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DDR-Zeit
von Michael Nuck

Epoche zwischen 1949 und 1990, die mit der Gründung eines sozialistischen Staates nach sowjetischem Vorbild im Osten Deutschlands begann. Ihr ging die Machtübernahme der Kommunisten in der Sowjetischen Besatzungszone zwischen 1945 und 1949 voraus. Sie endete 1989/90 mit der politischen Wende. Für die Sorben war es eine ambivalente Periode, einerseits durch gesetzliche Sicherungen, öffentliche Förderung und den Aufbau von Institutionen, andererseits durch Unterordnung nationaler Bestrebungen zugunsten ideologischer Vorgaben der herrschenden SED und fortschreitende Assimilation.

Nach der deutschen Kapitulation am 8.5.1945 kam es in der Oberlausitz früh zu einer Revitalisierung des nationalen und kulturellen Lebens der Sorben. Ausdruck der anfänglichen Euphorie waren die Gründung des „Serbski narodny wuběrk“ (Sorbischer Nationalausschuss) in Prag am 9.5.1945 sowie die Wiederbelebung der Domowina einen Tag später. Vor allem der Nationalausschuss bemühte sich um eine Angliederung der Lausitzen an die Tschechoslowakei oder zumindest um eine größere politisch-administrative Autonomie (→ Autonomiebestrebungen). Die Sowjetische Militäradministratur und die SED standen solchen Plänen jedoch ablehnend gegenüber. So passte sich die Domowina unter Pawoł Nedo zunehmend den politischen Gegebenheiten an. Zahlreiche Sorben traten aufgrund ihrer Erfahrungen mit der Terrorherrschaft der Nationalsozialisten der SED bei, in die sie Hoffnungen bezüglich ihrer nationalen und kulturellen Belange setzten. In der Brigadebewegung der späten 1940er Jahre konnten viele junge Sorben für die Beseitigung von Kriegsschäden und den Wiederaufbau der Infrastruktur (darunter in Jugoslawien) mobilisiert werden.

In der Niederlausitz verzögerte sich die Neuentfaltung des sorbischen kulturellen Lebens. Die Domowina wurde 1946 in Werben unter Vorsitz von Měto Laški wiedergegründet, ihre Aktivitäten jedoch von staatlichen Organen als illegal verfolgt. Erst 1949 wurde sie behördlich anerkannt. Zudem war ihre Akzeptanz in der Bevölkerung gering.

Sorbische Delegation beim Präsidenten der DDR Wilhelm Pieck, 1950; Fotograf: Kurt Heine, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Zeugnisausgabe an die erste Abiturklasse der Sorbischen Oberschule, 1951; Fotograf: Kurt Heine, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

In den 1940er und 1950er Jahren stand der Aufbau des Schulwesens und eines Institutionennetzes im Vordergrund der sorbischen Bemühungen. Am 6.1.1946 wurde in Radibor das erste sorbische Lehrerseminar gegründet und in zahlreichen Schulen der Oberlausitz sorbischer Sprachunterricht eingeführt. Aufgrund des Fehlens höherer Bildungseinrichtungen wurden in tschechischen Gymnasien (Česká Lípa, später Varnsdorf, Liberec) sorbische Klassen eingerichtet, die dort eine rege kulturelle wie politische Aktivität entfalteten.

Seit 1947 arbeitete wieder eine sorbische Druckerei (bis 1956 als private Genossenschaft), ab Juli 1947 erschien die obersorbische Tageszeitung „Nowa doba“; die niedersorbische Wochenzeitung „Nowy Casnik“ folgte ab Dezember 1947 zunächst als monatliche Beilage (→ Zeitungen). Zudem wurden 1948 erste obersorbische, seit 1950 niedersorbische Rundfunksendungen ausgestrahlt (→ Rundfunk). Ein professionelles Theater entstand 1948.

