Südwestliche Landschaft der Niederlausitz, die im
Süden an die Oberlausitz grenzt.
Zentrum ist das historische Amt Senftenberg mit der Stadt und den umliegenden 28 Dörfern. Seit
dem hohen Mittelalter aus Norden und Süden von Sorben besiedelt, war die
ertragsarme Region von der deutschen Kolonisation kaum betroffen. 1448
wurde die Herrschaft aus dem böhmischen Markgraftum Niederlausitz aus- und
Kursachsen angegliedert. Die Reformation erfolgte im Amt
Senftenberg 1539, dabei wurde es aus der Niederlausitzer Kirchenverwaltung
herausgelöst und der Superintendentur Großenhain unterstellt. Unter den ersten Senftenberger Pfarrern
war 1543–1551 Wěcław Mět, als
Wittenberger Student Martin Luthers
„wendischer Famulus“. Die ersten Kirchenvisitationen stellten ausdrücklichden
sorbischen Charakter der Dörfer und die Notwendigkeit der Anwendung der
sorbischen Sprache in der Kirche fest. Als in Senftenberg
den Bauern der Gottesdienst in Sorbisch nicht gewährt wurde,
protestierten sie 1554 bei der Landesregierung in Dresden und erklärten, dass von 4 000
Kirchgängern nur 500, d. h. die Einwohner Senftenbergs, das Deutsche
verstünden.
Historische Postkarte aus Lauta, um 1920; Sorbisches
Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Daher wurde in der Stadt nach 1555 eine zweite, Wendische Kirche eingerichtet. Man fasste alle sorbischen
Kirchspiele der Großenhainer Superintendentur zu einem „wendischen Zirkel“
zusammen, der dem Senftenberger Pfarrer unterstand. Dieser musste Sorbe sein und
hatte im 18. Jh. bis zu elf Kirchen zu beaufsichtigen: Senftenberg mit den
Filialen Zschornegozda (seit 1937
Schwarzheide) und Sedlitz, Großräschen mit Dörrwalde, Klettwitz mit Kostebrau, Lauta
mit Großkoschen und Wendisch Sorno (seit 1937 Sorno) mit Lieske.
Auch außerhalb des kirchlichen Lebens dominierte die sorbische Sprache, wie Amts-
und Huldigungseide aus dem 17. Jh. zeigen (→ Eid). Von der Entfaltung des sorbischen Buchdrucks in den benachbarten Regionen blieb
die Senftenberger Region durch ihre administrative Zugehörigkeit ausgeschlossen.
