Prozess des Erlernens einer Sprache, der das Aneignen von vier sprachlichen Grundkompetenzen beinhaltet: Verstehen und Sprechen (mündliche kommunikative Fertigkeiten werden primär erworben), Lesen und Schreiben (folgen gewöhnlich zu einem späteren Zeitpunkt in der Schule). Erwachsene können alle Grundkompetenzen parallel erwerben. Aufgrund des Status bzw. der Reihenfolge des Spracherwerbs unterscheidet man den Erwerb als Muttersprache (Erstsprache, L1), Zweitsprache (L2) oder Fremdsprache (Ln). Nach dem Zeitpunkt des Erwerbs einer zweiten Sprache unterscheidet man simultanen bzw. parallelen (bis zum Alter von zwei bzw. drei Jahren), frühen (im Alter von zwei bzw. drei bis acht Jahren) und späten Erwerb der Zweitsprache (ab acht Jahren).
Der natürliche (ungesteuerte) Erwerb des Sorbischen als Mutter- bzw. Zweitsprache erfolgt in der Familie oder in Kindertagesstätten, der institutionelle (gesteuerte) Spracherwerb als Fremdsprache dagegen in der Schule. Der frühe Zweitspracherwerb weist viele Parallelen zum Erstspracherwerb auf. Mit zunehmendem Alter und fortschreitender kognitiver Entwicklung verändern sich Lernstrategien, Interessen und Motive. Nach neuesten Erkenntnissen der Hirnforschung greift der/die Lernende insbesondere beim frühen Zweisprachenerwerb auf bestehende Strukturen (neuronale Vernetzungen) zurück, was messbare Vorteile für die intellektuelle Entwicklung des Kindes mit sich bringt.
Logo der sorbischen Bildungsstätte für Erwachsene 1947-1953
Muttersprachlicher Spracherwerb des Sorbischen findet heute vorwiegend im sog.
obersorbischen Kerngebiet statt (→
An Schulen im katholischen obersorbischen
Der Spracherwerb hängt von sprachlichen, kulturellen und sozialen Bedingungen ab. Biologische, sozial interaktive und kognitive Faktoren haben Einfluss auf die Sprachentwicklung, darüber hinaus familiäre Umstände (z. B. die Stellung der Kinder in der Geschwisterreihe), lokale sowie administrative Besonderheiten. Wesentlich ist die Einbeziehung der Eltern in die sprachlichen Aktivitäten der Kinder.
Für die integrative Beobachtung des Erwerbs von zwei oder mehr Sprachen wurden seit den 1990er Jahren spezifische standardisierte Analyseinstrumente entwickelt und auf den bilingualen sorbisch-deutschen bzw. deutsch-sorbischen Spracherwerb übertragen.
Informationsbroschüre für das Witaj-Projekt in der Niederlausitz
Der Spracherwerb ist seit den 1970er Jahren Forschungsgegenstand u. a. von Linguistik, Entwicklungspsychologie und Didaktik, erste Studien bauten auf Ergebnissen der Soziolinguistik, Psycholinguistik oder Pädolinguistik auf. Zum Zweck der Sprachstandsanalyse wurden empirische Untersuchungen in sorbischen Kindertagesstätten vorgenommen, ihre Resultate jedoch bislang nicht im Detail veröffentlicht. Auch für den bilingualen Spracherwerb typische Erscheinungen, etwa Interferenz oder Sprachmischung, waren Gegenstand einzelner Analysen. Die Einführung des Witaj-Modellprojekts 1998 gab den Anstoß zu zwei umfangreichen empirischen Forschungsprojekten, in denen 2005–2008 der bilinguale Spracherwerb von Kleinkindern in ausgewählten deutsch-sorbischen bzw. sorbischen Kindertagesstätten der Ober- und Niederlausitz bei drei- bzw. vierjährigen Kindern bis zum Schuleintritt untersucht wurde.
Lit.: I. Gogolin/H.-J. Roth: Erster Zwischenbericht der wissenschaftlichen Begleitung zum Projekt „Die zweisprachige sorbisch-deutsche Schule“ im Freistaat Sachsen, Hamburg 2004 [masch.]; G. Brankatschk: Frühkindlicher Spracherwerb aus der Sicht der Hirnforschung, in: Das bilinguale Sprachprogramm WITAJ in der Kindertagesstätte und in der Schule in der Niederlausitz, Hg. M. Norberg, Bautzen 2006; S. Grahl: Empirische Untersuchungen zur Einstellung der Eltern zum Sprachprogramm WITAJ, in: Das bilinguale Sprachprogramm WITAJ in der Kindertagesstätte und in der Schule in der Niederlausitz, Hg. M. Norberg, Bautzen 2006; L. Budar/J. Schulz: Sorbisch lernen und lehren. Sprachstandsanalyse in ausgewählten Kindertagesstätten der Ober- und Niederlausitz, in: Witaj und 2plus – eine Herausforderung für die Zukunft, Hg. L. Budarjowa, Bautzen 2009; J. Schulz: Bilingualer Spracherwerb im Witaj-Projekt, Bautzen 2015.
Metadaten
Prozess des Erlernens einer Sprache, der das Aneignen von vier sprachlichen Grundkompetenzen beinhaltet: Verstehen und Sprechen (mündliche kommunikative Fertigkeiten werden primär erworben), Lesen und Schreiben (folgen gewöhnlich zu einem späteren Zeitpunkt in der Schule).
Prozess des Erlernens einer Sprache, der das Aneignen von vier sprachlichen Grundkompetenzen beinhaltet: Verstehen und Sprechen (mündliche kommunikative Fertigkeiten werden primär erworben), Lesen und Schreiben (folgen gewöhnlich zu einem späteren Zeitpunkt in der Schule).