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Lausitz
von Karlheinz Blaschke

Landschaft, die sich am westlichen Rand des ostmitteleuropĂ€ischen Raums in einer Nord-SĂŒd- LĂ€nge von ca. 170 km und einer Breite von 120 km erstreckt. Ihre geografische Einheit ergibt sich durch die parallel verlaufenden FlĂŒsse Spree und Neiße, die der Abdachung von den Bergketten im SĂŒden zum Tiefland im Norden folgen. Geologisch ist das Lausitzer Granitmassiv eines der grĂ¶ĂŸten Sedimentgebiete dieser Art in Mitteleuropa, einige Teile wurden im TertiĂ€r durch vulkanische AktivitĂ€ten geprĂ€gt. Doch bildet nicht die naturrĂ€umliche Gliederung die Grundlage fĂŒr den landsmannschaftlichen Zusammenhalt, sondern die seit 1 000 Jahren nachweisbare Territorialgeschichte liefert die Hinweise auf eine innere Bindung dieser Region (→ Geschichtsschreibung). Der Name Lausitz (obersorb. ƁuĆŸica, niedersorb. ƁuĆŸyca) geht zurĂŒck auf das altsorbische Wort Ƃug ,Sumpfland, sumpfige Niederung‘, er meint heute beide Lausitzen. Die gewachsene Gemeinsamkeit zeigt sich in einer weithin einheitlichen politischen Vergangenheit, im internen GefĂŒge und in der lange Zeit gleichen staatlichen Zuordnung der MarkgraftĂŒmer Oberlausitz und Niederlausitz. Ein wesentlicher Aspekt ist, dass sich hier das sorbische Volk zu einer eigenstĂ€ndigen historischen GrĂ¶ĂŸe entwickelt und das Land kulturell geprĂ€gt hat.

Aus der Urgeschichte erwuchs in der Bronzezeit die Lausitzer Kultur, die als Kunstwort der Forschung erst seit dem spĂ€ten 19. Jh. auftritt. Sie wurde nach bedeutenden Funden in der Niederlausitz benannt, dehnte sich aber bis weit in die Nachbargebiete Böhmen, Schlesien und Polen aus. Im letzten halben Jahrtausend v. Chr. ĂŒberlagerten die von Norden zugewanderten Elb- und Odergermanen die Lausitzer Kultur, deren TrĂ€ger wieder abwanderten. Auch die Germanen gerieten in den Sog der Völkerwanderung und zogen im 4. Jh. aus den Gebieten östlich der Saale Richtung Westen. Damit wurde die slawische Besiedlung aus dem Osten ermöglicht. Seit dem 7. Jh. ist die Sesshaftigkeit slawischer StĂ€mme in der Lausitz gewiss. Alle frĂŒheren Bewohner hatten sich nur eine begrenzte Zeit aufgehalten. Ihre Anwesenheit lĂ€sst sich mithilfe von Bodenfunden nachweisen, die kulturelle Hinterlassenschaft steht in keinem lebendigen Bezug zur Gegenwart. Die sorbische Einwanderung hingegen bildete den Beginn einer nicht mehr unterbrochenen Entwicklung.

Die frĂŒheste schriftliche Nachricht ĂŒber die politische Gliederung der Slawen in der Lausitz stammt aus dem sog. Bayerischen Geographen. Demzufolge gab es bei den Milzenern in der spĂ€teren Oberlausitz und den Lusizern in der spĂ€teren Niederlausitz jeweils etwa 30 Burgen bzw. Burgbezirke (Civitates) als Mittelpunkte einer entstehenden Ordnung. Im Anschluss an den Heereszug des ostfrĂ€nkischen Königs Heinrichs I. 928/29 kam die Lausitz unter die Herrschaft des ostfrĂ€nkischen Reiches. Sie wurde einer MilitĂ€rverwaltung unterworfen, die das Land in Burgwarde gliederte.

Karte der Ober- und Niederlausitz, Kupferstich von J. HĂŒbner, um 1720

Mit der GrĂŒndung des Bistums Meißen 968 wurde das Land in die deutsche Reichskirche einbezogen. Pfarrkirchen wurden errichtet, die als Missionsstationen fĂŒr die Christianisierung der sorbischen Bevölkerung sorgten. Die geografische Gliederung der Kirche lĂ€sst sich zwar erst aufgrund der Meißener Bistumsmatrikel von 1495 feststellen, doch gilt die damalige Organisation auch fĂŒr die AnfĂ€nge des Bistums. Demnach wurde bei der Schaffung der Kirchenorganisation um das Jahr 1000 das Gebiet der Lausitz als eine eigenstĂ€ndige Ganzheit angesehen, die sich nach Westen hin vom markmeißnischen Land unterschied, wĂ€hrend die FlĂŒsse Bober und Queis als Grenze nach Osten galten. Bei der Ausbildung kirchlicher Verwaltungssprengel im hohen Mittelalter wurden die Stammeszugehörigkeiten durchaus beachtet.

