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Küche
von Hync Rychtaŕ

Gesamtheit von überlieferten Rezepten und Eigenarten der Speisenzubereitung einer Region. Eine einheitliche sorbische Küche im Sinne von „Kochkunst“ gibt es ebenso wenig wie eine spezifisch sorbische Esskultur. Beides unterscheidet sich nicht grundsätzlich von den Sitten und Gebräuchen der deutschen Bevölkerung in den Lausitzen. Dennoch lassen sich, abgesehen von regionalen Besonderheiten, einige Gemeinsamkeiten finden, die man als sorbisch oder lausitzisch bezeichnen kann und die v. a. durch die natürlichen Gegebenheiten (Klima, Bodenbeschaffenheit, Landwirtschaft) geprägt sind. So ist die sorbische Küche in erster Linie eine Küche der bäuerlichen Landbevölkerung, die früher vorwiegend die einheimischen bzw. selbst produzierten Rohstoffe verwendete und diese meist schnell und einfach zubereitete. Feldfrüchte wie Getreide, Hirse, Buchweizen, Rüben und die gängigen Gemüsesorten, seit der zweiten Hälfte des 18. Jh. auch Kartoffeln, bildeten in vielen Varianten die Nahrungsgrundlage. Flachs bzw. Gemeiner Lein diente nicht nur der Faser-, sondern auch der Ölgewinnung. Fleisch und Fett aus eigener Tierhaltung (Rind, Schwein, Schaf, Ziege, Geflügel) sowie weitere tierische Produkte wie Eier, Milch, Quark und Käse lieferten wichtige Nährstoffe und bereicherten den Speiseplan, wurden jedoch – je nach der wirtschaftlichen Situation – eher sparsam eingesetzt. Lediglich bei Feiern wie Hochzeit oder Kindtaufe gab es überlieferte Menüs mit einem großen Angebot an traditionellen Speisen, z. B. Schwarze Suppe (aus dem Blut geschlachteter Tiere), und Getränken.

Rindfleisch mit Meerrettichsoße und Brot; Fotografin: Hana Schön, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Die Zusammenstellung aus vorwiegend eigenen bzw. aus der Region stammenden pflanzlichen Nahrungsmitteln bei mäßiger Zugabe von Produkten tierischer Herkunft wie Schmalz, Speck oder Butter sowie Nutzung einheimischer Kräuter und Würzmittel macht die sorbische Küche zu einer gesunden und ausgewogenen Ernährungsweise. Dabei wurde mit viel Fantasie und Kreativität eine Kochkultur entwickelt, die trotz bescheidener Mittel eine geschmackliche Vielfalt hervorbrachte und sich in den einzelnen Landstrichen namentlich durch regionaltypische Zutaten unterschied. So treten naturgemäß im Spreewald Süßwasserfisch, Meerrettich und Gurke häufig auf, in der Heide neben einfachen Hirse- und Buchweizenvariationen auch Waldpilze und Beeren, gelegentlich Wild, in der Oberlausitz die typische Hochzeitssuppe mit Eierstand, als Hauptgericht gekochtes Rindfleisch mit Meerrettichsoße, „serbske neple“ (eine spezielle Art von Kartoffelsalat mit grünen Bohnen, Gurke und ausgelassenem Speck) oder Hefeplinsen.

Zu Festtagen wie der Kirmes wird selbst gebackener Blechkuchen (obersorb. tykanc, niedersorb. tykańc ,mit Obst belegter Kuchen‘; niedersorb. mazańc ,mit Quark, Mohn u. a. bestrichener Kuchen‘) angeboten, wochentags ist pressfrisches Leinöl zu Quark mit Pellkartoffeln beliebt. Typisch für die Lausitz ist Leinöl mit Brot oder Brötchen und Zucker. Zur Konservierung von Lebensmitteln für den Winter nutzte man neben Einlagerung in Kellern und Mieten (Obst, Gemüse, Rüben, Kartoffeln) das Trocknen bzw. Dörren (Obst, Pilze) sowie das saure Einlegen und Einkochen von Obst, Gemüse, Fleisch und Wurst. Die beim Schweineschlachten nach überlieferten Rezepturen hergestellten Würste (z. B. Grütz-, Semmel- oder Leberwürste) mit diversen Füllungen wurden durch Räuchern bzw. Einkochen haltbar gemacht, Fleisch auch durch Einpökeln in Holzfässern.

Mit der fortschreitenden Industrialisierung und Globalisierung des Lebensmittelhandels kamen bis dahin kaum bekannte Produkte wie Reis oder Seefisch, exotische Gewürze wie Safran, Zimt, Muskat oder Zutaten wie Rosinen, Mandeln und Zitronen hinzu, allmählich auch ganz neue Rezepte. So haben die bürgerlich-städtische (deutsche) Küche und internationale Einflüsse inzwischen einen Großteil der althergebrachten Speisen verdrängt, zumal diese häufig als Arme-Leute-Essen angesehen wurden. Eine gewisse Renaissance erleben sie in privaten Haushalten und in der Gastronomie, was durch den allgemeinen Trend zur Rückbesinnung auf das Eigene und auf regionale Tradition befördert wird. So gelangten etwa Holunder- und Biersuppe, Krautmauke und Kochkäse, Kürbiskompott und Quarkauflauf zu neuem Ansehen.

Lit.: J. Radyserb-Wjela: Jědźnych tworow mjena z přimjenami, in: Časopis Maćicy Serbskeje 1907; E. Schneeweis: Feste und Volksbräuche der Sorben, vergleichend dargestellt, Berlin 1953; H. Rychtaŕ/​M. Starosta/​I. Brankatschk: Sorbisches Haus – gastlicher Tisch. Originale Rezepte aus der sorbischen Bauernküche, 2. Aufl., Bautzen, 1991; C. Lehmann-Enders: Kneedel, Leinöl und Quark. Ein kleiner Exkurs durch die Spreewälder Küche, Lübben 2003; G. Träger: Sorbische Küche, Spitzkunnersdorf 2013; Th. Lukaš: Warimy z Tomašom, Bautzen 2016.

Metadaten

Titel
Küche
Titel
Küche
Autor:in
Rychtaŕ, Hync
Autor:in
Rychtaŕ, Hync
Schlagwörter
Küche; Ernährung; Lebensmittel; Mahlzeit; Speise; Leinöl; Meerrettich; Hochzeitssuppe
Schlagwörter
Küche; Ernährung; Lebensmittel; Mahlzeit; Speise; Leinöl; Meerrettich; Hochzeitssuppe
Abstract

Gesamtheit von überlieferten Rezepten und Eigenarten der Speisenzubereitung einer Region. Eine einheitliche sorbische Küche im Sinne von „Kochkunst“ gibt es ebenso wenig wie eine spezifisch sorbische Esskultur.

Abstract

Gesamtheit von überlieferten Rezepten und Eigenarten der Speisenzubereitung einer Region. Eine einheitliche sorbische Küche im Sinne von „Kochkunst“ gibt es ebenso wenig wie eine spezifisch sorbische Esskultur.

Enthalten in Sammlung
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Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
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