Soziale Organisationsform von Religion, in der über die Jahrhunderte fest gefügte
Strukturen entwickelt wurden, die im Wesentlichen bis in die Gegenwart bestehen.
Das religiöse Verhalten der Sorben war vor ihrer Berührung mit
dem Christentum von heidnischen Vorstellungen beherrscht, wie sie der damaligen
Naturreligion innewohnten (→ Mythologie) und auch bei den benachbarten westslawischen Völkern
anzutreffen waren.
Mit der Annahme des Christentums wurden die altsorbischen Stämme im 10. Jh. in das deutsche
Reich einbezogen. Dessen Herrscher fühlte sich als christlicher König auch für
die slawische Bevölkerung verantwortlich. Die Sorben waren im Laufe ihrer
Geschichte in die jeweiligen übergreifenden Kirchenstrukturen einbezogen. Es
bestand nie eine eigenständige sorbische Kirchenorganisation. Innerhalb des
Erzbistums Magdeburg wurden 968 die
Bistümer Zeitz (später Naumburg), Merseburg und Meißen gegründet, um die Christianisierung der Gebiete zwischen Saale und Oder zu befördern. So
wie der Gau Milska im 11. Jh. politisch an die Mark Meißen angeschlossen war,
wurden seine Bewohner von jenen Bischöfen geistlich betreut, die in Meißen ihren
Sitz hatten. Das Bistum erstreckte sich über beide Markgraftümer und reichte im
Norden bis Zossen, Storkow und Beeskow. Da für die frühe Zeit eine Deckungsgleichheit von
weltlicher Herrschaft und geistlicher Zuständigkeit galt, ergibt sich daraus die
ursprüngliche Größe der Lausitzen (→ Lusizer, → Milzener, → Lausitz).
Evangelische Kirche in Göda, 2013; Fotografin Hana Schön,
Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Für die Oberlausitz kann die Errichtung einer Missionskirche neben der Burg
Bautzen um das Jahr 1000
angenommen werden. Bald kamen Kirchen in Göda, Kittlitz und
Jauernick hinzu. In der
Niederlausitz entstand um die Mitte des 12. Jh. eine Kirche beim Burggrafensitz
in Cottbus, der weitere in
Calau, Lübben und Niemitsch folgten. Die Ausbreitung der Kirchen scheint hier
jedoch langsamer vorangekommen zu sein. Bis zur deutschen Kolonisation, als das Land noch ganz von
Sorben besiedelt war, kann in beiden Lausitzen nur von einer sehr lockeren
geistlichen Versorgung gesprochen werden, da die wenigen Pfarrkirchen nicht
ausreichten, um eine regelmäßige gottesdienstliche Betreuung der weit
verstreuten Bevölkerung zu sichern. Erst als nach 1200 die Siedlungsdichte
zunahm und mit den schon christianisierten Kolonisten das kirchliche Leben
Auftrieb erhielt, wurden neue Gemeindekirchen gebaut. Sie ermöglichten eine
flächendeckende Teilnahme am Messgottesdienst.
Evangelische Kirche in Kittlitz, 2013; Fotografin Hana Schön,
Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Im Bistum Meißen bildeten die Gebiete der Lusizer und der Milzener eigene
Archidiakonate. In jedem davon führte ein Erzpriester die Aufsicht über die
Priester eines Sprengels mit 10–30 Pfarrkirchen. In der Niederlausitz ergab das
13 Sedes (Erzpriestersitze) mit 227 Pfarrkirchen, in der Oberlausitz 12 Sedes
mit 196 Pfarrkirchen, wie es der Meißener Bistumsmatrikel von 1495 zu entnehmen
ist. Dazu gehörten jeweils rund 100 Filialkirchen. Der Ausbau des Kirchenwesens
lässt sich für Bautzen als der ersten und lange Zeit einzigen Kirche in der
Oberlausitz nachweisen. 1214 hatte hier ein Erzpriester seinen Sitz, 1216 wurde
das Archidiakonat für den oberlausitzischen Sprengel eingerichtet. Daraus kann
auf zahlreiche Pfarrkirchen geschlossen werden. Die Gründung des Bautzener Domstifts um 1215 trug zur
Integration der Sorben in die kirchlichen Strukturen bei. Zur Petrikirche
gehörten damals neun Filialkirchen teils im sorbischen Altsiedelland, teils im
deutschen Kolonisationsgebiet des südlichen Berglands. Sie alle wurden in der
Folgezeit zu selbstständigen Pfarrkirchen erhoben.
