Bäuerliches Bauen in vorindustriellen Gesellschaften als Element der materiellen
Kultur eines Volkes. Sorbische Volksbauweise ist die bei den
Blockhaus in Burg-Kolonie (Spreewald), um 1954; Fotograf: Ernst Tschernik, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Stallgalerie mit Bienenstand in Lehde, ohne Datum; Fotograf: Kurt Heine, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Im sorbischen
Der Lausitzer Blockbau ist ein Relikt des
skandinavisch-osteuropäisch-alpenländischen Holzbaugebiets, zu dem ursprünglich
auch die Umgebindehauslandschaft der Oberlausitz gehörte. Das Umgebindehaus ist
eine Kombination von Block- und Fachwerkbau, bei der eine erdgeschossige
Blockstube mit einer Fachwerkkonstruktion überbaut wird, die von einer
Säulenkonstruktion getragen ist. Die Ständerkonstruktion des Umgebindes ist eine
eher dem Fachwerk als dem Blockbau verwandte Form. Die Kombination macht das
Umgebindehaus zu einer hybriden Bauform. Sein Einzugsbereich umfasst die von
Sorben bewohnte Gefildelandschaft zwischen der Heide im Norden und dem Bergland
im Süden, sie setzt sich über die seit der
Bauernhof in Cunnewitz, 1967; Fotograf: Błažij Nawka, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Umgebindehaus in Klein Partwitz (Hoyerswerdaer Region), 1952; Fotograf: Kurt Heine, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Die Erklärung des Umgebindebaus aus dem Zusammentreffen vermeintlich slawischer (Blockbau) und deutscher (fränkischer) Bauweise in der slawisch-deutschen Kontaktzone ist wegen der Blockbautradition außerhalb des slawischen Siedlungsgebiets problematisch. Sie ermöglicht es aber, die Entstehungszeit in die Phase der Ankunft deutscher Bauern aus dem Westen des Reiches (12. und 13. Jh.) zu legen. Die Stabilität des Umgebindes wird durch die Wandverspannung im oberen Teil der Konstruktion erreicht, was eine Grundschwelle erübrigt. Dies kennzeichnet das Umgebinde als Übergangsform vom urgeschichtlichen Pfostenbau, bei dem die Ständer im Erdreich verankert waren, zum Fachwerkbau des Mittelalters, bei dem sie auf einer Holzschwelle aufsaßen. Die Verzimmerung mit einer Schwelle war ein Phänomen des 13. und 14. Jh. Dieser Zeitpunkt korrespondiert mit dem Eintreffen der deutschen Kolonisten in der südlichen Lausitz, in Schlesien und Nordböhmen. Vermutlich hat die frühe Verbindung des Ständerbaus mit der Blockwand bzw. Blockstube dazu geführt, dass hier die in den westlichen Fachwerklandschaften vollzogene Entwicklung zum Ständerbau auf einer Grundschwelle ausblieb.
Koch- und Heizofen mit Wandkamin aus der Schäferei Reichwalde, Zeichnung von Eberhard Dučman, 1959; Reproduktion aus: Lausitzer Holzbaukunst, 1959
Der Umgebindebau tritt in zwei Formen auf: Die Ursprungsform ist der Geschossbau, bei dem die Ständer von ihren steinernen Auflagen bis zur Traufe reichen. Beim Stockwerksbau enden sie über dem Erdgeschoss in einem Rähm, mit dem sie verzapft sind. Das Obergeschoss liegt dem Umgebinde als selbstständig abgebundene Fachwerkkonstruktion auf. Eine Sonderform ist das Giebelumgebinde, das bei Blockbauten zur Aufnahme der Dachlasten angewandt wurde.
Die regelhafte Dachkonstruktion bei Blockbauten und Umgebindehäusern ist die Ausbildung von Firstsäulen in Giebeln und Bindern, die über den massiven Wänden des Untergeschosses liegen. Eine sog. Reiter- oder Gitterrähmkonstruktion dient dazu, Dachlast, Wind- und Schneelast auf die Firstsäulen und über diese auf das Fundament zu übertragen. Die Dachdeckung war eine Schauben-Strohdeckung. Seit Mitte des 19. Jh. breitete sich unter dem Einfluss von Brandversicherern das Ziegel- bzw. Schieferdach aus.
Die Einrichtung des Hauses blieb über Jahrhunderte konstant und landschaftlich kaum unterschieden. Der Hauptraum war die Blockstube, in die man durch den mittig im Haus angeordneten Flur gelangte. Rechts vom Eingang stand der Ofen, links ein Regal für Geschirr und Küchengerät. An der Wand befand sich eine lange Bank, in der Ecke der Tisch, um den sich die Bewohner zu den Mahlzeiten versammelten. Neben dem Ofen lag die Schlafnische, die in einer späteren Phase von der Stube abgeteilt wurde. Weitere Elemente waren Tellerbretter unter der Stubendecke und Trockenstangen am Ofen.
