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Dezember­reskript
von Peter Kunze

Antisorbischer Spracherlass Kurfürst Friedrich Wilhelms von Brandeburg vom 9.12.1667 im Kurmärkisch-wendischen Distrikt der Niederlausitz. Das Dezemberreskript steht in Zusammenhang mit den konfessionellen Auseinandersetzungen zwischen evangelisch-lutherischem Adel und Geistlichkeit einerseits und dem sich ab 1613 zum Calvinismus bekennenden Kurhaus Brandenburg andererseits. Es richtete sich gegen die lutherische Opposition, die sich unter dem Deckmantel des „reinen Luthertums“ den absolutistischen Bestrebungen des Herrscherhauses widersetzte. Das Reskript knüpfte an frühere Erlasse an, so an ein Edikt, das allen brandenburgischen Untertanen den Besuch der kursächsischen Universität Wittenberg untersagte.

Friedrich Wilhelm hatte festgestellt, dass der 1666 verstorbene Beeskower Superintendent Gottfried Treuer und der ehemalige Pfarrer der Berliner Nikolaikirche Paul Gerhardt, die beide zu den Förderern der sorbischen Sprache im Distrikt gehörten, die Führer der lutherischen Opposition waren und durch ihr Wirken „seiner kurfürstlichen Durchlaucht und ihren Religionsverwandten (den Calvinisten) abscheuliche Dinge angedichtet“ hatten, dass die unlängst erschienenen sorbischen Bücher „die heilsame Lehre verketzern“ und „die wahre Religion in abscheuliche Gotteslästerung verwandeln“. Aus diesen Anschuldigungen leitete er folgende Maßnahmen ab:

1. Die Berufung von Absolventen der Universität Wittenberg, die als Zentrum des Luthertums galt, sollte im Kurmärkisch-wendischen Distrikt verhindert werden. (Das hätte einen Mangel an sorbischen Pfarrern zur Folge gehabt.)

2. Alle Prediger waren ernstlich zu ermahnen und zu rügen, insbesondere aber der Beeskower Diakon Gotthilf Treuer. (Es wurde vermutet, dass er die sorbenfreundliche Linie seines Onkels, des Superintendenten Gottfried Treuer, fortsetzen würde.)

3. Die vier zwischen 1653 und 1656 gedruckten sorbischen Bücher – Psalter, Katechismus, Gesangbüchlein und Bibelextracta –, die sich „wider die wahre Religion“ richteten, waren ebenso „zu konfiszieren und danach gänzlich zu liquidieren“ wie das 1610 erschienene „Enchiridion Vandalicum“ von Handroš Tara und evtl. noch vorhandene Manuskripte.

4. Die sorbischen Prediger sollten gänzlich abgeschafft werden, jedoch sei dabei „um guter Ruh und Einigkeit willen mit großer Sanftmut und Geduld“ zu verfahren und „jegliche Vehemenz“ zu vermeiden, um „unzeitige Unruhen“ zu verhindern.

Der Beeskower Inspektor, an den das Reskript gerichtet war, ließ die in Punkt 3 angeordnete Liquidierung sorbischer Drucke so gewissenhaft ausführen, dass nicht ein einziges Exemplar der vier erwähnten Bücher erhalten geblieben ist. Dies war nicht sonderlich schwer, da ihre Auflagenhöhe gering, ihr Verbreitungsgebiet begrenzt und ihre Drucklegung erst kurz vor dem Verbot erfolgt war. Weit schwieriger gestaltete sich die Erfüllung des 4. Punkts, die Abschaffung des sorbischen Gottesdienstes. Hier ging man aufgrund der Befürchtung von Unruhen behutsam vor, weil sich die soziale Lage der Landbevölkerung nach dem Dreißigjährigen Krieg weiter verschlechtert hatte. Die zunehmende Verbitterung gegen den Adel ließ den Ausbruch von Bauernaufständen befürchten, wie in den benachbarten Gebieten, 1658–1661 in Neuzelle, 1665 in Guben und 1666/67 im Cottbuser Kreis bereits geschehen. Diese Situation erklärt das vorsichtige Vorgehen gegen die Kirchensprache. Nicht alle sorbischen Pfarrer wurden sofort durch deutsche ersetzt. Zunächst galt es, im Gottesdienst verstärkt das Deutsche anzuwenden, um unter der Jugend den Sprachwechsel zu befördern. Damit wurde der Weg für die spätere Anstellung deutscher Pfarrer geebnet. So gelang es, die Anzahl der Gemeinden mit deutschsprachigem Gottesdienst in den Kirchenkreisen Beeskow und Storkow bis 1688 von 4 auf 15 zu erhöhen.