Als der Aufbau des Kirchenwesens im späten Mittelalter abgeschlossen war, spiegelte sich in
der Kirchenorganisation die deutsch-sorbische Geschichte der Besiedlung wider. Neben die Ur- und
Großpfarreien (Bautzen, Göda, Cottbus) traten einerseits die kleinen Parochien
in den deutschen Kolonisationsgebieten um Bischofswerda, Görlitz, Lauban/heute: Lubań
(Polen), in der westlichen Niederlausitz und um Sorau/heute: Żary
(Polen), andererseits die großflächigen Herrschaftspfarreien (Hoyerswerda, Baruth, Lieberose, Neu
Zauche). In dieser Zeit wurden auch die Klöster gestiftet,
die sich in den Lausitzen nur in bescheidenem Maße entfalten konnten. An der
Stadtkirche Lübben wurde 1370 mit einem Offizial der Sitz des Archidiakons für
die Niederlausitz eingerichtet.
In der unmittelbaren Nachbarschaft des Kurfürstentums Sachsen, unweit von Wittenberg und an der für Übermittlung von
Nachrichten wichtigen Hohen Straße, standen die Lausitzen frühzeitig dem
Einfluss der lutherischen Reformation offen. Ihre
Durchsetzung vollzog sich für die Sorben in einem fast 100-jährigen Prozess von
1521 bis 1619. In der Niederlausitz wandten sich adlige Grundbesitzer ab 1522
der Bewegung zu, in Cottbus trat die reformatorische Bewegung 1522, in Calau und
Lübben 1530 und 1532 auf. In der Oberlausitz begann sie 1521 in Zittau und Görlitz, in Bautzen 1523, in
Kamenz und Löbau geschah dies 1527. Von den großen
Städten griff die Reformation auf das umliegende Land über. Auf eingezogenem
Klosterbesitz wurden ab 1543 die drei evangelischen sächsischen Fürstenschulen
eingerichtet (Meißen, Schulpforta
und Grimma), an denen freie
„wendische Stellen“ den sorbischen Nachwuchs bei Geistlichen und Beamten sichern
sollten.
Simultankirche St. Petri in Bautzen, um 1920; Sorbisches
Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Im Gegensatz zu staatlich organisierten Territorien wie Sachsen oder Brandenburg konnte sich
in den Lausitzen kein landesherrliches Kirchenregiment ausbilden. Da das
böhmische Königtum als Lehnsherr zu schwach war, um die Nebenländer
konfessionell zu dominieren, kam der Grundsatz „Cuius regio, eius religio“ auf
der Ebene der Grundherrschaften zum Tragen. Der Übergang vom römischen zum
lutherischen Ritus vollzog sich für die Bevölkerung allmählich, da Liturgie und
Gewandung zunächst beibehalten wurden. In den Entscheidungsjahren zwischen 1517
und 1555 waren der bis 1526 regierende König
Ludwig II. von Böhmen und Ungarn zu sehr mit der Türkenabwehr und
der ihm folgende König Ferdinand I. zu
sehr mit der Türken- und Reichspolitik beschäftigt, als dass sie den fernab
gelegenen Markgraftümern Ober- und Niederlausitz die notwendige Aufmerksamkeit
hätten widmen können. 1524 wandte sich Ludwig an die Stände, um sich gegen die
Verbreitung der neuen Lehre auszusprechen (→ Ständeherrschaft). Sein Nachfolger gebot
1531 den Landvögten, das lutherische Bekenntnis auszurotten. 1538 ließ er dem in
Bautzen tagenden Landtag seinen Entschluss mitteilen, sich „des heiligen
Glaubens halber christlich und wohl zu verhalten und nicht der verdammten Lehre
anzuhangen“. Doch die Stände erklärten dem König, sie könnten von der „Wahrheit“
nicht abgehen, sodass dieser schließlich den evangelischen Gottesdienst
gestattete. Auch Dorfgemeinden unter katholisch verbleibender Grundherrschaft
schlossen sich aus eigener Entscheidung der Reformation an, was für Cunewalde unter domstiftlicher Obrigkeit,
für die sieben Orte des Eigenschen Kreises unter dem Kloster St. Marienstern in
Panschwitz-Kuckau und für die
fünf Pfarrkirchen unter dem Kloster Neuzelle zutrifft. In Jauernick bei Görlitz wandte sich die
evangelisch gewordene Gemeinde von ihrem altgläubigen Pfarrer ab, musste aber
weiterhin seine geistlichen Handlungen in Anspruch nehmen, während sie sich zum
regelmäßigen Gottesdienst an benachbarte Gemeinden hielt. Erst 1839 errichtete
sie in Kunnerwitz eine eigene
Kirche.