Noch vor Gründung der DDR erreichten Mitglieder der Domowina nach einem Vorschlag von Korla Janak, dass am 23.3.1948 vom Sächsischen Landtag das Gesetz zur Wahrung der Rechte der sorbischen Bevölkerung erlassen wurde, das als Grundlage des späteren Minderheitenschutzartikels 11 der DDR-Verfassung von 1949 diente (→ Sorbengesetze). In diesem Zusammenhang wurde 1948 das Sorbische Kultur- und Volksbildungsamt in Bautzen geschaffen, womit die Sorben erstmals ein eigenes staatliches Verwaltungsorgan bekamen. Das Amt übernahm von der Domowina die Aufgabenbereiche Schule/​Erwachsenenbildung, Presse/​Funk/ Film, Öffentliches Leben, Kunst/​Kultur/​Wissenschaft, Jugend, Frauen und Finanzen. Bis zur Angliederung an das Ministerium des Innern der DDR 1955 wurden einige Bereiche wieder abgegeben.

Der politisch-ideologische Einfluss auf die sorbischen Entwicklungen nahm seit dem Zusammengehen der Domowina mit der SED stetig zu. Damit einher ging der Bruch mit dem Sorbischen Nationalausschuss im Oktober 1946. Nach einer Beratung führender Domowina-Vertreter mit dem Parteivorstand der SED im November 1947 wurde die Domowina als alleinige Interessenvertreterin in der zweisprachigen Region anerkannt und entsprechend ausgerichtet. Mitglieder des Nationalausschusses wurden diskreditiert, in den folgenden Jahren kam es zu politisch motivierten Verhaftungen wie 1950 von Jurij Rjenč und Bjarnat Rachel. Seit Beginn des offenen Konflikts zwischen Jugoslawien und der Sowjetunion 1948 gerieten weitere Sorben unter dem Verdacht des Titoismus ins Visier der Staatssicherheit.

Wahlplakat von Horst Šlosar, 1958; Repro: Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Margot Honecker besucht den Festakt zum 10. Jahrestag des Sorbischen Instituts für Lehrerbildung, 1956; Fotograf: Kurt Heine, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Die sorbische Jugend versuchte im Zuge der Brigadebewegung mit der Schaffung der „Serbska młodźina“ am 13.7.1946 eine eigenständige Organisation aufzubauen, sie wurde jedoch bald sukzessive in die Freie Deutsche Jugend (FDJ), der einzig staatlich anerkannten Jugendorganisation der DDR, überführt. Ebenso misslangen Bemühungen, in anderen Parteien wie CDU oder der Demokratischen Bauernpartei Deutschlands (DBD) nationale und kulturelle Belange der Sorben unabhängig zu behandeln, da alle Parteien bis Ende der 1940er Jahre den Vorgaben der herrschenden SED unterworfen wurden. Einzelne dort engagierte Sorben wie Pawoł Šołta (DBD) gerieten in Haft.

Durch Reorganisierung und Zentralisierung der Domowina wurden zwischen 1949 und 1956 in der Niederlausitz vier, in der Oberlausitz sechs Kreisverbände sowie ein Hochschulverband geschaffen. Gleichzeitig kam es zu personellen Veränderungen. Der bisherige Vorsitzende Pawoł Nedo wurde 1950 vom SED-Funktionär Kurt Krjeńc abgelöst, weitere Vorstandsposten wurden mit kaderpolitisch geschulten Personen besetzt, die bisher kaum in der sorbischen Bewegung aktiv gewesen waren. Krjeńc (bis 1973) und nach ihm der 1. Sekretär des Bundesvorstands Jurij Grós leiteten während der DDR-Zeit die Geschicke der Domowina und somit das offizielle sorbische nationale und kulturelle Leben. Die Kreisverbände in der Niederlausitz und in der östlichen Oberlausitz verzeichneten bis 1989 steigende Mitgliederzahlen, während die anfänglich hohen Zahlen in den Verbänden Bautzen, Crostwitz/​Kamenz und Hoyerswerda stagnierten oder zurückgingen.

