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Braun­kohlen­bergbau
von Frank Förster und Benno Knebel

Wichtigster, aber auch folgenreichster Wirtschaftszweig in der Lausitz, der im Zuge der Industrialisierung entstand und durch Tagebau zu nachhaltigen Veränderungen im sorbischen Siedlungsgebiet geführt hat. Die Region, die nach geologischen Aspekten in zwei Bezirke unterteilt wird, besitzt neben der Leipziger Tieflandsbucht die größten ostdeutschen Lagerstätten an Braunkohle. Die abbauwürdigen Vorräte werden derzeit noch mit mehr als 13 Milliarden Tonnen beziffert.

Die Lausitz wird in Ost-West-Richtung von zwei Urstromtälern durchzogen. Zwischen dem nördlich gelegenen Baruther und dem südlich verlaufenden Lausitzer Urstromtal erstreckt sich der Landrücken des sog. Lausitzer Grenzwalls. (Dessen Südhang markiert die Grenze zwischen den alten Markgraftümern Ober- und Niederlausitz.) Die geomorphologische Differenzierung der Lagerstättenbezirke hat die Geschichte des Braunkohlenbergbaus beeinflusst. Der sog. Bezirk Oberlausitz besteht aus zwei flächenmäßig kleinen, durch Vulkanismus entstandenen Sedimentationsbecken mit mehr als 100 Meter mächtigen Flözen tertiärer Weichbraunkohle. Mit der Schließung der Tagebaue Berzdorf und Olbersdorf wurde der Braunkohlenbergbau hier 1997 eingestellt. Der Lagerstättenbezirk Niederlausitz (Südbrandenburg und Nordostsachsen) liegt zwischen Elsterwerda, Finsterwalde und Luckau im Westen und der Lausitzer Neiße im Osten sowie zwischen Lauchhammer, Hoyerswerda und Niesky im Süden und zwischen Lübben, Cottbus, Peitz und Guben im Norden. Von insgesamt vier Flözhorizonten sind das Ober- und das Unterflöz (Flöze Lausitz 1 und 2) industriell bedeutsam.

Braunkohlentagebaue und Ortsabbrüche in der Lausitz; Karte: Iris Brankatschk

Aufgrund günstiger geo- und hydrologischer Bedingungen wurden die südlichen Randgebiete der Niederlausitz und Teile des Lausitzer Grenzwalls um 1840–1870 zur Wiege des regionalen Braunkohlenbergbaus. Im Bereich oberflächennaher Flöze wurden zunächst flache Tagebaue für Handbetrieb angelegt. Eine Zeit lang wurde Braunkohle auch unter Tage abgebaut. Arbeitskräfte aus der ärmeren Dorfbevölkerung standen zahlreich bereit. Die meisten frühen Grubenarbeiter waren Sorben. Nach der Reichsgründung 1871 entwickelte sich der Braunkohlenbergbau zur Großindustrie. Technologische Kennzeichen waren der Übergang zum mechanisierten Tagebau und die Brikettherstellung. Durch Anwerbung gelangten zunehmend auswärtige Arbeiter ins Revier, weshalb sich der Anteil sorbischer Bergleute trotz absoluten Wachstums verringerte.

Voraussetzung für die Industrialisierung im Braunkohlenbergbau waren großflächige Grundwasserabsenkungen mittels Filterbrunnen sowie der Einsatz moderner Aufschluss- und Fördertechnik. Zu deren Symbol wurden seit den 1920er Jahren die Abraumförderbrücken; 1935 liefen von 18 deutschen Förderbrücken elf in der Lausitz. Das ökonomische Potenzial des Braunkohlenbergbaus diente auch der nationalsozialistischen Rüstungswirtschaft. Während des Zweiten Weltkriegs wurde durch Kohlehydrierung aus Braunkohle Benzin gewonnen. Auf Befehl der Sowjetischen Militäradministration wurden 1945/46 die Bergbauunternehmen beschlagnahmt und den Landesregierungen in Brandenburg und Sachsen übertragen. Damit waren noch vor Gründung der DDR die Weichen für ein Braunkohlenmonopol gestellt, woraufhin eine Autarkie in der Energieerzeugung angestrebt und im großen Umfang Braunkohle als Rohstoff zur Verkokung und Gasproduktion verwendet wurde.

Der Braunkohlenbergbau verursachte von Beginn an eine hohe Umweltbelastung. Obwohl der erste Ortsabbruch im Revier bereits 1924 stattfand (Neu Laubusch), hielten sich die bergbaubedingten Umsiedlungen bis zum „Ölpreisschock“ von 1973 in Grenzen. 49 von 77 vollständigen Devastationen fielen in die Jahre 1974–1989, etwa ein Drittel davon betraf die sorbische Bevölkerung (ca. 8 000 Personen). Ab 1963 wurden insgesamt 27 Dorfkirchen abgetragen, die meisten davon in der Niederlausitz. Mit 180 Millionen Tonnen wurde 1989 der Höhepunkt der jährlichen Braunkohlenförderung erreicht. Zuletzt hatte der Braunkohlenbergbau in der DDR über 55 000 Beschäftigte.