Die Reformation in den Lausitzen verlief demnach anders, als es von den
Territorien unter lutherischer Landesherrschaft bekannt ist. Die geltende
Landesverfassung sicherte das Fortbestehen kirchlicher Einrichtungen, auch
solcher, die katholisch blieben. Das betraf in der Niederlausitz das Kloster
Neuzelle mit seinem gesamten grundherrlichen Besitz. Das Domstift in Bautzen
konnte seine Rechtsstellung zur Apostolischen Administratur für die Lausitzen
ausbauen. Dadurch überdauerte es die Auflösung des Bistums Meißen und den
Rücktritt des letzten Bischofs Johann IX. von
Haugwitz (1581). Die dem Domstift bzw. dem
Zisterzienserinnenkloster St. Marienstern unterstellten sorbischen
Pfarrgemeinden Bautzen, Radibor,
Crostwitz, Nebelschütz und Wittichenau verblieben beim alten Glauben.
Das Nebeneinander der Konfessionen lässt sich hier nicht mit dem Gedanken religiöser
Toleranz erklären, der erst in der Aufklärung aufkam. Es ging vielmehr um die
Fortdauer verfassungsrechtlicher Regelungen. Unter den 200 Pfarrkirchen, die zum
Abschluss der Reformation im alten Archidiakonat der Oberlausitz vorhanden
waren, machten katholische Kirchen 7 % aus und bildeten somit innerhalb des
evangelisch gewordenen Markgraftums eine konfessionelle Minderheit. Für deren
Fortbestand war v. a. der Einsatz des Bautzener Domdekans Johann Leisentrit bestimmend, der dieses Amt
von 1560 bis 1586 verwaltete. Er rettete die verbliebenen Meißener Positionen
und brachte als vom Kaiser ernannter Generalkommissar für
Glaubensangelegenheiten und als Administrator des Bistums eine neue Stabilität
in das gefährdete katholische Kirchenwesen. Mit seinem Versuch, die deutsche und
die sorbische Sprache in die Abendmahlsliturgie einzuführen, hatte er indes
keinen Erfolg. Auch sein Vorhaben, in den beiden Lausitzen ein selbstständiges
Bistum zu errichten, gelang nicht.
Katholische Kirche und Friedhof in Crostwitz, ohne Datum;
unbekannter Fotograf, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Während sich die mittelalterliche Kirche bei ihrer Wirkung auf Gebetsformeln und
kultische Handlungen beschränken konnte, wuchs mit der Reformation eine Kirche
des Wortes. Die Gottesdienste wurden in Sorbisch und Deutsch statt in Latein
gehalten. Um 1600 waren etwa 90 % der Sorben evangelisch-lutherisch. Für ihre
muttersprachliche Betreuung bestanden in den Städten der Ober- und Niederlausitz
Wendische Kirchen.
Unter den neuen Anforderungen begann im 16. Jh. die Ausbildung einer geistlichen
Literatur in sorbischer Sprache. In Göda wurde eine Lateinschule für
sorbische Knaben zur Vorbereitung auf das Universitätsstudium eingerichtet. Die
Stände der Oberlausitz riefen die Sorben auf, ihre Söhne zum Studium zu
schicken, sodass von 1540 bis 1546 in Wittenberg 40 junge Männer für das
Pfarramt ordiniert werden konnten. Von 1542 bis 1572 gingen aus Hoyerswerda elf
und aus Wittichenau sechs Theologen hervor. Dem Priesternachwuchs der
katholischen Kirche diente das 1728 in Prag eröffnete Wendische Seminar.
Für die Kirchenordnung in beiden Lausitzen nach Übergang an das Kurfürstentum Sachsen waren
die Bestimmungen des Traditionsrezesses von 1635 maßgebend, die keine Veränderungen am
damaligen Stand erlaubten. Daher blieb die Kirchenverfassung so, wie sie sich im
16. Jh. herausgebildet hatte. Weder der Übertritt des Hauses Hohenzollern unter
Johann Sigismund zur reformierten
Lehre 1613 noch die Konversion Augusts des
Starken 1697 und danach des Hauses Wettin zur katholischen Kirche
wirkten sich auf die Konfession der Landesbewohner aus. Die führende Stellung
der Landstände, die sich in der Vorherrschaft der beiden Landtage äußerte,
zeigte sich auch bei den Kirchenpatronen. Die Zentralisierung der
Kirchenverwaltung war auf ein Mindestmaß begrenzt. Auch der Pietismus brachte
keine Veränderung der Situation, da er als „ecclesiola in ecclesia“ innerhalb
der evangelischen Kirche wirkte. Eine Ausnahme war die 1751 gegründete Kolonie
der Brüdergemeine in Kleinwelka, die erste freikirchliche Gemeinschaft im sorbischen
Raum; ihre Arbeit im Niederlausitzer Limberg 1781–1857 beschränkte sich dagegen auf die Sammlung und
Betreuung evangelischer Kirchenmitglieder.
