Inhaltliche, prozessuale und institutionelle Regelung gesellschaftlicher
Beziehungen im Hinblick auf nationale Minderheiten, hier mit Fokus auf die
deutsch-sorbischen Beziehungen. Verschiedene Politikbereiche (→
Die Interessen nationaler Minderheiten umfassen in einer demokratischen Ordnung das gemeinschaftliche Bestreben nach Gleichheit, Integration und Nichtdiskriminierung, nach Anerkennung, Schutz und Achtung sprachlicher und kultureller Besonderheiten, den Wunsch nach einer eigenen Identität und eigenen Gruppenbeziehungen. Minderheitenpolitik wird nicht zuletzt von den verfügbaren gesellschaftlichen Ressourcen bestimmt. Alle Akteure, Institutionen und Instrumentarien politischen Handelns (etwa Parteien, Medien, staatliche Institutionen, Gesetze; seitens der Minderheiten auch spezielle Minderheitenorganisationen, Minderheitenmedien usw.) können Träger von Minderheitenpolitik sein.
Jan Skala, bedeutender sorbischer Minderheitenpolitiker der Zwischenkriegszeit; Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Grundsätzlich kann Minderheitenpolitik als Unterdrückung, Duldung oder Förderung
nationaler Minderheiten betrieben werden. Seitens der Minderheiten kann sie (in
Gestalt einer
Die Herausbildung der bürgerlichen Gesellschaft im 19. Jh. war geknüpft an die
Fiktion vom Nationalstaat mit ethnisch homogener Bevölkerung. Mit den Staaten
entstand Minderheitenpolitik als Instrumentarium zur Regulierung der
zwischennationalen Beziehungen. Historisch bildeten sich zwei Grundrichtungen
heraus, von denen Erstere bis in die jüngste Zeit dominierte: 1. Im Kampf um die
politische und institutionelle Vorherrschaft setzte die Französische Revolution
auf die Schaffung gesamtnationaler sprachlicher und kultureller Strukturen und
einer ethnisch einheitlichen Nation. Dies war verbunden mit einer Politik der
Nach dem Ersten Weltkrieg erhielt die Minderheitenpolitik internationalen Rang. Es wurden zwischenstaatliche Minderheitenschutzabkommen vereinbart, die der Völkerbund überwachte. Nach 1945 wurde Minderheitenpolitik als eine innerstaatliche Angelegenheit betrachtet, der Minderheitenschutz spielte in internationalen Beziehungen zunächst nur eine geringe Rolle. Erst mit Beginn der 1990er Jahre wurde die internationale Dimension der nationalen Minderheiten erkannt (KSZE-Konferenz in Kopenhagen 1990) und 1992 in der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen (in der Bundesrepublik seit 1999 in Kraft), 1994 dann im Rahmenübereinkommen des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten (in Deutschland seit 1998 rechtskräftig) völkerrechtlich verankert. Fördernde Minderheitenpolitik wird heute als Bestandteil einer Politik der Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten und insofern als Bereich der internationalen Zusammenarbeit verstanden. Sie soll darauf gerichtet sein, in allen Bereichen des sozialen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens die vollständige und tatsächliche Gleichheit zwischen den Angehörigen von nationalen Minderheiten und Mehrheiten herzustellen.
Die Minderheitenpolitik gegenüber den Sorben schwankte vor 1945 in Deutschland
zwischen Duldung und Unterdrückung. Entsprechend dem kleindeutschen Weg zum
Einheitsstaat von 1871 bestimmten nationalistische, »völkische« Ideologien die
Politik im Reich. Verbunden war damit eine Minderheitenpolitik der
Germanisierung, der Beschneidung bzw. Beseitigung von bestehenden Rechten in
Zeitschrift des Verbands nationaler Minderheiten Deutschlands, 1927; Repro: Sorbische Zentralbibliothek am Sorbischen Institut
Auch die Politik der
Nach 1945 wurde in beiden Teilen Deutschlands die Wende zu einer fördernden
Minderheitenpolitik eingeleitet. 1948 beschloss der Sächsische Landtag das
Gesetz zur Wahrung der Rechte der sorbischen Bevölkerung (→
Die Minderheitenpolitik in der DDR wurde als »marxistisch-leninistische Nationalitätenpolitik« deklariert und stand unter politischer und ideologischer Anleitung der SED. Erklärtes Ziel war die vollständige Einbeziehung der sorbischen Bevölkerung in den sozialistischen Aufbau und den »antiimperialistischen Klassenkampf« sowie die Vermittlung der marxistischen Ideologie. Dem sollte letztlich auch die Förderung der sorbischen Sprache und Kultur dienen. Als Interessenvertreterin der Sorben schloss sich die Domowina als einzige zugelassene Organisation diesen Vorgaben an.
