Bekanntester unter den religiösen Osterbräuchen der
Sorben in der katholischen Region
zwischen Bautzen, Kamenz und Hoyerswerda. Am Morgen oder Mittag des Ostersonntags treffen
sich die Prozessionen der ausschließlich männlichen sorbischen Osterreiter
(obersorb. křižerjo) an acht katholischen Pfarrkirchen und dem Kloster
St. Marienstern in Panschwitz-Kuckau. Sie formieren sich zu zweit, die vorderen Paare
tragen die farbigen Kirchenfahnen, ein mit der Stola geschmücktes Kruzifix –
daher spricht man örtlich auch vom Kreuzreiten – und eine Statue des
auferstandenen Christus. Mit dem Segen des Pfarrers und beim Läuten der Glocken
reiten die Männer dreimal um die Kirche und danach in die Nachbarkirchgemeinde,
um dieser die „frohe Botschaft von der Auferstehung Christi“ zu überbringen.
Osterreiter in Wittichenau, Reproduktion aus: Die Sitten der Völker, Band III,
1922
Ostern in Radibor, 1949; Fotograf: Kurt Heine, Sorbisches Kulturarchiv am
Sorbischen Institut
Jeweils zwei Prozessionen stehen in wechselseitiger Partnerschaft zueinander: Wittichenau und Ralbitz, Crostwitz und Panschwitz-Kuckau, Nebelschütz und Ostro, Radibor und
Storcha; außerdem reiten die
Bautzener nach Radibor und
zurück. Die Züge aus den jeweiligen Partnergemeinden begegnen sich unterwegs
nicht, der Hinweg der einen ist der Rückweg der anderen. Die traditionelle
Streckenführung, zwischen 10 und 40 km lang, beschreibt in etwa einen Kreis. Am
Zielort begrüßt der dortige Geistliche die Reiter gemeinsam mit Ministranten.
Die Reiter erhalten bei Familien oder im Pfarrhaus einen Imbiss bzw. (in
Wittichenau und Ralbitz) ein Mittagessen und besuchen eine Andacht. Hin- und
Heimritt verlaufen unter Gesang und Gebet; dreimal umritten wird meist auch der
Friedhof, das Totengedenken ist Bestandteil des Rituals. Die Osterreiter sind
festlich gekleidet, inzwischen reiten alle in schwarzem Gehrock und Zylinder.
Die Pferde werden herausgeputzt, ihre Mähnen
frisiert; das geschmückte Zaumzeug und die Satteldecken stammen häufig aus
Familienbesitz. Die neun Prozessionen zählen jeweils zwischen 50 und 400
Osterreiter, sie besitzen im Äußerlichen kleine Eigenheiten. Zugelassen sind
katholische Männer und Burschen ab dem 14. Lebensjahr. Nur als Ausnahme werden
evangelische Teilnehmer akzeptiert. Frauen beteiligen sich an der Prozession
nicht, sie übernehmen jedoch bestimmte Aufgaben bei der Vor- und Nachbereitung
des Brauchs.
Es gilt als sicher, dass das Osterreiten – ähnlich wie das Ostersingen – auf heidnische
Ursprünge (→ Mythologie) zurückgeht. Einst
wurde im Frühjahr zu Fuß oder zu Pferde ein magischer Kreis um die Felder
gezogen, um die Saat vor der Einwirkung des Bösen zu schützen; daran erinnert
ein zusätzliches Saatreiten am Ostermorgen in Ostro. Das älteste Dokument einer
Osterreiter-Partnerschaft in der Oberlausitz stammt von 1490; damals ritt man mindestens zwischen
Hoyerswerda und Wittichenau. Infolge der Reformation wurden die Prozessionen in den protestantischen Dörfern ab
1600 schrittweise eingestellt, weil man darin einen „papistischen Missbrauch“
des Glaubens erblickte. Auch in anderen Gemeinden waren die Umritte, etwa in
Kriegszeiten, unterbrochen. Spätestens Mitte des 19. Jh. wurde das Osterreiten
im katholischen Gebiet zu einer markanten Tradition, bei der die bäuerliche
Bevölkerung ihr religiöses und nationales Selbstbewusstsein vorführen konnte.
Seit der Revolution von 1848/49 werden auch die sorbischen Farben Blau-Rot-Weiß
(→ Nationale Symbole) für die
Schwanzschleifen der Pferde verwendet.
Osterreiterprozession aus Ostro, Fotograf: Thomas Kriegel
Sorbische Osterreiter beteiligten sich 1889 am Festumzug zur 800-Jahr-Feier der Herrschaft
der Wettiner und 1896 während der Ausstellung des Sächsischen Handwerks und Kunstgewerbes, jeweils in
Dresden. Die Teilnehmerzahlen stabilisierten sich, das Interesse auswärtiger
Besucher wuchs. Seit 1900 gliedert sich der Wittichenauer Zug in einen
sorbischen und einen deutschen Teil. Vor dem Ersten Weltkrieg waren in den
damals acht Osterprozessionen (Bautzen kam erst 1928 hinzu) insgesamt etwa 600
Reiter unterwegs. In der DDR äußerte sich die Ablehnung der religiösen Zeremonie
durch die Behörden zeitweilig in organisatorischen Behinderungen.
1958 wurde dennoch die 700er-Marke überschritten. Nach der Kollektivierung der Landwirtschaft ging die
Anzahl der Reiter zurück; 1974 sank sie aufgrund von Pferdemangel unter 500;
zwei Züge setzten eine Zeit lang aus. Durch das Ausleihen von Pferden in der
näheren und weiteren Umgebung stieg die Teilnehmerzahl nach 1990 wieder
kontinuierlich an (1990: ca. 1 200, 2019: ca. 1 500). Der Charakter einer
Kulthandlung ohne Anzeichen eines Volksfests konnte trotz einiger
Kommerzialisierungsversuche bislang gewahrt werden. In jüngerer Zeit werden
spezielle Reiterversammlungen vor Ostern sowie ein zentraler Dankgottesdienst am
Osterdienstag in der Wallfahrtskirche Rosenthal abgehalten.
Ein Osterritt findet außerdem seit dem 17. Jh. zwischen dem Kloster St. Marienthal und
Ostritz an der Neiße sowie seit
1998 in der evangelischen Pfarrgemeinde Zerkwitz bei Lübbenau statt.
Lit.: E. Schneeweis: Feste und Volksbräuche der Sorben, Berlin, 2. Aufl., 1953;
M. Salowski: Osterreiten in der Lausitz, Bautzen 1992; D. Scholze/H. Löffler:
Wir Osterreiter. Über den religiösen Brauch in der Oberlausitz, Bautzen [1992];
A. Frenzel: Osterreiten. Ein sorbischer Brauch, Bautzen, 2. Aufl., 2005