XS
SM
MD
LG
XL
XXL
🌐
Osterbräuche
von Měrćin Wałda

Bräuche, die sich auf Ostern als ältestes christliches Fest beziehen, das seit Mitte des 2. Jh. dem jährlichen Gedenken an Tod und Auferstehung Christi dient. Die meisten Osterbräuche gehen auf vorchristliche Frühlingsriten zurück. Konzessionen der Kirche an heidnische Traditionen waren z. B. Palmzweige, geweihtes Osterfeuer, Quellenweihe, Weihe von Osterspeisen oder Umritte. In den sorbischen Osterbräuchen ist das alles vertreten, außer dem Schlag mit der Lebensrute. Heute werden diese Traditionen entweder komplex oder reliktartig und mit unterschiedlicher Intensität gepflegt; einige werden überregional (z. B. Ostersingen, Osterwasserholen oder das Verzieren von Ostereiern), andere eher regional ausgeübt (in der Niederlausitz Osterfeuer, Waleien, in der Oberlausitz Osterschießen, in der katholischen Region Kreuzsingen und Osterreiten).

Das obersorbische Wort jutry bzw. niedersorbische Wort jatšy für Ostern bedeutet ,Frühe‘ oder ,Morgen‘ und war eng verbunden mit der Vorstellung von zunehmender Helligkeit, also von Frühlingsfest bzw. -zeit sowie Erwachen der Natur. Der slawische Frühlingsbrauch des Todaustragens am dritten Sonntag vor Ostern ist bei den Sorben noch im 17. Jh. nachweisbar. Dabei wurde eine Puppe aus Stroh und Lumpen auf hoher Stange über die Dorfgrenze geworfen (auch als „Todaustreiben“ bekannt).

Ostersingen in Seidewinkel, 1949; Fotograf: Kurt Heine, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Während der Gründonnerstagsmesse verstummen in der katholischen Kirche die Kirchenglocken und die Orgel. In vielen katholischen Gemeinden wird das Läuten durch das sog. Klappern bzw. Ratschen (obersorb. klepotanje) ersetzt. So gehen am Karfreitag und Karsamstag die Klapperjungen, zunehmend auch Mädchen, mit hölzernen Klappern (obersorb. klepotawki) durch den Ort und beten früh, mittags und abends an jedem Kreuz das Angelusgebet. Mit der katholischen Auferstehungsmesse in der Osternacht (heute oft auf Samstagabend vorverlegt) bzw. in evangelischen Kirchen im Gottesdienst am frühen Ostersonntag beginnt die Wende von der Trauer zur Freude, vom Fasten zum Feiern. In der katholischen Osternachtliturgie wird eine große, verzierte Osterkerze am neu entfachten und geweihten Osterfeuer entzündet und in einem Lobgesang feierlich begrüßt. Auch das Taufwasser wird geweiht. In den sorbischen katholischen Dörfern rüsten sich am Ostermorgen die Männer zum Osterreiten.

Klapperjungen in Ralbitz, 2009; Fotograf: Rafel Ledschbor

Ostersingen war in der evangelischen Lausitz eine wichtige Tradition der Fasten- bzw. Osterzeit. Laut Quellen aus dem 17. Jh. trafen sich in der Osternacht Männer, um die Felder des Dorfes singend zu umschreiten. Danach sangen sie vor den Häusern und erhielten je nach Vermögen der Hauswirte einen oder zwei Kuchen. Um 1780 waren es junge Mädchen, die an den Fastensonntagen Passionslieder vortrugen. Die Männer gingen oder ritten in der Osternacht zuerst um den Kirchhof, dann um die Felder und schließlich von Haus zu Haus, wofür sie gleichfalls Kuchen bekamen. Ostersingen und -reiten gehen wohl auf Flurumgänge der Männer zurück, mit denen die Saat wie durch einen magischen Kreis gegen böse Einflüsse geschützt werden sollte. Mädchen erscheinen als Brauchträgerinnen erst später: Mitte des 19. Jh. sangen sie während der gesamten Fastenzeit. Höhepunkt war die Osternacht, in der von Haus zu Haus gezogen wurde, am Sonntag trafen sie sich wieder auf dem Dorfplatz. Es bildeten sich so viele Singgemeinschaften, wie es Spinngesellschaften gab (→ Spinnstube). Diese versammelten sich auch zu anderen Festen – Himmelfahrt, Pfingsten oder Trinitatis – inmitten des Dorfes auf Singebänken. Am Ostersingen nahmen verschiedentlich auch Männer teil: Im Cottbuser Kreis und in der nordöstlichen Oberlausitz, die 1815 preußisch wurde, sangen zeitweise nur Mädchen, in der Niederlausitzer Heide überwiegend Burschen oder Männer. Als die meisten Spinnstuben während des Ersten Weltkriegs zerfielen, verstummte bald auch das Ostersingen. Noch bis 1970 bzw. 1984/85 gingen um Jerischke oder Klein-Kölzig Burschen zum Ostersingen. In Groß Buckow, Radewiese oder Wolkenberg wurden sie von Mädchen „unterstützt“. So erhielt das Ostersingen regional verschiedene Muster, wozu wohl das Kreuzsingen und das Osterreiten in der katholischen Region gehörten. In den katholischen Dörfern um Wittichenau pflegen jugendliche Mädchen in der Fastenzeit bis zur Osternacht das Kreuzsingen, in Ostro lediglich am Karfreitag. 1990 erneuerten in Schleife ältere Frauen das Ostersingen; sie gehen seitdem als „Kantorki“ in der Osternacht von Haus zu Haus bzw. singen auf sog. Singebänken bis zum Sonnenaufgang. In jüngster Zeit wurde dieser Brauch auch in Jänschwalde und Schwarzkollm wiederbelebt.

