenverkehr als Wirtschaftszweig wurden Ende des 19.
Jh. im Spreewald gemacht, der von der Nähe zu Berlin profitierte und bis heute
ein beliebtes Naherholungsgebiet darstellt. Hohe Erwartungen knüpfen sich
derzeit an die Entwicklung des Tourismus im Gebiet des „Lausitzer Seenlands“,
das durch die Flutung früherer Tagebaue entsteht und sich über 20 künstlich
geschaffene, teilweise durch schiffbare Kanäle verbundene Seen zwischen
Lit.: J. Brankačk: Studien zur Wirtschaft und Sozialstruktur der Westslawen zwischen Elbe/Saale und Oder aus der Zeit vom 9. bis zum 12. Jahrhundert, Bautzen 1964; J. Brankačk: Landbevölkerung der Lausitzen im Spätmittelalter. Hufenbauern, Besitzverhältnisse und Feudallasten in Dörfern großer Grundherrschaften von 1374 bis 1518, Bautzen 1990; E. Hartstock: Wirtschaftsgeschichte der Oberlausitz 1547–1945, Bautzen 2007.