Altlutherische Kirche in Klitten, 2013; Fotografin Hana Schön,
Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Der niedersorbische Sprachraum fiel in den Kompetenzbereich dreier Konsistorien: Berlin-Cölln für den Kurmärkisch-Wendischen
Distrikt, Lübben für die sächsische Niederlausitz und Küstrin für den zu Brandenburg gehörenden
Cottbuser Kreis. Erst nachdem die Niederlausitz 1657 dem
Sekundogenitur-Fürstentum Sachsen-Merseburg zugefallen war, wurde dort eine
gewisse Konzentration der Verwaltung angestrebt, in deren Folge das Amt des
Offizials in Lübben zu einem
landesherrlichen Konsistorium ausgebaut wurde (→ Dezemberreskript). Eine generelle
Änderung trat nach Übergang der gesamten Niederlausitz und der nordöstlichen
Oberlausitz an das Königreich Preußen ab 1815 ein. Der durch den Wiener Kongress
erstarkte preußische Staat nahm keine Rücksicht auf den Traditionsrezess.
König Friedrich Wilhelm III.
nutzte das Reformationsjubiläum 1817, um in seinem Herrschaftsbereich die
lutherische und die reformierte Kirche zu einer „Union“ zu vereinigen.
Sichtbarer Ausdruck der konfessionellen Einheit sollte das von ihm entworfene
Gottesdienstbuch sein, das er auch in die obersorbische Sprache übersetzen und
in zwei Auflagen drucken ließ. Gegen die Zwangsvereinigung von Reformierten und
Lutheranern regte sich jedoch Widerstand, der ab 1830 zur Entstehung
selbstständiger Gemeinden führte, die sich 1841 zur Evangelisch-lutherischen
Kirche in Preußen (Altlutheraner) zusammenschlossen. Altlutherische Gemeinden
mit starker sorbischer Prägung bestanden nach 1840 unter maßgeblicher Mitwirkung
von Pfarrer Jan Kilian in der
preußischen Oberlausitz (Weigersdorf
und Klitten) und in der
Niederlausitz (Spremberg und
Döbbrick). Hunderte von
sorbischen Altlutheranern wanderten ab 1848 nach Australien und Nordamerika aus,
wo sie eigene Gemeinden gründeten und diese in lutherische Kirchen mit deutschen
Ursprung integrierten (→ Auswanderung). Die sorbischen
Auswanderer nach Texas begründeten den texanischen Zweig der Lutheran Church
Missouri Synod, die bis heute existiert.
Evangelische Kirche des 1979 devastierten Ortes Tzschelln, 1954;
Fotograf: Ernst Tschernik, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Die territorialen Veränderungen von 1815 bedeuteten, dass die preußische
Oberlausitz an die Provinz Schlesien kam. Die große sorbisch-katholische
Pfarrgemeinde Wittichenau wurde 1821 in das Bistum Breslau/heute: Wrocław (Polen)
eingegliedert. In einigen evangelischen Gemeinden entstanden Freikirchen mit
sorbischem Einschlag. In Werben in
der Niederlausitz wurde 1867 durch den Krämer Kołoźej und den Häusler Tropa eine
katholisch-apostolische Gemeinde gegründet. Ihre ca. 150 Mitglieder, die damals
auch Irvingianer genannt wurden, traten aber nicht aus der evangelischen Kirche
aus. Im Oberlausitzer Kirchspiel Schleife rief Gottlob
Kowal vor 1930 eine freikirchlich-baptistische Gemeinde ins
Leben, in deren Anfangszeit bei Predigt und Unterweisung vorwiegend das
Sorbische verwendet wurde.
In der Niederlausitz herschte zumeist aus wirtschaftlichen Gründen schon im 19. Jh. akuter
Mangel an sorbischen Pfarramtskandidaten. Mit dem Verbot sorbischer
Gottesdienste zur NS-Zeit erlosch
1941 das niedersorbische Kirchenleben. Nach 1949 verhinderte der Cottbuser
Generalsuperintendent Günter Jacob die
Besetzung vakanter Pfarrstellen mit sorbischen Kandidaten. Erst eine
Laieninitiative erreichte 1987 das Wiederaufleben niedersorbischer
Gottesdienste.