Fachwerkhaus in Nedaschütz, 1960; Fotograf: Błažij Nawka, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Die Feuerstätte, die der Heizung und der Speisenzubereitung diente, war zunächst ohne Abzug. Der Rauch zog durch die Ritzen der Stubendecke in das Dach ab. Die Rauchstuben wurden aber schon im 15. Jh. durch den „Hinterlader“ abgelöst. Ein Lehmofen mit eingelassenen Topfkacheln in der Wohnstube wurde nun vom Flur aus beheizt, darin wurde auch gekocht. Der Rauch trat in den Flur aus und wurde durch einen in Lehmwellermanier gebauten Schornstein abgeführt. Von der Verrußung des Flurs stammt der Name „Schwarze Küche“. Später wurde zur Regulierung des Rauchflusses der Herd mit einem sog. Vorgelege umbaut. Nach der Verlagerung der Ofenöffnung, deren Feuerschein ursprünglich auch der Beleuchtung der Stube diente, in den Hausflur musste neben dem Ofen ein Wandkamin angebracht werden, in dem ein kleines Feuer unterhalten wurde. Um 1800 trat an die Stelle des offenen Schlots ein gemauerter Schornstein. Der Heiz- und Kochherd mit „Hinterlader“ wurde durch den von der Stube aus beheizten Kachelofen einerseits und den Kochofen im Hausflur andererseits ersetzt.
(Unbewohntes) Blockhaus in Rohne, 1961; Fotograf: Błažij Nawka, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Bauernhaus mit Obergeschosslaube in Schweinerden, ohne Datum; Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Jenseits des Flurs befanden sich die Stallungen für Kühe und Kleinvieh. Dem
Wohnstallhaus vorausgegangen waren Ein- oder Zweistubenhäuser, während das Vieh
in schuppenähnlichen Gebäuden Platz fand. Im Spreewald und im Blockbaugebiet der
Heide ist das heute noch fassbar, während im Umgebindehausgebiet das
Wohnstallhaus wohl stets obligatorisch war. Die Ställe wurden in Mischbauweise
von Blockbau und Fachwerk, seit dem 19. Jh. – unter dem Einfluss behördlicher
Vorschriften – massiv errichtet. Die Pferdeställe gehörten zu separaten
Wirtschaftsgebäuden. In den Obergeschossen befanden sich Stuben oder Speicher.
Charakteristisch für die Obergeschosse waren Galerien. Im Spreewald wurden deren
Brüstungen mit Andreaskreuzen geschmückt. Die lang gestreckten
Wohnspeicherhäuser wiesen dort mit ihren vor den Wohnstuben angeordneten
Giebelkammern eine Besonderheit auf. Zum Wohnstallhaus und dem parallel dazu
stehenden Stall- und Wirtschaftsgebäude, dessen dem Dorfanger zugewandter
Giebelteil gelegentlich das Ausgedinge aufnahm, trat relativ spät das
Scheunengebäude im hinteren Hofbereich. In den Dörfern nordwestlich von
Als Gehöftformen treten Einhäuser, Haufenhöfe, aber auch regelmäßige
Dreiseitanlagen auf. Ihre Zuordnung zu den verschiedenen Landschaften ist nur
bedingt möglich, wobei sich die Haufenhöfe der großräumigen Spreewaldlandschaft
besser anpassen als dem waldfreien Lößlehmgebiet der Oberlausitz, wo
geschlossene Höfe die Regel sind. Im sog. Torhausgebiet der mittleren Lausitz
zwischen
Torhäuser in Scado, 1964; Fotograf: Błažij Nawka, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Durch den Wechsel der Bauweisen, die zunehmende Verfügbarkeit von Baumaterialien,
den Wandel der hygienischen und ästhetischen Anforderungen, die Veränderungen in
der Landwirtschaft bzw. den Übergang der dörflichen Bevölkerung in die Industrie
hat das Bauen einen grundsätzlichen Wandel erfahren. Hinzu kommt der natürliche
Alterungs- und Verschleißprozess des Holzes, der kaum aufzuhalten ist. All das
hat dazu geführt, dass wenige Beispiele dieser Bauweise aus früheren
Jahrhunderten überliefert sind. Die ältesten Bauten entstammen dem 16. Jh. Weil
in den von Sorben bewohnten Gebieten die Gutsherrschaft besonders ausgeprägt
war, blieben die bäuerlichen Anwesen oft dürftig. Das hat ihre Anpassung an
moderne Wohnverhältnisse erschwert. Zum Verlust der Volksbauweise hat seit Ende
des 19. Jh. die Devastierung durch den
Fachwerkgehöft Alte Schmiede in Zerna, ohne Datum; Fotograf: Wilfried Rabovsky, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Die wissenschaftliche Beschäftigung mit der sorbischen Volksbauweise begann im 19. Jh. mit
Lit.: A. Černý: Wobydlenje łužiskich Serbow, in: Čacopis Maćicy Serbskeje (1889); E. Deutschmann: Lausitzer Holzbaukunst unter besonderer Würdigung des sorbischen Anteils, Bautzen 1959; L. Balke: Bauen und Wohnen in Heide und Spreewald, Bautzen 1994; Bildwörterbuch der Oberlausitzer Umgebindebauweise und der angrenzenden tschechischen und polnischen Gebiete, Hg. Sächsischer Verein für Volksbauweise e. V., Dresden 1995; H. Mirtschin/R. Hartmetz: Zeitmaschine Lausitz. Lausitzer Holzbaukunst. Die traditionelle Holzbauweise in der Nieder- und Oberlausitz, Dresden/Husum 2003.
Metadaten
Bäuerliches Bauen in vorindustriellen Gesellschaften als Element der materiellen Kultur eines Volkes. Sorbische Volksbauweise ist die bei den Sorben in der Ober- und Niederlausitz angewandte traditionelle Bauweise der Wohn- und Wirtschaftsgebäude.
Bäuerliches Bauen in vorindustriellen Gesellschaften als Element der materiellen Kultur eines Volkes. Sorbische Volksbauweise ist die bei den Sorben in der Ober- und Niederlausitz angewandte traditionelle Bauweise der Wohn- und Wirtschaftsgebäude.