Auf Landesebene bestand seit 1946/47 in Sachsen ein Sekretariat für sorbische Fragen beim Bezirksvorstand Lausitz der SED. In Brandenburg gab es zunächst kein solches Gremium. Erst als durch eine Regierungsverordnung vom 12.9.1950, die inhaltlich weitgehend dem sächsischen Sorbengesetz entsprach, auch in Brandenburg eine gesetzliche Grundlage für die Förderung der Sorben geschaffen war, wurde in Cottbus ein Sorbisches Referat der Landesregierung eingerichtet. Staatlicherseits wurde die Sorbenpolitik anfangs direkt durch das Büro des Parteivorsitzenden Wilhelm Pieck geleitet. Nach Gründung der DDR war ab 1951 die Abteilung Staatliche Verwaltung im Zentralkomitee der SED für sorbische Angelegenheiten zuständig, die 1955 zur Abteilung Staatliche Organe (seit 1957 unter der Bezeichnung Staats- und Rechtsfragen) umstrukturiert wurde. Die jeweils übergeordneten Politbüromitglieder übten meist nur einen geringen Einfluss auf die Sorbenpolitik aus, sodass die Abteilung selbst die entscheidende Schnittstelle zwischen der Domowina und der SED war. Hier beeinflussten v. a. Klaus Sorge- nicht (seit 1954 Leiter der Abteilung) und dessen Mitarbeiter Erwin Jurisch maßgeblich die Entscheidungen der Parteispitze. Bildungs-, Forschungs- und kulturelle Angelegenheiten wurden auch von anderen ZK-Abteilungen behandelt. In den regionalen Parteistrukturen waren keine Verantwortungsbereiche für Sorbenfragen vorgesehen. Nur die SED-Kreisleitung in Bautzen befasste sich kontinuierlich mit sorbischen Fragen.

Kinder eines sorbischen Kindergartens beglückwünschen Soldaten der Nationalen Volksarmee der DDR (NVA), um 1966; Fotograf: Kurt Heine, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Bühnenprogramm zum III. Festival der sorbischen Kultur 1972 in Bautzen; Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Bis 1958 versuchte Fred Oelßner, Mitglied des SED-Politbüros, eine staatlich streng gesteuerte, jedoch auf breite sprachliche und kulturelle Förderung ausgerichtete Sorbenpolitik durchzusetzen. Unter diesen Bedingungen schritt die Institutionalisierung des sorbischen Kulturlebens voran. 1951 und 1952 entstanden die wissenschaftlichen Institute in Bautzen (→ Sorbisches Institut) und Leipzig (→ Institut für Sorabistik), 1952 das Sorbische National-Ensemble, 1958 der Domowina-Verlag. Auch die Orts- und Straßenbeschilderung im Siedlungsgebiet wurde sukzessive zweisprachig. Im Gegenzug kanalisierte man die gesamte kulturelle Arbeit innerhalb der Domowina, die inzwischen als Massenorganisation der Nationalen Front angehörte. Als kulturelle Höhepunkte wurden zunächst Sorbische Volkstreffen veranstaltet, ab 1966 sieben Festivals der sorbischen Kultur. Weitere politische und kulturelle Veranstaltungen wurden auf Kreisebene oder von den Domowina-Ortsgruppen organisiert. Außerhalb dieser Strukturen war mit Ausnahme der kirchlichen Sphäre unabhängige Kulturarbeit kaum mehr möglich.