Empore in der evangelischen Klosterkirche (Wendische Kirche) in Cottbus,
2013; Fotografin: Hana Schön, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
In der sächsischen Oberlausitz blieb die alte lutherische Kirchenverfassung bis 1926 in
Kraft, danach wurde sie durch die Einrichtung von Superintendenturen der
Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens angepasst. Für die Sorben wurde
das Amt des Oberpfarrers geschaffen. Die staatskirchlichen Formen der
evangelischen Kirchenverfassung hatten über das Ende der Monarchie 1918 und über
den Umbruch von 1945 hinaus Bestand. 1949 wurden für das zweisprachige Gebiet in
Sachsen durch ein Kirchengesetz (novelliert 2003) die Sorbische Superintendentur
und der Sorbische Kirchgemeindeverband installiert, wodurch erstmals eine
rechtlich gesicherte Selbstverwaltung der Sorben innerhalb einer Kirche
entstand. Das Restgebiet der preußischen Oberlausitz links der Neiße wurde 1947
einem in Görlitz geschaffenen evangelischen Konsistorium mit der Bezeichnung
Görlitzer Kirchengebiet unterstellt. 1951 wurde daraus die Evangelische Kirche
von Schlesien. Sie wurde 1968 in Evangelische Kirche des Görlitzer
Kirchengebiets und 1992 in Evangelische Kirche der schlesischen Oberlausitz
umbenannt, die sich 2004 mit der Berlin-Brandenburger Landeskirche zur
Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO)
vereinigte. Diese verabschiedete 2005 ein Gesetz über die kirchliche Arbeit mit
Sorben bzw. Wenden, worin die Bildung
eines speziellen Beirats festgeschrieben wurde.
Katholische Kapelle in Schmochtitz, 2013; Fotografin: Hana
Schön, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Die römisch-katholischen Sorben gehören weiterhin zwei deutschen Bistümern an.
1921 wurde das Bistum Meißen mit Sitz in Bautzen wiedererrichtet, es vereinte
die Apostolische Administratur der Oberlausitz und das Apostolische Vikariat
Sachsen. Die sorbischen Gemeinden verloren dadurch ihre traditionelle
Priesterausbildung, die fortan statt in Prag ab 1922 in Paderborn, ab 1952 in
Erfurt bzw. in den Priesterseminaren 1927–1945 in Schmochtitz, ab 1953 in Neuzelle stattfand.
Nach 1945 entstand in Görlitz eine Apostolische Administratur für den deutsch
gebliebenen Teil des Erzbistums Breslau, der seit 1994 als Bistum Görlitz
firmiert. Zu diesem zählt auch die Kirchgemeinde Wittichenau, denn die von
Sorben mehrfach geäußerte Erwartung ihrer Rückgliederung an das Bistum Meißen
wurde nicht erfüllt. Dem Druck zur sprachlichen und kulturellen Assimilation an
das Deutsche haben die katholischen Sorben stärker widerstanden, weil sie
infolge der doppelten Abgrenzung durch Nationalität und Religion ihre Identität
stabilisieren konnten.
Lit.: W. Schlesinger: Kirchengeschichte Sachsens im Mittelalter, 2 Bde., Köln 1962; K.
Blaschke/ W. Haupt/H. Wiessner: Die Kirchenorganisation in den Bistümern Meißen,
Merseburg und Naumburg um 1500, Weimar 1969; R. Lehmann: Untersuchungen zur
Geschichte der kirchlichen Organisation und Verwaltung der Lausitz im
Mittelalter, Berlin 1974; K. Blaschke: Lausitzen, in: Die Territorien des Reichs
im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Land und Konfession
1500–1650, Band 6: Nachträge, Hg. A. Schindling/W. Ziegler, Münster 1996; Eine
Kirche – zwei Völker. Deutsche und sorbische Quellentexte zur Geschichte des
Bistums Dresden- Meißen, 3 Bände, Bautzen/Leipzig 2003, 2008, 2013; D.
Teichmann: Wendische Kirchengeschichte und Kirchenliteratur in der Niederlausitz
seit der Reformation bis 1800, Cottbus 2009; Stätten und Stationen religiösen
Wirkens, Hg. L.-A. Dannenberg/D. Scholze, Bautzen 2009.