Wendische Kirche in Cottbus, 2017; Fotograf: Alexander Savin, © A.Savin, WikiCommons; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Cottbus_07-2017_img26_Klosterkirche.jpg
Stadtkirchen in der Ober- und Niederlausitz, die für sorbische Gottesdienste
genutzt wurden. Ihre kulturgeschichtliche Bedeutung liegt darin, dass sie die
ersten Gebäude mit sorbischer Zweckbestimmung waren. Ihre Existenz bezeugte die
Anerkennung der sprachlichen Eigenart der
Niedersorbische Inschriften in der Wendischen Kirche in Cottbus, 2013; Fotografin: Hana Schön, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Es gibt Hinweise, dass schon in vorreformatorischer Zeit Kirchenbauten der sorbischen
Seelsorge dienten. 1495 wurde eine »capella slavorum« in
Wendische Kirche Sankt Johannis in Löbau, Lithografie, um 1836; Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Als Wendische Kirche wurden überzählige Kapellen (in Bautzen St. Nicolai und St. Michael, in Muskau) oder leer stehende Klosterkirchen (in Cottbus, Kamenz, Löbau) verwendet. In Hoyerswerda und in Vetschau erhielt die sorbische Gemeinde wegen ihrer Größe die Hauptkirche zugesprochen, während sich die deutsche Gemeinde zunächst mit einem Anbau begnügen musste. 1689 wurde in Vetschau für die deutsche Gemeinde eine zweite Kirche an die Stadtkirche angebaut, wodurch die dortige Wendisch-Deutsche Doppelkirche entstand. Auch in Triebel waren beide Kirchen nur durch eine Seitenmauer getrennt. In Calau, Lübben (1572) und Senftenberg wurden neue Wendische Kirchen errichtet. Einige wurden durch Feuersbrünste vernichtet oder wegen Baufälligkeit abgetragen, jedoch stets neu aufgebaut (z. B. 1670 und 1717 Senftenberg, 1681 Löbau, 1688 und 1832 Forst, 1713 und 1835 Spremberg, 1781 Muskau mit der Inschrift »Templum Soraborum« über dem Eingang, 1826 Lieberose, 1850 Kamenz). Die 1945 bei Kriegshandlungen zerstörten Wendischen Kirchen (Forst, Lübben, Muskau) wurden nicht wiedererrichtet. Die Ausstattung der Kirchen war dem Zeitgeist verpflichtet, meist aber schlichter als die der Hauptkirche. Für die Löbauer Wendische Kirche wurde 1896 anlässlich der Einführung eigener Sakramentsfeiern ein Abendmahlsgerät angeschafft, das aus Kelch, Kanne, Patene und Ciborium mit der Inschrift: »Wot Serbow Lubijskeje wosady za Serbow« (deutsch »Von den Sorben der Löbauer Gemeinde für die Sorben«) bestand. Sorbische Bibelsprüche befinden sich an den Emporen der Wendischen Kirche in Cottbus und Bautzen St. Michael sowie im Eingangsbereich der Johanneskirche zu Hoyerswerda.
Wendisch-Deutsche Doppelkirche in Vetschau, 2009; Fotograf: Helmtiger; https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7293309
Rechtsträger der Wendischen Kirche war die jeweilige Grundherrschaft, d. h.
Stadtrat oder adliger Kollator. Dabei blieb der mittelalterliche Grundsatz »ein
Ort – eine Gemeinde« in Kraft, denn die Wendischen Kirchen waren Nebenkirchen,
denen die eingepfarrten Dörfer zur sorbischen Predigt zugewiesen wurden. In den
meisten Wendischen Kirchen fanden nur Predigtgottesdienste statt, während
Abendmahlsfeiern, Taufen und Trauungen in der Hauptkirche erfolgten, im
Bedarfsfall auch in sorbischer Sprache. Die geistliche Betreuung der Wendischen
Kirche war außer in Cottbus und Bautzen dem rangniedrigsten Geistlichen (Diakon
bzw. Subdiakon) übertragen. Auch in Cottbus bestand nur eine städtische
Kirchgemeinde unter Leitung des Oberpfarrers, jedoch war dem Geistlichen an der
Wendischen Kirche der Rang eines Archidiakons und damit eine hohe
Selbstständigkeit der Amtsführung gesichert. In Bautzen gründete der Stadtrat
1619 eine Kirchgemeinde für die evangelischen Sorben und überließ ihr die in
seinem Besitz befindliche Michaeliskirche. Wegen der Größe der Gemeinde (34
Dörfer) wurde 1690 ein zweiter Geistlicher (Diakon) eingesetzt. Durch die
Autonomie der Pfarrer an den Wendischen Kirche in Cottbus und Bautzen konnten
sie sich stärker als ihre Kollegen für die Belange der Sorben engagieren, in
Cottbus u. a.
Wendische Kirche in Lieberose, 2014; Fotograf: J.-H. Janßen; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Lieberose_Kirchen_02.JPG
Eine vergleichbare Entwicklung vollzog sich in Bautzen auf katholischer Seite.
Die Parochialrechte der Nicolaikirche, die 1583 zur Pfarrkirche der umliegenden
Dörfer geworden war, wurden nach der Zerstörung im
Wendische Kirche in Bautzen, 1893; Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Wendische Kirche St. Annen (ehemalige Klosterkirche) in Kamenz; 2013; Fotografin: Hana Schön, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut
Für die Wendische Kirche bestand ein doppeltes Gründungsprinzip, indem zum einen
die geografische Teilung von Stadt und Land, zum anderen die sprachliche Teilung
in
Lit.: M. Haberland: Altes und Neues über die Klosterkirche zu Cottbus, Cottbus 1908; R. Lehmann: Geschichte der Niederlausitz, Berlin 1963; M. Měrćinowa: Templum Soraborum, in: Serbska Pratyja 2002, Budyšin 2001; T. Malinkowa: Serbske ewangelske cyrkwje w městach Hornjeje Łužicy, in: Serbska Protyka 2003, Budyšin 2002; M. Norberg: Wendisches Kirchenleben in Cottbus in Vergangenheit und Gegenwart, in: Podstupimske pśinoski k Sorabistice 8 (2008); L. Mahling: Sorbisches kirchliches Leben in Löbau von der Reformation bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts, Görlitz 2011.
Metadaten
Stadtkirchen in der Ober- und Niederlausitz, die für sorbische Gottesdienste genutzt wurden. Ihre kulturgeschichtliche Bedeutung liegt darin, dass sie die ersten Gebäude mit sorbischer Zweckbestimmung waren. Ihre Existenz bezeugte die Anerkennung der sprachlichen Eigenart der Sorben durch Kirche und Kommune bzw. Grundherrschaft.
Stadtkirchen in der Ober- und Niederlausitz, die für sorbische Gottesdienste genutzt wurden. Ihre kulturgeschichtliche Bedeutung liegt darin, dass sie die ersten Gebäude mit sorbischer Zweckbestimmung waren. Ihre Existenz bezeugte die Anerkennung der sprachlichen Eigenart der Sorben durch Kirche und Kommune bzw. Grundherrschaft.