Im Bereich der Schule bot die „Anweisung zur Regelung der Schulverhältnisse in den sorbischen Sprachgebieten der Länder Sachsen und Brandenburg“ vom 9.4.1952 durch das Ministerium für Volksbildung die gesetzliche Grundlage für die Einrichtung zweier Schultypen. In Schulen des Typs A (1955: 11 Schulen, ausschließlich in der Oberlausitz) wurde der Unterricht in Sorbisch abgehalten, während in Typ-B-Schulen Sorbisch als Fremdsprache gelehrt wurde. In der Niederlausitz begann der Sorbischunterricht an den Grundschulen 1952. Zudem wurden zwei sorbische Oberschulen (heute Gymnasien) in Bautzen und Cottbus gegründet und in der Oberlausitz sorbische Kindergärten eingerichtet. Zur sprachlichen Ausbildung von Lehrern und Erziehern gab es ab 1953 in der Oberlausitz in Milkel und seit 1954 in der Niederlausitz in Dissenchen sorbische Sprachschulen. Ab 1958 wurde das zweisprachige Bildungsprinzip jedoch schrittweise relativiert. Einschneidend war die 7. Durchführungsbestimmung zum Schulgesetz der DDR 1964, die praktisch die Freiwilligkeit jeglichen sorbischsprachigen Unterrichts festlegte. Sie rief zum Teil Proteste der sorbischen Bevölkerung hervor, ungeachtet dessen sank die Teilnahme am Sorbischunterricht von ca. 12 000 auf ca. 3 000 Schüler innerhalb eines Jahres. Durch Schulschließungen, Lehrermangel und fehlendes Interesse am Sorbischunterricht nahm die Zahl von ca. 110 Schulen mit Sorbischunterricht seit den 1960er Jahren kontinuierlich ab (1980: ca. 60 Schulen).

In Literatur, Medien und Kunst setzte ein quantitativer wie qualitativer Aufschwung ein. Mit Jurij Brězan, Jurij Koch und Kito Lorenc erreichten erstmals sorbische Literaten größere Bekanntheit in der deutschen Öffentlichkeit. Sowohl Schriftsteller als auch Musikschaffende und bildende Künstler hatten sich in Arbeitskreisen (→ Komponistenvereinigung, → Schriftstellervereinigungen, → Vereinigungen bildender Künstler) eigene Organisationen geschaffen, die später in die jeweiligen DDR-Verbände aufgenommen wurden und nach deren künstlerischen und politischen Vorgaben arbeiteten.

XI. Bundeskongress der Domowina 1987 in Cottbus; Fotograf: Rainer Weisflog, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Dokumentation zur politischen Verfolgung von Sorben in der DDR-Zeit, Domowina-Verlag 2004

Die Gründung eines staatlich geförderten Verlagswesens, die Institutionalisierung der Wissenschaft sowie die materielle Absicherung schriftstellerischer Tätigkeit boten günstige Rahmenbedingungen für eine kontinuierliche Literaturproduktion. Neben vielen Einzelveröffentlichungen konnten zahlreiche große Editionsprojekte realisiert werden, etwa die „Stawizny serbskeho pismowstwa“ (Geschichte des sorbischen Schrifttums, ab 1954), die Reihe „Sorbische Volkstrachten“ (ab 1954), der „Sorbische Sprachatlas“ (1965–1996) oder Gesamtausgaben namhafter sorbischer Autoren. Jedoch waren auch dem publizistischen Betrieb politisch-ideologische Grenzen gesetzt, Kontrolle und Zensur wirkten – wie in der gesamten DDR – in allen sorbischen Medien repressiv auf die freie Literaturentwicklung und Meinungsbildung ein.

Obwohl die strukturellen Bedingungen für die Sorben in der Lausitz besser als je zuvor waren, gab es aufgrund systembedingter Beschränkungen ständig Konflikte. Zwischen 1952 und dem sog. „Sozialistischen Frühling“ 1960 kam es durch die Kollektivierung der Landwirtschaft zu Auseinandersetzungen zwischen der sorbischen Landbevölkerung und der Domowina, welche die staatlichen Interessen vertrat. Aus Protest gegen diese Haltung traten v. a. in der ethnisch gefestigten katholischen Region viele Mitglieder aus der Domowina aus. Im Zuge der Kollektivierung wurden einige Landwirte verhaftet, andere verließen die DDR.

