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Brigade­bewegung
von Annett Bresan

Jugendbrigade aus Höflein beim Bau des Hauses der Sorben, 1948; Fotograf: Kurt Heine, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Freiwillige Arbeitseinsätze obersorbischer Jugendlicher, die sich im Juli 1946 als „Serbska młodźina“ (Sorbische Jugend) innerhalb der Domowina konstituierten. In den sorbischen Dörfern der Oberlausitz bildeten sie Arbeitsbrigaden, die von 1946 bis 1949 nachbarschaftliche Hilfe für Kriegsopfer leisteten – z. B. beim Wiederaufbau zerstörter Wohnhäuser, beim Einbringen der Ernte alleinstehender Bäuerinnen oder durch Sammlungen für Waisen. Die manuelle Arbeit ergänzten kulturelle Aktivitäten und Bildungsmaßnahmen. Die Bezeichnung „Brigade“ ging wohl auf das jugoslawische Vorbild zurück. Im Sorbischen wurde sogar ein eigenes Verb „brigadować“ gebildet, das ,sich an Arbeitsbrigaden beteiligen‘ bedeutet. Die jungen Leute arbeiteten meist im Urlaub, nach Feierabend oder am Wochenende, motiviert durch das Gefühl eines Neuanfangs nach dem Krieg und des Wiederauflebens der sorbischen Nationalbewegung. Die „Serbska młodźina“ (Sorbische Jugend, eine lockere Verbindung ohne Satzung und Mitgliedsbuch) wurde durch den Domowina-Jugendfunktionär und späteren Schriftsteller Jurij Brězan geleitet.

Arbeitseinsatz beim Bau des Hauses der Sorben, 1948; Fotograf: Kurt Heine, Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Im Zeichen „slawischer Brüderlichkeit“ wurden 1946, 1947 und 1948 neben Vertretern anderer nationaler Jugendverbände auch sorbische Jugendliche als Aufbauhelfer nach Jugoslawien eingeladen. Dort waren sie für jeweils ca. einen Monat zusammen mit 180 000 Freiwilligen (1947) als Brigaden beim Bau zweier Eisenbahnlinien (von Brčko nach Banovići, von Bosanski Šamac nach Sarajevo) und einer Autobahntrasse (von Belgrad nach Zagreb) eingesetzt. Einige der sorbischen Teilnehmer standen aufgrund des Titoismusverdachts unter Beobachtung staatlicher Behörden oder erhielten Gefängnisstrafen. Diese Auslandseinsätze rückten erst nach 1966 wieder ins Licht der sorbischen Öffentlichkeit, da sie lange Zeit nicht in das Konzept der stalinistischen Jugoslawienpolitik passten. In der Lausitz standen die Aktionen unter Losungen wie „Natwarjamy Koslow“ (Wir bauen Caßlau wieder auf, 1946: Trümmerbeseitigung und Aufbauhilfe), „Wo naš wšědny chlěb“ (Um unser täglich Brot, 1946: Landwirtschaftliche Arbeiten), „Dopjelnjamy plan“ (Wir erfüllen den Plan, 1947: Landwirtschaftliche Arbeiten) und „Płuh zabiwa nuzu“ (Der Pflug schlägt die Not bzw. Aus eigener Kraft, 1948: Landwirtschaftliche Arbeiten). Am bekanntesten wurden die Arbeitseinsätze beim Bau des neuen Hauses der Sorben am Postplatz in Bautzen unter dem Motto „Twarimy Serbski dom“ (Wir bauen das Haus der Sorben, 1947–1949: Trümmerbeseitigung und Aufbau). Nachdem im Vorfeld der Grundsteinlegung von 1947 in freiwilliger Feierabendarbeit die Trümmer des Vorgängerbaus beseitigt und Mittel gesammelt worden waren, begann im Februar 1948 nach dem Beispiel der Brigade um Pawoł Šenkar aus Wendischbaselitz eine Aktion, an der sich insgesamt ca. 580 Jugendliche aus der gesamten sorbischen Oberlausitz für jeweils eine Woche beteiligten. In der Freizeit hörten sie Vorträge zur sorbischen Kultur und Geschichte. Für die Jugendlichen, die in der NS-Zeit ohne derartige Kenntnisse aufgewachsen waren, war es oft der erste Kontakt mit dem über die dörfliche Alltagskultur hinausreichenden sorbischen Kulturerbe. Es entstanden u. a. populäre Lieder, die den Geist des Neuanfangs, der sozialen Befreiung und der slawischen Brüderlichkeit beschworen. Vom Massencharakter der Bewegung zeugt die hohe Zahl von ca. 50 Brigaden, in denen jeweils 50–100 junge Sorben mitarbeiteten. Insgesamt wurden mehr als eine Million Arbeitsstunden geleistet.

Vom 19. bis zum 22.8.1948 fand als erste sorbische Nachkriegsmanifestation das Treffen der Arbeitsbrigaden in Uhyst (Spree) statt. Dort sprachen sich die führenden Köpfe der „Serbska młodźina“ für eine engere Zusammenarbeit mit der durch die SED geführten Organisation „Freie Deutsche Jugend“ aus, in der die sorbische Vereinigung im Folgejahr aufging. Die Brigadebewegung hat unter den Sorben einen nahezu legendären Ruf und ein hohes Prestige. Als 1949 die Sorbische Oberschule (heute Sorbisches Gymnasium) in Bautzen eröffnet wurde, erhielt das Jugendensemble den Ehrennamen „1. Serbska kulturna brigada“ (1. Sorbische Kulturbrigade), den es bis heute trägt.

Lit.: J. Handrik: Tu dźěła serbska młodźina! 20 lět po zahajenju brigadowanja serbskeje młodźiny, in: Rozhlad 16 (1966) 8, 9; J. Handrik: Serbscy brigadnicy w Juhosłowjanskej, in: Rozhlad 17 (1967) 8; B. Rječka: Serbske młodźinske brigadowanje 1945–1948/49, in: Nowa Doba 41 (12.12.1987) 292 – 42 (5.3.1988) 55, Beilage Předźenak; P. Pałys: Die Arbeitsbrigaden der sorbischen Jugend in Jugoslawien (1946–1948), in: Lětopis 54 (2007) 2.

Metadaten

Titel
Brigade­bewegung
Titel
Brigade­bewegung
Autor:in
Bresan, Annett
Autor:in
Bresan, Annett
Schlagwörter
Geschichte 1945–1949; Jugendbewegung; Hilfsaktion; Jugoslawien
Schlagwörter
Geschichte 1945–1949; Jugendbewegung; Hilfsaktion; Jugoslawien
Abstract

Freiwillige Arbeitseinsätze obersorbischer Jugendlicher, die sich im Juli 1946 als „Serbska młodźina“ (Sorbische Jugend) innerhalb der Domowina konstituierten.

Abstract

Freiwillige Arbeitseinsätze obersorbischer Jugendlicher, die sich im Juli 1946 als „Serbska młodźina“ (Sorbische Jugend) innerhalb der Domowina konstituierten.

Enthalten in Sammlung
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Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
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