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Sorbisches National-Ensemble/​Serbski ludowy ansambl
von Dietrich Scholze

Gesangs- und Tanzensemble zur professionellen Darbietung sorbischer Musikfolklore mit Sitz in Bautzen (kurz: SNE, sorbisch: SLA). Es wurde zum 1.1.1952 auf Empfehlung der Domowina als Staatliches Ensemble fĂŒr sorbische Volkskultur (Serbski ludowy ansambl, SLA) durch das Land Sachsen gegrĂŒndet und 1953 dem Ministerium fĂŒr Kultur der DDR zugeordnet. Sein FunktionsgebĂ€ude erhielt es im ehemaligen Bautzener Restaurant „BĂŒrgergarten“ an der Äußeren Lauenstraße. Als kulturpolitisches Vorbild diente die osteuropĂ€ische Estradenkunst. Am 1.4.1952 begannen die Proben, am 21.12.1952 (dem 73. Geburtstag Josefs Stalins) folgte im Cottbuser Theater der erste öffentliche Auftritt im Rahmen einer Festveranstaltung der Gesellschaft fĂŒr Deutsch-Sowjetische Freundschaft und des Rates des Bezirkes Cottbus. Zur ersten Premiere in Bautzen kam es am 8.1.1953.

AuffĂŒhrung des Oratoriums „Nalěćo“ (Der FrĂŒhling) durch das Sorbische National-Ensemble in Bautzen unter der Leitung von Jurij Winaƕ, um 1954; Fotograf: Kurt Heine, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

AuffĂŒhrung des Folkloreprogramms „Kokot“, 1971; Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Das Sorbische National-Ensemble – diesen Namen fĂŒhrt es seit 1990 – sollte die traditionelle volkskulturelle Überlieferung aus allen Regionen der Lausitz, die in Lied, Musik, Trachten, Tanz und Brauchtum Jahrhunderte ĂŒberdauert hat, auf der Grundlage ethnografischer Quellen bĂŒhnenwirksam darbieten. Seine ersten Mitglieder entstammten der Laienbewegung und wurden spĂ€ter meist zu BerufskĂŒnstlern ausgebildet. Als Hauptzweck galt anfangs, „das sorbische Kulturerbe sowohl in seinen klassischen AusprĂ€gungen wie auch in der Volkskunst zu pflegen, es rein zu erhalten und weiterzuentwickeln“ (Chronik 2005).

Erschließung, Pflege, Entwicklung und Verbreitung der sorbischen Musikkultur standen ĂŒber Jahrzehnte hinweg im Mittelpunkt (→ Musik), junge Komponisten, Musiker und SĂ€nger gewannen im Ensemble Profil. KĂŒnstlerisch geprĂ€gt wurde es u. a. von dem Dirigenten Jan Bulank, der 1970–1996 als Chordirektor wirkte, und von dem slowakischen Choreografen Juraj KubĂĄnka, der zwischen 1963 und 2008 fĂŒr das Ballett neue Ausdrucksformen fand. Nach der politischen Wende von 1989/90 erhielt die Anwendung der sorbischen Sprache und die Förderung des eigenen Nachwuchses durch das Tournee-Ensemble stĂ€rkeres Gewicht. Von Beginn an wurden fachliche Kontakte zu vergleichbaren Einrichtungen in slawischen LĂ€ndern, v. a. in der Slowakei („SLUK“) und in Polen („Mazowsze“, „ƚląsk“), aufgebaut. 1978 wurde in der Bautzener Kornstraße ein Wohnheim mit KlubgaststĂ€tte „Wjelbik“ eröffnet.

Chronik des Sorbischen National-Ensembles von Manfred Thiemann, Bautzen 2005

Chor und sorbische Volksmusikanten des SNE bei der AuffĂŒhrung des Folkloreprogramms „Moja reja! TANZ.FREUDE“, 2016; Fotograf: Matthias Bulang, Sorbisches National-Ensemble Bautzen

Die Struktur des Sorbischen National-Ensembles bestimmen die drei Sparten Chor, Ballett und Orchester. Diese ermöglichen unterschiedliche AuffĂŒhrungsformen, die den jeweiligen BĂŒhnenverhĂ€ltnissen entsprechen. Sie reichen von kleineren thematischen Inszenierungen ĂŒber Kammer- und Sinfoniekonzerte bis zu sog. Galaprogrammen. Das Ensemble, dessen erste Auslandsreisen 1954 in die Mongolei und nach Albanien fĂŒhrten, fand den Schwerpunkt seiner TĂ€tigkeit als „Botschafter der Sorben“ frĂŒher in deutschsprachigen Regionen außerhalb der Lausitz und im Ausland. Es bot den Veranstaltern seine Programme an – auf Wunsch mit einer transportablen BĂŒhne –, entsprechend flexibel und variabel war und ist der Spielplan. Ab 1957 nahm es die AuffĂŒhrungen zur Vogelhochzeit in eigene Regie, die seitdem am Jahresanfang regelmĂ€ĂŸig in der gesamten Lausitz stattfinden. Die dafĂŒr nötige Zusammenarbeit mit dem Deutsch-Sorbischen Volkstheater erfolgte in den 1990er Jahren auf der Basis eines Kooperationsvertrags, wie er die beiden Orchester schon lĂ€nger verband. Ab 2000 wurde die herkömmliche folkloristische BĂŒhnenkunst durch modernes Tanztheater (z. T. zeitgenössisches Ballett, Ballettopern nach literarischer Vorlage) sowie Kinder- und Jugendproduktionen ergĂ€nzt. Marktwirtschaftliche Kriterien erforderten 1996 die Umwandlung der staatlichen Einrichtung in eine GmbH, die jedoch – wie schon seit 1992 – weiterhin durch die Stiftung fĂŒr das sorbische Volk institutionell gefördert wird. Einziger Gesellschafter war zunĂ€chst der Freistaat Sachsen, ab 1998 die Stiftung.