Die kirchliche Gliederung der Lausitz in einen nördlichen und einen sĂŒdlichen Teil – Lusatia inferior (Niederlausitz) und Lusatia superior (Oberlausitz) – stand schon im spĂ€ten Mittelalter fest, beide wurden spĂ€ter zu Archidiakonaten. Die Trennungslinie bildete der Lausitzer Grenzwall, der sich als flacher HöhenrĂŒcken zwischen Senftenberg, Spremberg und Muskau hinzieht. Historisch waren die politischen Ordnungen in beiden Lausitzen zeitweilig unterschiedlich, doch in ihren GrundzĂŒgen adĂ€quat. Als ein am östlichen Rand des Reiches gelegenes Land galt die Niederlausitz als Marchia orientalis, als Ostmark, eine eigene Landesherrschaft aber konnte sich in keinem der beiden Teile ausbilden. Sie blieben in Verbindung mit benachbarten stĂ€rkeren Territorialgewalten, von wo aus fĂŒrstliche Dynastien ihre ZustĂ€ndigkeit auf sie ausdehnten. AllmĂ€hlich entstand die Gewohnheit, sie als MarkgraftĂŒmer zu bezeichnen, um sie mit einem territorialen Ordnungsbegriff benennen zu können. Anstelle eines Landesherrn ĂŒbten die StĂ€nde eine Art gemeinschaftlicher Herrschaft aus; das waren die Inhaber der Grundherrschaft, d. h. die Standesherren, der landsĂ€ssige Adel, die Klöster und die landsĂ€ssigen StĂ€dte, deren Vertreter sich auf den Landtagen versammelten und die Landespolitik bestimmten (→ StĂ€ndeherrschaft). In der Gleichartigkeit des politischen GefĂŒges bestand die Gemeinsamkeit der beiden Lausitzen im spĂ€ten Mittelalter und in der FrĂŒhen Neuzeit.

Eine weitere Klammer war die Zugehörigkeit zur böhmischen Krone. Nach wechselnder Zuordnung zu Meißen, Polen, Brandenburg und Schlesien vereinte Kaiser Karl IV. als böhmischer König 1377 beide LĂ€nder, was bis zum Prager Frieden von 1635 so blieb. Beim Übergang an den KurfĂŒrsten von Sachsen behielten sie ihre landstĂ€ndische Verfassung (→ Traditionsrezess). So ragten sie mit einer mittelalterlichen, feudalrechtlich begrĂŒndeten Ordnung ins frĂŒhe 19. Jh. hinein. Von den Neuerungen, die die NachbarlĂ€nder auf dem Weg zum modernen Staat erfuhren, wurden sie nicht berĂŒhrt, was die NĂ€he beider LĂ€nder weiter stĂ€rkte. Das Fehlen einer auf Zentralisierung gerichteten staatlichen Gewalt wirkte sich zudem förderlich fĂŒr den Erhalt des sorbischen Ethnikums aus.

Auf dem Wiener Kongress von 1815 erzwang die stets auf Ausdehnung bedachte preußische Politik die Angliederung der gesamten Niederlausitz und der nordöstlichen HĂ€lfte der Oberlausitz. Nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands 1945 mussten die lausitzischen Gebiete östlich der Neiße an Polen abgetreten werden (→ Östliche Lausitz). Die Verwaltungsreform in der DDR 1952 bewirkte, dass im Bezirk Cottbus die historische Niederlausitz und der nördliche Streifen der Oberlausitz zusammengeschlossen wurden, die sĂŒdliche Oberlausitz kam zum Bezirk Dresden. WĂ€hrend der politischen Wende von 1989 waren einige sorbische Politiker bestrebt, die gesamte Lausitz in einem eigenen Bundesland zu vereinen. Es setzte sich jedoch die alte Gliederung in Ober- und Niederlausitz mit der Zugehörigkeit zu Sachsen und Brandenburg erneut durch.

Lit.: Handbuch der naturrĂ€umlichen Gliederung Deutschlands, Hg. E. Meynen/​J. SchmithĂŒsen, 9 Lieferungen, Bad Godesberg 1953 –1962; Geschichte der deutschen LĂ€nder. Die Territorien bis zum Ende des alten Reiches (Territorien-Ploetz, Band 1), Hg. G. W. Sante, WĂŒrzburg 1964; H. Keller: Zwischen regionaler Begrenzung und universalem Horizont. Deutschland im Imperium der Salier und Staufer 1024 bis 1250 (PropylĂ€en Geschichte Deutschlands, Band 2), Berlin 1986; J. Fried: Der Weg in die Geschichte. Die UrsprĂŒnge Deutschlands bis 1024 (PropylĂ€en Geschichte Deutschlands, Band 1), Berlin 1994; A. Frenzel: Lausitz grenzenlos. Augenblicke der Geschichte, Bautzen 2008; A. Frenzel: Lausitz rundum. Zwischen Rand und Mitte, Bautzen 2010.

Metadaten

Titel
Lausitz
Titel
Lausitz
Autor:in
Blaschke, Karlheinz
Autor:in
Blaschke, Karlheinz
Schlagwörter
Milzener; Lusizer; Besiedlung; Landesgeschichte; Westslawen; Lausitzer Kultur; Bayerischer Geograph
Schlagwörter
Milzener; Lusizer; Besiedlung; Landesgeschichte; Westslawen; Lausitzer Kultur; Bayerischer Geograph
Abstract

Landschaft, die sich am westlichen Rand des ostmitteleuropĂ€ischen Raums in einer Nord-SĂŒd- LĂ€nge von ca. 170 km und einer Breite von 120 km erstreckt. Ihre geografische Einheit ergibt sich durch die parallel verlaufenden FlĂŒsse Spree und Neiße, die der Abdachung von den Bergketten im SĂŒden zum Tiefland im Norden folgen.

Abstract

Landschaft, die sich am westlichen Rand des ostmitteleuropĂ€ischen Raums in einer Nord-SĂŒd- LĂ€nge von ca. 170 km und einer Breite von 120 km erstreckt. Ihre geografische Einheit ergibt sich durch die parallel verlaufenden FlĂŒsse Spree und Neiße, die der Abdachung von den Bergketten im SĂŒden zum Tiefland im Norden folgen.

Enthalten in Sammlung
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Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
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