Trotz kultureller und schulischer Förderung schritt die Assimilation weiter voran. Zwei Faktoren wirkten sich dabei am stärksten auf die nationale Substanz aus: Zum einen veränderte der massive Zuzug von Flüchtlingen und Vertriebenen in den 1940er Jahren die ethnische Struktur der Lausitzer Dörfer nachhaltig. Binnen kurzer Zeit waren ehemals sorbische Dörfer zu über 20 %, teilweise über 50 % mit deutschen Ankömmlingen bewohnt. Zum anderen hatte der forcierte Braunkohlenbergbau zahlreiche Ortsabbrüche sowie eine starke Zuwanderung deutscher Arbeitskräfte in die Lausitz zur Folge, wodurch sich das Bevölkerungsverhältnis weiter zuungunsten der Sorben verschob. Mehr als 70 Dörfer in der nördlichen Oberlausitz und der Niederlausitz verschwanden zwischen 1974 und 1989, während Kleinstädte und Orte wie Hoyerswerda, Weißwasser oder Boxberg teilweise stark anwuchsen. Auch in nicht vom Bergbau betroffenen Ortschaften kam es durch den Aufbau von Industrie und Wohnkomplexen (z. B. Wetro) zu einer Veränderung der Siedlungsstrukturen. Vonseiten der Domowina gab es kaum Widerstand gegen diese Entwicklungen, deren negative Folgen in der Öffentlichkeit weitgehend tabuisiert waren. Erst in den 1970er und 1980er Jahren brachten vereinzelt Schriftsteller und Medien diese Probleme zur Sprache.

Noch wenig erforscht ist, in welchem Ausmaß sorbische Institutionen an der politisch-ideologischen Überwachung von Angehörigen der Minderheit und der sorbischen Kultur beteiligt waren. Das Ministerium für Staatssicherheit hatte in allen Einrichtungen inoffizielle Mitarbeiter angeworben, die oft selbst Sorben waren. Diese observierten sowohl die eigenen Kollegen als auch sorbische kulturelle Aktivitäten, die nicht von der Domowina ausgingen. So wurden einerseits politisch missliebig gewordene Sorben durch Verhaftung (so 1958 der sorbische Zeitungsredakteur Hinc Šołta), Entlassung, Versetzung und Diskreditierung aus der sorbischen Öffentlichkeit gedrängt und andererseits unabhängige Versuche kultureller Betätigung unterbunden (z. B. 1988 Verbot der Zeitung „Serbski Student“).

Studie über die Infiltration des sorbischen Kulturlebens durch die Staatssicherheit, Domowina-Verlag 2016

Das Verhältnis der christlichen Kirchen zur Domowina blieb über die gesamte DDR-Zeit gespannt. Einerseits gehörte der Großteil der Domowina-Mitglieder stets zur evangelischen oder katholischen Konfession. Andererseits wurden während der Annäherung der Domowina an die SED und ihrer zentralistischen Umstrukturierung Geistliche aus leitenden Positionen der Organisation verdrängt oder verließen sie. Ab 1950 konnten die religiösen Zeitschriften „Katolski Posoł“ und „Pomhaj Bóh“ wieder regelmäßig erscheinen, jedoch unter Aufsicht des Domowina-Verlags. Wesentliche Konfliktpunkte zwischen beiden Seiten waren die Einführung der Jugendweihe 1955, der Streit um die Entfernung von Kruzifixen in Schulen, antikirchliche Beiträge in sorbischen Zeitungen sowie die Kollektivierung der Landwirtschaft. Vereinzelt waren sorbische Geistliche Ziel öffentlicher Angriffe, so etwa der Radiborer Pfarrer Józef Nowak 1957 durch Fred Oelßner. Zudem gab es innerhalb der katholischen Kirche Konflikte zwischen sorbischen Geistlichen und der Kirchenobrigkeit, besonders während der Amtszeit des Bischofs von Dresden-Meißen Gerhard Schaffran (1970–1987).