Tanzszene des SNE-Baletts aus dem TanzstĂŒck „FĂŒr Maria – Mitte der Nacht“, 2019; Fotograf: Martin PiĆŸga, Sorbisches National-Ensemble Bautzen

GebĂ€ude des Sorbischen National-Ensembles an der FriedensbrĂŒcke in Bautzen, 2014; Fotografin: Hana Schön, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Bis Mitte der 1950er Jahre hatte das Ensemble die anfĂ€ngliche SollstĂ€rke von 80 ChorsĂ€ngern, 24 TĂ€nzern sowie 37 Musikern erreicht. Zu keiner Zeit konnten jedoch alle Planstellen mit ausgebildeten Sorben besetzt werden, besonders in Orchester und Ballett waren stets deutsche und auslĂ€ndische KrĂ€fte engagiert. Nach 1990 sanken infolge von HaushaltskĂŒrzungen die BeschĂ€ftigtenzahlen in mehreren Schritten. Durch StrukturverĂ€nderungen war das Orchester 1992 mit demjenigen des zweisprachigen Bautzener Theaters zur Lausitzer Philharmonie vereinigt worden, sodass zeitweilig große Werke der sorbischen Musikgeschichte aufgefĂŒhrt werden konnten. Seitdem werden auch TontrĂ€ger hergestellt. 1996 wurde der Klangkörper wieder aufgelöst; 30 Musiker aus dem Sorbischen National-Ensemble spielen seitdem in der Neuen Lausitzer Philharmonie mit Sitz in Hoyerswerda, das Ensemble selbst behielt ein Orchester mit 26 Mitgliedern. Hinzu kommen 16 ChorsĂ€nger und 26 TĂ€nzer (2008). Nach 2000 musste infolge erneuter SparzwĂ€nge die Gesamtzahl der Mitarbeiter von 133 auf gut 100 reduziert werden, 2010 schließlich auf 90 Planstellen.

In den ersten 50 Jahren seines Bestehens hat das Ensemble ĂŒber 70 Auslandsgastspiele in mehr als 30 LĂ€ndern absolviert, bei etwa 9 000 Vorstellungen wurde sorbische Musikfolklore prĂ€sentiert.

Intendanten: Jurij Winar (1952–1960), Handrij CyĆŸ (1960–1990), Detlef Kobjela (1990–1995), Měto Benada (GeschĂ€ftsfĂŒhrer 1996–2001), Wolfgang Rögner (2002–2010), Milena Vettraino (2010–2015), Diana Wagnerec (GeschĂ€ftsfĂŒhrerin seit 2015), Judith Kubicec (Intendantin seit 2018).

Lit.: G. Kube: Staatliches Ensemble fĂŒr sorbische Volkskultur, Bautzen 1960; H. CyĆŸ: 30 lět Serbskeho ludoweho ansambla, in: Rozhlad 32 (1982) 4; Serbski ludowy ansambl BudyĆĄin/​Das Sorbische National-Ensemble Bautzen. Chronik, Bautzen 2005; M. Th. Vogt: Serbski ludowy ansambl/​Sorbisches National-Ensemble. Eine kulturpolitikwissenschaftliche Analyse, Frankfurt am Main 2008. www.sne-bautzen.de

Metadaten

Titel
Sorbisches National-Ensemble/​Serbski ludowy ansambl
Titel
Sorbisches National-Ensemble/​Serbski ludowy ansambl
Autor:in
Scholze, Dietrich
Autor:in
Scholze, Dietrich
Schlagwörter
Folklore; Gesang; Institution; Komposition (Musik); Musik; Vogelhochzeit; Schauspiel; Tanz; Ballett
Schlagwörter
Folklore; Gesang; Institution; Komposition (Musik); Musik; Vogelhochzeit; Schauspiel; Tanz; Ballett
Abstract

Gesangs- und Tanzensemble zur professionellen Darbietung sorbischer Musikfolklore mit Sitz in Bautzen.

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Gesangs- und Tanzensemble zur professionellen Darbietung sorbischer Musikfolklore mit Sitz in Bautzen.

Enthalten in Sammlung
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Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
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