Die zunächst nur duldende Minderheitenpolitik der Bundesrepublik nach 1945 beruhte auf dem im Grundgesetz verankerten Verbot der Diskriminierung wegen Sprache oder Herkunft. 1955 wurde mit dem Königreich Dänemark eine Übereinkunft über die wechselseitige Förderung der Dänen in Deutschland und der Deutschen in Dänemark getroffen (Bonn-Kopenhagener Erklärungen). Eine nennenswerte Unterstützung der friesischen Volksgruppe und der Sinti und Roma begann erst in den 1980er Jahren. Im Einigungsvertrag wurden 1990 Grundsätze für die Minderheitenpolitik gegenüber den Sorben in einer Protokollnotiz festgehalten.
Forderungen nach Verankerung des Minderheitenschutzes im Grundgesetz fanden 1994
nicht die erforderliche parlamentarische Mehrheit. Inzwischen gelten die o. g.
europäischen Abkommen als Bundesrecht. Der Bund ist für die Sorben
minderheitenpolitisch aktiv durch Beteiligung an der
In den Landesverfassungen Brandenburgs und Sachsens ist für die Sorben das Recht gesichert, ihre Identität zu bewahren sowie ihre Kultur und Sprache zu pflegen und weiterzuentwickeln. Die wesentlichen rechtlichen Regelungen betreffen das Schulwesen und Vorschuleinrichtungen, den Gebrauch der sorbischen Sprache bei Behörden, die Anbringung von zweisprachigen topografischen und sonstigen amtlichen Beschriftungen, die Förderung sorbischer Medien, Institutionen und Organisationen sowie Besonderheiten in der Kommunalgesetzgebung. Beide Landtage und Landesregierungen werden von Räten für sorbische Angelegenheiten beraten. In den neuen Minderheitengesetzen der Länder (Brandenburg 1994, geändert 2014, Sachsen 1999) sind diese Rechte zusammengefasst, Details werden in weiteren Rechtsvorschriften berücksichtigt. Zu den grundlegenden Aspekten aktueller Minderheitenpolitik gegenüber den Sorben gehören: 1. Schutz und Förderung des sorbischen Volkes als Teil der Verwirklichung der Menschenrechte; 2. Bekenntnisfreiheit der Zugehörigkeit zum sorbischen Volk; 3. Recht auf öffentlichen Gebrauch der beiden sorbischen Sprachen, ohne dass daraus Nachteile entstehen; 4. Bewahrung des bikulturellen Charakters der Region; 5. die Verpflichtung zur Förderung von Bildung, Kultur, Medien und Wissenschaft.
Lit.: Minderheiten – Rechte und Realitäten/Mjeńšiny – prawa a realita, Hg. L. Elle, Lětopis Sonderheft, Bautzen 1995; Th. Pastor: Die rechtliche Stellung der Sorben in Deutschland, Bautzen 1997; Zwischen Zwang und Beistand. Deutsche Politik gegenüber den Sorben vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart, Hg. E. Pech/D. Scholze, Bautzen 2003; L. Elle: Das Rahmenübereinkommen des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten und die Minderheitenpolitik in der Lausitz, Bautzen 2005.
Metadaten
Inhaltliche, prozessuale und institutionelle Regelung gesellschaftlicher Beziehungen im Hinblick auf nationale Minderheiten, hier mit Fokus auf die deutsch-sorbischen Beziehungen. Verschiedene Politikbereiche (Sprachenpolitik, Kultur- und Bildungspolitik, Rechtsordnung) sind minderheiten- bzw. nationalitätenpolitisch relevant.
Inhaltliche, prozessuale und institutionelle Regelung gesellschaftlicher Beziehungen im Hinblick auf nationale Minderheiten, hier mit Fokus auf die deutsch-sorbischen Beziehungen. Verschiedene Politikbereiche (Sprachenpolitik, Kultur- und Bildungspolitik, Rechtsordnung) sind minderheiten- bzw. nationalitätenpolitisch relevant.