Auf evangelischer Seite konnten weder in der Ober- noch in der Niederlausitz Vereine etabliert werden, was auch durch die Zugehörigkeit der evangelischen Sorben zu drei verschiedenen Landeskirchen bedingt war. Vereinzelte Bemühungen zur Stärkung des öffentlichen kirchlichen Lebens blieben bis in die 1980er Jahre hinein weitgehend erfolglos und gingen auch danach nur von privaten Initiativen aus.

1987 wurde zwischen Domowina und sorbischen Christen ein Dialog eingeleitet. Dies widerspiegelte sich in gegenseitigen Einladungen zu Feierlichkeiten, der Einrichtung sorbischer kirchlicher Rundfunksendungen, Möglichkeiten von Meinungsäußerungen in sorbischen Medien sowie Gesprächen zwischen Funktionären und Geistlichen.

In der Zeit der politischen Wende waren es meist jüngere Intellektuelle und Vertreter der Kirchen, die im Rahmen der Sorbischen Volksversammlung und des Sorbischen Runden Tischs einen Erneuerungsprozess in der Domowina und im sorbischen öffentlichen Leben überhaupt forderten und einleiteten. Darin kündigte sich ein Elitenwechsel an, der nach der deutschen Wiedervereinigung einsetzte.

Lit.: Serbja pod stalinistiskim socializmom (1945–1960), Bautzen 1992; P. Schurmann: Die sorbische Bewegung 1945–1948 zwischen Selbstbehauptung und Anerkennung, Bautzen 1998; E. Pech: Die Sorbenpolitik der DDR 1949–1970. Anspruch und Wirklichkeit, Bautzen 1999; D. Kotsch: Minderheitenpolitik in der SBZ/​DDR nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Sorben, sowjetische Besatzungsherrschaft und die staatliche Sorbenpolitik, Potsdam 2000; L. Elle: Die Domowina in der DDR, Bautzen 2010. T. Meškank: Sorben im Blick der Staatssicherheit. Die Akten der K 5 und des MfS der DDR 1949–1989, Bautzen 2016. P. Schurmann: Sorbische Interessen und staatliche Minderheitenpolitik in der DDR. Quellenedition (1947–1961), Bautzen 2016. M: Richter: Deutsche Parteien in der sorbischen Oberlausitz 1945–1953. Die politische Entwicklung in den zweisprachigen Kreisen nach dem Zweiten Weltkrieg, Bautzen 2017.

Metadaten

Titel
DDR-Zeit
Titel
DDR-Zeit
Autor:in
Nuck, Michael
Autor:in
Nuck, Michael
Schlagwörter
Braunkohlebergbau; Diktatur; Domowina; Institution; Kirche; Kollektivierung der Landwirtschaft; Kultur; Kulturpolitik; Minderheitenpolitik; Siedlungsgebiet; Sorbenpolitik; Sozialismus; Geschichte 1945–1989
Schlagwörter
Braunkohlebergbau; Diktatur; Domowina; Institution; Kirche; Kollektivierung der Landwirtschaft; Kultur; Kulturpolitik; Minderheitenpolitik; Siedlungsgebiet; Sorbenpolitik; Sozialismus; Geschichte 1945–1989
Abstract

Epoche zwischen 1949 und 1990, die mit der Gründung eines sozialistischen Staates nach sowjetischem Vorbild im Osten Deutschlands begann. Ihr ging die Machtübernahme der Kommunisten in der Sowjetischen Besatzungszone zwischen 1945 und 1949 voraus. Sie endete 1989/90 mit der politischen Wende.

Abstract

Epoche zwischen 1949 und 1990, die mit der Gründung eines sozialistischen Staates nach sowjetischem Vorbild im Osten Deutschlands begann. Ihr ging die Machtübernahme der Kommunisten in der Sowjetischen Besatzungszone zwischen 1945 und 1949 voraus. Sie endete 1989/90 mit der politischen Wende.

Enthalten in Sammlung
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Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
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