Mädchen beim Osterwasserschöpfen, 1953; Fotograf: Kurt Heine, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

In der Niederlausitz errichten am Karsamstag Jugendliche einen großen Holzstoß, den sie zu Mitternacht als Osterfeuer entzünden und bis zum Morgen bewachen. Die Region des Osterfeuers unterscheidet sich von der des Hexenbrennens.

Osterwasser schöpften Mädchen in der Osternacht bis zum Sonnenaufgang aus einem nach Osten fließenden Gewässer, in dem sie sich wuschen, sich gegenseitig begossen oder das Vieh besprengten. Dies musste schweigend geschehen. Osterwasser förderte angeblich Schönheit, Gesundheit und Fruchtbarkeit. Es soll sich das ganze Jahr frisch halten.

Im 19. Jh. lärmten in der Niederlausitz die Burschen beim Osterschießen (mittels Karbid in blechernen Milchkannen) die ganze Nacht hindurch. Gedeutet wurde dies als Geisterabwehr oder als Freude über die Auferstehung. Heute konzentriert es sich auf die südliche Oberlausitz.

Bunte Ostereier schenkte man einst zwischen Gründonnerstag und Ostern Patenkindern, Dienstboten sowie dem Pfarrer, Küster oder Lehrer. Der Brauch geht auf mittelalterliche Eier- und Speisenweihen, auf das österliche Zinsei als grundherrliche Abgabe oder Eierspenden zurück. Er hängt mit der dem Ei zugeschriebenen Lebenskraft zusammen. In evangelischen Gegenden (z. B. der Schleifer Region) besuchen die Kinder ihre Paten, um sich die Ostereier bzw. das Patengeschenk zu holen. In der katholischen Region bringen die Paten „den Gründonnerstag“ meist ins Haus.

Waleien in Rohne, 1950; Fotograf: Kurt Heine, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Das Waleien ( obersorb. walkać, walkować, niedersorb. walkaś, walkowaś) war ein beliebtes Spiel für Kinder und Jugendliche, an dem bis in die Mitte des 20. Jh. die Dorfbevölkerung teilnahm. Beim Waleien in Gärten oder auf dem Dorfanger wurden gekochte, meist gefärbte Eier über eine künstlich angelegte Bahn (walka) hinabgerollt. Als geschlagen galt das Ei, das von einem später gerollten getroffen wurde. Der Sieger erhielt Stecknadeln, Pfennige oder Groschen. Das Eierschieben in Bautzen auf dem Protschenberg, dem ehemaligen Versammlungs- und Festplatz der vorwiegend sorbischen Einwohner der Seidau (1920 eingemeindet) ist aus dieser Tradition erwachsen. Das erstmals 1830 erwähnte Eierschieben wurde nach 1900 zu einem überregionalen Volksfest mit Jahrmarktstimmung. Bautzener Bürger rollten gekochte Eier, Apfelsinen oder Gebäck den Berg zur Spree hinab, Kinder fingen die Gaben auf. Nach 1960 wurde die Tradition eingestellt; seit 2001 findet das Bautzener Eierschieben wieder statt.

Lit.: M. Handrik-Slepjanski: Wjesne spěwarki, in: Časopis Maćicy Serbskej 55 (1902); G. Bruk: Osterbräuche in der Lausitz, Bautzen 2012.

Metadaten

Titel
Osterbräuche
Titel
Osterbräuche
Autor:in
Wałda, Měrćin
Autor:in
Wałda, Měrćin
Schlagwörter
Brauchtum; Brauch; Ostern; Kirche; Frühling; Christentum; Ritual
Schlagwörter
Brauchtum; Brauch; Ostern; Kirche; Frühling; Christentum; Ritual
Abstract

Bräuche, die sich auf Ostern als ältestes christliches Fest beziehen, das seit Mitte des 2. Jh. dem jährlichen Gedenken an Tod und Auferstehung Christi dient. Die meisten Osterbräuche gehen auf vorchristliche Frühlingsriten zurück.

Abstract

Bräuche, die sich auf Ostern als ältestes christliches Fest beziehen, das seit Mitte des 2. Jh. dem jährlichen Gedenken an Tod und Auferstehung Christi dient. Die meisten Osterbräuche gehen auf vorchristliche Frühlingsriten zurück.

Enthalten in Sammlung
Enthalten in Sammlung
Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
Im Sorabicon 1.0 zu finden unter

Entdecke mehr

Wenden­pfennig
Stiftung für das sorbische Volk/​Załožba za serbski lud
Theater
Volkskunde
Wenden­abteilung
Lusizer