Bräuche, die sich auf Ostern als ältestes
christliches Fest beziehen, das seit Mitte des 2. Jh. dem jährlichen Gedenken an
Tod und Auferstehung Christi dient. Die meisten Osterbräuche gehen auf
vorchristliche Frühlingsriten zurück. Konzessionen der Kirche an heidnische
Traditionen waren z. B. Palmzweige, geweihtes Osterfeuer, Quellenweihe, Weihe
von Osterspeisen oder Umritte. In den sorbischen Osterbräuchen ist das alles
vertreten, außer dem Schlag mit der Lebensrute. Heute werden diese Traditionen
entweder komplex oder reliktartig und mit unterschiedlicher Intensität gepflegt;
einige werden überregional (z. B. Ostersingen, Osterwasserholen oder das
Verzieren von Ostereiern), andere eher
regional ausgeübt (in der Niederlausitz
Osterfeuer, Waleien, in der Oberlausitz
Osterschießen, in der katholischen
Region Kreuzsingen und Osterreiten).
Das obersorbische Wort jutry bzw. niedersorbische Wort jatšy für Ostern
bedeutet ,Frühe‘ oder ,Morgen‘ und war eng verbunden mit der Vorstellung von
zunehmender Helligkeit, also von Frühlingsfest bzw. -zeit sowie Erwachen der
Natur. Der slawische Frühlingsbrauch des Todaustragens am dritten Sonntag vor
Ostern ist bei den Sorben noch im 17. Jh. nachweisbar. Dabei wurde eine Puppe
aus Stroh und Lumpen auf hoher Stange über die Dorfgrenze geworfen (auch als
„Todaustreiben“ bekannt).
Ostersingen in Seidewinkel, 1949; Fotograf: Kurt Heine,
Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Während der Gründonnerstagsmesse verstummen in der katholischen Kirche die
Kirchenglocken und die Orgel. In vielen katholischen Gemeinden wird das Läuten
durch das sog. Klappern bzw. Ratschen (obersorb. klepotanje) ersetzt.
So gehen am Karfreitag und Karsamstag die Klapperjungen, zunehmend auch Mädchen,
mit hölzernen Klappern (obersorb. klepotawki) durch den Ort und beten
früh, mittags und abends an jedem Kreuz das Angelusgebet. Mit der katholischen
Auferstehungsmesse in der Osternacht (heute oft auf Samstagabend vorverlegt)
bzw. in evangelischen Kirchen im Gottesdienst am frühen Ostersonntag beginnt die
Wende von der Trauer zur Freude, vom Fasten zum Feiern. In der katholischen
Osternachtliturgie wird eine große, verzierte Osterkerze am neu entfachten und
geweihten Osterfeuer entzündet und in einem Lobgesang feierlich begrüßt. Auch
das Taufwasser wird geweiht. In den sorbischen katholischen Dörfern rüsten sich
am Ostermorgen die Männer zum Osterreiten.
Klapperjungen in Ralbitz, 2009; Fotograf: Rafel Ledschbor
Ostersingen war in der evangelischen Lausitz eine wichtige Tradition der Fasten-
bzw. Osterzeit. Laut Quellen aus dem 17. Jh. trafen sich in der Osternacht
Männer, um die Felder des Dorfes singend zu umschreiten. Danach sangen sie vor
den Häusern und erhielten je nach Vermögen der Hauswirte einen oder zwei Kuchen.
Um 1780 waren es junge Mädchen, die an den Fastensonntagen Passionslieder
vortrugen. Die Männer gingen oder ritten in der Osternacht zuerst um den
Kirchhof, dann um die Felder und schließlich von Haus zu Haus, wofür sie
gleichfalls Kuchen bekamen. Ostersingen und -reiten gehen wohl auf Flurumgänge
der Männer zurück, mit denen die Saat wie durch einen magischen Kreis gegen böse
Einflüsse geschützt werden sollte. Mädchen erscheinen als Brauchträgerinnen erst
später: Mitte des 19. Jh. sangen sie während der gesamten Fastenzeit. Höhepunkt
war die Osternacht, in der von Haus zu Haus gezogen wurde, am Sonntag trafen sie
sich wieder auf dem Dorfplatz. Es bildeten sich so viele Singgemeinschaften, wie
es Spinngesellschaften gab (→ Spinnstube).
Diese versammelten sich auch zu anderen Festen – Himmelfahrt, Pfingsten oder
Trinitatis – inmitten des Dorfes auf Singebänken. Am Ostersingen nahmen
verschiedentlich auch Männer teil: Im Cottbuser Kreis und in der nordöstlichen Oberlausitz, die 1815
preußisch wurde, sangen zeitweise nur Mädchen, in der Niederlausitzer Heide
überwiegend Burschen oder Männer. Als die meisten Spinnstuben während des Ersten
Weltkriegs zerfielen, verstummte bald auch das Ostersingen. Noch bis 1970 bzw.