Blick auf den Tagebau Welzow-Süd, 2009; Fotografin: Anja Pohontsch, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Ab 1990 wurde die Lausitzer Kohle- und Energiewirtschaft großflächig eingeschränkt und zugleich technologisch und ökologisch optimiert. Heutige Standorte sind in Brandenburg die Tagebaue Jänschwalde und Cottbus-Nord für das Kraftwerk Jänschwalde sowie Welzow-Süd für das Kraftwerk und die Veredelungsanlagen Schwarze Pumpe.

Ihre Gesamtfördermenge beträgt ca. 40 Millionen Tonnen Rohbraunkohle jährlich. In Sachsen liefern die Tagebaue Nochten und Reichwalde pro Jahr 17 Millionen Tonnen für das Kraftwerk Boxberg. Die Förderung könnte bis etwa 2030 fortgesetzt werden. Eine Weiterführung des Braunkohlenbergbaus für die neu zu errichtenden CO2-freien Kraftwerksanlagen ist bis ca. 2040 mit den Tagebauen Jänschwalde-Nord, Bagenz-Ost und Spremberg-Ost vorgesehen. Zur Entwässerung soll verstärkt die grundwasserschonende Dichtwandtechnik eingesetzt werden.

Ruine eines Bauernhofs am Rande des Tagebaus in Groß Partwitz, 1969; Fotograf: Błažij Nawka, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Wegen des großen Landschaftsverbrauchs, der enormen Umweltschäden und der sozialen Konsequenzen ist der Braunkohlenbergbau auch bei den Sorben umstritten. Die Domowina hat sich nach 1990, besonders in den Auseinandersetzungen um die Umsiedlung des Dorfes Horno bei Forst in der Niederlausitz, klar gegen einen weiteren Abbau des wirtschaftlich attraktiven Rohstoffs ausgesprochen. Obgleich es heute nur noch punktuell zu Ortsabbrüchen kommt, ist der Braunkohlenbergbau weiterhin mit erheblichen Eingriffen in das ökologische Gleichgewicht beider Lausitzen verbunden. Im Lagerstättenbezirk Niederlausitz wurde bisher das Grundwasser auf 2 100 km2 regional abgesenkt, wodurch ein Wasserdefizit von 13 Milliarden Kubikmetern entstand. In einem länderübergreifenden Großprojekt soll der Grundwasserspiegel daher wieder angehoben werden. Durch Flutung von bis zu 30 Tagebaurestlöchern wird derzeit eine künstliche Seenlandschaft geschaffen. Schwerpunkt der Renaturierung von Bergbaufolgelandschaften sind Wiederaufforstung und Rekultivierung von Böden, um die landwirtschaftliche Nutzung zu ermöglichen. Der Findlingspark Nochten ist ein Beispiel für eine rekultivierte Tagebauhochkippe.

Der Braunkohlenbergbau spielt als Thema sowohl in der sorbischen Literatur als auch in der Bildenden Kunst, besonders in der Fotografie, eine Rolle.

Lit.: F. Förster: Um Lausitzer Braunkohle 1849–1945, Bautzen 1990; F. Förster: Verschwundene Dörfer im Lausitzer Braunkohlenrevier, bearbeitet und erweitert von Robert Lorenz, 3. Aufl., Bautzen 2014; Atlas zur Geologie von Brandenburg, Kleinmachnow 1997; Mineralische Rohstoffe und Energierohstoffe im Land Brandenburg, Cottbus/​Kleinmachnow 2007; Verlorene Heimat. Der Bergbau und seine Auswirkungen auf Kirchen und Kirchgemeinden der Ober- und Niederlausitz = Zgubjona domownja. Wustatkowanje górnistwa na cerkwje a cerkwine gmejny we Górnej a Dolnej Łužycy, Horno 2007; Dokumentation bergbaubedingter Umsiedlung, Forst/​Horno 2010.

Metadaten

Titel
Braun­kohlen­bergbau
Titel
Braun­kohlen­bergbau
Autor:in
Förster, Frank; Knebel, Benno
Autor:in
Förster, Frank; Knebel, Benno
Schlagwörter
Devastierung; Industrialisierung; Landschaft; Lausitz; Natur; Rohstoff; Lausitzer Seenlandschaft; Siedlungsgebiet; Tagebau; Renaturierung
Schlagwörter
Devastierung; Industrialisierung; Landschaft; Lausitz; Natur; Rohstoff; Lausitzer Seenlandschaft; Siedlungsgebiet; Tagebau; Renaturierung
Abstract

Wichtigster, aber auch folgenreichster Wirtschaftszweig in der Lausitz, der im Zuge der Industrialisierung entstand und durch Tagebau zu nachhaltigen Veränderungen im sorbischen Siedlungsgebiet geführt hat.

Abstract

Wichtigster, aber auch folgenreichster Wirtschaftszweig in der Lausitz, der im Zuge der Industrialisierung entstand und durch Tagebau zu nachhaltigen Veränderungen im sorbischen Siedlungsgebiet geführt hat.

Enthalten in Sammlung
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Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
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