So wurden z. B im 18. Jh. in Lauta die aus gedruckten und ungedruckten ober- und
niedersorbischen Gesangbüchern stammenden Kirchenlieder in angepasster
Version weiterhin handschriftlich verwendet und noch 1752–1756 von einem Lehrer
erneut abgeschrieben. Auch Jurij
Dumiš, 1726–1753 Pfarrer in Großräschen, Senftenberg und Lauta und
selbst Herausgeber von obersorbischen religiösen Schriften, vermochte weder das
obersorbische noch ein niedersorbisches Gesangbuch einzuführen. Sorbische Bücher
kamen in der kirchlichen Praxis kaum vor; die Handschriften wurden erst Ende des
18. Jh. von deutschen Gesangbüchern verdrängt.
Handschriftliches evangelisches Gesangbuch aus Lauta, 1756;
Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Senftenberger Region um 1790; Karte: Iris Brankatschk
Kirchgangstracht aus Dörrwalde; Fotograf: Lotar Balke,
Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Nach dem Wiener Kongress fiel die Senftenberger Region an Preußen und wurde
kirchlich dem Spremberger Superintendenten unterstellt (bis 1927). Das bewirkte
einschneidende Veränderungen v. a. für das Sorbische in der Öffentlichkeit. 1818
wurden alle Pastoren und Lehrer ermahnt, für die intensive Verbreitung des
Deutschen zu sorgen. Anfangs konnten in den Elementarschulen Schulanfänger die
Muttersprache benutzen, ab 1840 durfte nur noch auf Deutsch gelehrt werden. Die
Predigt sollte an keinem Ort allein sorbisch gehalten werden. Vielfältige
Mischformen führten allmählich zur Abschaffung der sorbischen Predigt – in
Sedlitz sporadisch ab 1820 und gänzlich 1864, in Wendisch Sorno 1830, in
Klettwitz 1831 und gänzlich 1840, in Großräschen zwischen 1830 und 1868,
gänzlich nach dem Tod des Pfarrers und Herausgebers eines
niedersorbisch-deutschen Wörterbuchs Johann Carl
Friedrich Zwahr. Als radikaler Germanisator ist Jan Křesćan Rychtar aus Kleinräschen, Pfarrer in Sorno und Lauta,
in die Annalen eingegangen. In jungen Jahren Hauslehrer bei Otto von Manteuffel in Lübben, kam er mit den antisorbischen
Ansichten des Lausitzer Adels in Berührung und forderte später den rigorosen
Ausschluss der sorbischen Sprache aus Schule, Kirche und Gerichten, er
bezeichnete die Sorben als Feinde der Deutschen. Im noch durchweg sorbischen
Kirchspiel Lauta führte er 1846 den Gottesdienst abwechselnd in Sorbisch und
Deutsch ein. Seinen zwei Nachfolgern, darunter Jan Boguchwał Markus, der als
Student sorbische Volkslieder sammelte, folgte 1876
ein deutscher Pastor nach, mit dem die sorbische Predigt endete. Am längsten
(bis 1878) wurde die sorbische Sprache in der Wendischen Kirche Senftenbergs
respektiert, was dem Oberpfarrer Jurij
Libuš sowie dessen Archidiakon Hanzo Kózlik zu verdanken war.
Mädchen in Fastnachtstrachten (mit Kuschauka) aus Sorno, um
1975; Fotograf: Lotar Balke, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Mit Feudalablösung und Separation wandelten sich oft die Formen der sorbischen
Volksbauweise und
Volkskultur. Die strohgedeckten Blockhäuser wurden – nach einer Zwischenphase
mit Fachwerkbauten – ab 1860 durch Rohziegelbauten ersetzt, wobei für die
Senftenberger Region der Vierseithof typisch blieb. Auch die Tracht verlor mit dem
wirtschaftlichen Aufschwung viele Sonderformen (z. B. die Kuschaua, eine kleine
Haube) und glich sich nach 1880 der herrschenden Mode an; sie wurde aber von den
Mädchen noch bis 1950 zur Fastnacht getragen. Aufgrund der
fehlenden Lesefähigkeit im Volk besaß die sorbische Nationalbewegung kaum Einfluss. In den
um 1880 noch weitgehend sorbischen Dörfern entstanden nur deutsche Krieger- und
ähnliche Vereine. Sehr lange hielten sich Sagen (z. B. um den Koschenberg) und Bräuche, die Volkskundler noch Ende des 19. Jh.
aufzeichneten.
Die nach 1871 einsetzende Industrialisierung veränderte die
Senftenberger Region massiv. Funde von Lehm und Ton brachten die Glasindustrie
hervor. Der massenhafte Zuzug deutscher und polnischer Arbeiter, der zur
Entstehung zahlreicher Werkssiedlungen führte, veränderte die nationale
Zusammensetzung der Bevölkerung. Mehrere Dörfer wurden durch den Braunkohlenbergbau devastiert. Die sorbische Sprache verschwand in der
ersten Hälfte des 20. Jh., die letzten Sprecher dienten um 1960
Sprachwissenschaftlern zu Dialektaufnahmen (→ Dialekte).
Lit.: R. Lehmann: Zur Geschichte des Wendentums im Bereich des ehemaligen Amtes Senftenberg,
in: Ders.: Bilder aus Senftenbergs Vergangenheit, [1932]; L. Balke:
Sorno-Rosendorf, [Senftenberg] 1972; P. Kunze: Sorbische Reminiszenzen aus
Senftenberg und Umgebung, in: Pratyja 2005, Bautzen 2004; H. Ruhland: Als unser
Gebiet noch „wendisch“ war, in: Kippensand. Heimatkalender für das Senftenberger
Revier 2013, Werben 2012.