1984/85 gingen um Jerischke oder
Klein-Kölzig Burschen zum
Ostersingen. In Groß Buckow,
Radewiese oder Wolkenberg wurden sie von Mädchen
„unterstützt“. So erhielt das Ostersingen regional verschiedene Muster, wozu
wohl das Kreuzsingen und das Osterreiten in der katholischen Region gehörten. In
den katholischen Dörfern um Wittichenau pflegen jugendliche Mädchen in der Fastenzeit bis
zur Osternacht das Kreuzsingen, in Ostro lediglich am Karfreitag. 1990 erneuerten in Schleife ältere Frauen das Ostersingen; sie
gehen seitdem als „Kantorki“ in der Osternacht von Haus zu Haus bzw. singen auf
sog. Singebänken bis zum Sonnenaufgang. In jüngster Zeit wurde dieser Brauch
auch in Jänschwalde und Schwarzkollm wiederbelebt.
Mädchen beim Osterwasserschöpfen, 1953; Fotograf: Kurt Heine, Sorbisches
Kulturarchiv am Sorbischen Institut
In der Niederlausitz errichten am Karsamstag Jugendliche einen großen Holzstoß,
den sie zu Mitternacht als Osterfeuer entzünden und bis zum Morgen bewachen. Die
Region des Osterfeuers unterscheidet sich von der des Hexenbrennens.
Osterwasser schöpften Mädchen in der Osternacht bis zum Sonnenaufgang aus einem nach Osten
fließenden Gewässer, in dem sie sich wuschen, sich gegenseitig begossen oder das
Vieh besprengten. Dies musste schweigend geschehen. Osterwasser förderte
angeblich Schönheit, Gesundheit und Fruchtbarkeit. Es soll sich das ganze Jahr
frisch halten.
Im 19. Jh. lärmten in der Niederlausitz die Burschen beim Osterschießen (mittels
Karbid in blechernen Milchkannen) die ganze Nacht hindurch. Gedeutet wurde dies
als Geisterabwehr oder als Freude über die Auferstehung. Heute konzentriert es
sich auf die südliche Oberlausitz.
Bunte Ostereier schenkte man einst zwischen Gründonnerstag und Ostern
Patenkindern, Dienstboten sowie dem Pfarrer, Küster oder Lehrer. Der Brauch geht
auf mittelalterliche Eier- und Speisenweihen, auf das österliche Zinsei als
grundherrliche Abgabe oder Eierspenden zurück. Er hängt mit der dem Ei
zugeschriebenen Lebenskraft zusammen. In evangelischen Gegenden (z. B. der Schleifer Region) besuchen die
Kinder ihre Paten, um sich die Ostereier bzw. das Patengeschenk zu holen. In der
katholischen Region bringen die Paten „den Gründonnerstag“ meist ins Haus.
Waleien in Rohne, 1950; Fotograf: Kurt Heine, Sorbisches Kulturarchiv am
Sorbischen Institut
Das Waleien ( obersorb. walkać, walkować, niedersorb.
walkaś, walkowaś) war ein beliebtes Spiel für Kinder und
Jugendliche, an dem bis in die Mitte des 20. Jh. die Dorfbevölkerung teilnahm.
Beim Waleien in Gärten oder auf dem Dorfanger wurden gekochte, meist gefärbte
Eier über eine künstlich angelegte Bahn (walka) hinabgerollt. Als geschlagen
galt das Ei, das von einem später gerollten getroffen wurde. Der Sieger erhielt
Stecknadeln, Pfennige oder Groschen. Das Eierschieben in Bautzen auf dem Protschenberg, dem ehemaligen
Versammlungs- und Festplatz der vorwiegend sorbischen Einwohner der Seidau (1920 eingemeindet) ist aus dieser
Tradition erwachsen. Das erstmals 1830 erwähnte Eierschieben wurde nach 1900 zu
einem überregionalen Volksfest mit Jahrmarktstimmung. Bautzener Bürger rollten
gekochte Eier, Apfelsinen oder Gebäck den Berg zur Spree hinab, Kinder fingen die Gaben auf. Nach 1960 wurde die
Tradition eingestellt; seit 2001 findet das Bautzener Eierschieben wieder
statt.
Lit.: M. Handrik-Slepjanski: Wjesne spěwarki, in: Časopis Maćicy Serbskej 55
(1902); G. Bruk: Osterbräuche in der Lausitz, Bautzen 2012.