Die sorbenfeindlichen Bestimmungen des Dezemberreskripts wurden etwa zur selben Zeit auch auf den zur Neumark gehörenden Kreis Crossen/​heute: Krosno (Polen) ausgedehnt, den sich die Brandenburger Kurfürsten 1482 angeeignet hatten. „Durch königliche Reskripte“, hieß es 1707, „ist befohlen, dass die wendische Sprache, so viel möglich, sollte ausgerottet werden. An vielen Orten in dem Krossenschen sind die wendischen Predigten abgeschafft“. Es gibt „ganz wendische Gemeinden, denen deutsche Prediger fürgestellt werden“. Hier kam der gelenkte Germanisierungsprozess Mitte des 18. Jh. zum Abschluss.

Auch für sächsische Behörden galt das Dezemberreskript von 1667 als Vorbild. 1668 erließ das Lübbener Oberkonsistorium auf Geheiß des Herzogs Christian I. von Sachsen-Merseburg eine ähnliche Denkschrift zur stufenweisen Beseitigung der sorbischen Sprache im Markgraftum Niederlausitz (→ Sprachverbote). Dabei berief man sich ausdrücklich auf das Dezemberreskript, wodurch „mit der Abschaffung der wendischen Prediger nun ein Anfang geschehe“. Doch die Hoffnung, dass der Brandenburger Kurfürst auch „etwas gegen die Wenden in Anschauung ihrer Sprache“ im Cottbuser Kreis unternehmen würde, erfüllte sich nicht. Angesichts der für Brandenburg-Preußen strategisch wichtigen Lage des Kreises als Brückenkopf nach Schlesien und Polen sowie der starken Bauernbewegung sah Friedrich Wilhelm von ähnlich rigorosen Maßnahmen gegen das Sorbische zunächst ab.

Lit.: F. Mětšk: Der Kurmärkisch-wendische Distrikt. Ein Beitrag zur Geschichte der Territorien Bärwalde, Beeskow, Storkow, Teupitz und Zossen unter besonderer Berücksichtigung des 16. bis 18. Jahrhunderts, Bautzen 1965; F. Mětšk: Verordnungen und Denkschriften gegen die sorbische Sprache und Kultur während der Zeit des Spätfeudalismus. Eine Quellensammlung, Bautzen 1969; P. Kunze: Zur brandenburgisch-preußischen Sorben-(Wenden-)Politik im 17. und 18. Jahrhundert, in: Lětopis 46 (1999) 1.

Metadaten

Titel
Dezember­reskript
Titel
Dezember­reskript
Autor:in
Kunze, Peter
Autor:in
Kunze, Peter
Schlagwörter
Brandenburg; Buch; Kirchenpolitik; Schrifttum; Siedlungsgebiet; Sorbenpolitik; Sprachenpolitik
Schlagwörter
Brandenburg; Buch; Kirchenpolitik; Schrifttum; Siedlungsgebiet; Sorbenpolitik; Sprachenpolitik
Abstract

Antisorbischer Spracherlass Kurfürst Friedrich Wilhelms von Brandeburg vom 9.12.1667 im Kurmärkisch-wendischen Distrikt der Niederlausitz.

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Antisorbischer Spracherlass Kurfürst Friedrich Wilhelms von Brandeburg vom 9.12.1667 im Kurmärkisch-wendischen Distrikt der Niederlausitz.

Enthalten in Sammlung
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Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
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