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Musik­wissen­schaft
von Jadwiga Kaulfürstowa

Historische und systematische Erforschung sowie Darstellung aller Aspekte der Musik. Die sorbische Musikwissenschaft ist eine noch wenig entfaltete Disziplin mit Schwerpunkten in den Teilbereichen Musikethnologie, Musikgeschichte und Instrumentenkunde; systematische Musik oder Musiksoziologie sind kaum existent. Erste Ansätze reichen zurück ins späte 18. Jh., intensivere Untersuchungen setzten in der ersten Hälfte des 19. Jh. ein. Eine institutionelle Basis erhielt die sorbische Musik durch die Verankerung in der Maćica Serbska (ab 1895), ab Mitte des 20. Jh. im Institut für sorbische Volksforschung (→ Sorbisches Institut), wo sie 1972–1986 als eigenständiger Bereich bestand. Neben Sorben beschäftigen sich einige deutsche und ausländische Wissenschaftler mit entsprechenden Themen.

Studie zur sorbischen Musikgeschichte von Jan Rawp, 2. Auflage, Domowina-Verlag 1978

Als erste Teildisziplin entstand die Musikethnologie. Ihren Beginn markieren Beschreibungen des musikalischen Lebens der Sorben durch Abraham Frencel und Jan Hórčanski im 18. Jh. (→ Volkslied, → Volkstanz, → Volksmusikanten). Erste systematische Aufzeichnungen zu Volksliedern folgten im 19. Jh. Nach der umfassenden Sammlung „Volkslieder der Wenden in der Ober- und Nieder-Lausitz“ (1841/43) von Leopold Haupt und Jan Arnošt Smoler publizierten in den 1880er und 1890er Jahren Adolf Černý, Ludvík Kuba, Jan Boguchwał Markus, Hendrich Jordan und Arnošt Muka weitere Sammlungen in der Zeitschrift „Časopis Maćicy Serbskeje“. Namentlich Kuba und Černý legten detaillierte Beschreibungen traditioneller Vokal- und Instrumentalmusik vor, die wichtige Hinweise zur Rekonstruktion lieferten. In den 1920er und 1930er Jahren befasste sich Bjarnat Krawc gründlich mit textlichen und musikalischen Aspekten der Volkslieder.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab der Musikwissenschaftler und Komponist Jan Rawp neue Impulse in der Volksliedforschung, woraufhin diese Gegenstand deutscher und internationaler Fachdiskussionen wurde. Wesentliche Beiträge dazu stammen vom Komponisten Detlef Kobjela, der sich der formalen Spezifik des Volkslieds widmete (1971). Seit den 1980er Jahren entstanden kaum noch musikethnologische Arbeiten. Dafür wurden mehrfach Tondokumentationen sorbischer Volksmusik angefertigt, meist auf Initiative tschechischer Folkloristen. In den 1950er und 1960er Jahren führte das Sorbische Institut in Bautzen umfangreiche Feldaufnahmen durch, eine Auswahl erschien 2006 und 2018 auf CD.

Die Dudelsackspieler Matej Wobuza und Hanzo Šuster im Gespräch mit Jan Rawp; Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut Bautzen

Die relativ späte Entwicklung sorbischer Kunstmusik schlug sich auch in der Musikwissenschaft nieder. Für die erste Phase der Musikgeschichtsforschung steht Korla Awgust Fiedler, der sich in der zweiten Hälfte des 19. Jh. den sorbischen Gesangsfesten und dem Schaffen Korla Awgust Kocors zuwandte (u. a. 1905 umfassender Nekrolog und Werkverzeichnis). Die zweite Phase prägen Studien von Bjarnat Krawc aus den 1920er und 1930er Jahren. Krawc gab die einzige sorbische Musikzeitschrift heraus („Škowrončk ze serbskich honow“, Die Lerche aus den sorbischen Fluren, 1926–1928) und erweiterte das thematische Spektrum der sorbischen Musikgeschichte. Er veröffentlichte zahlreiche Darstellungen über Musiker, analysierte ausgewählte Werke und erstellte Musikbibliografien. Die dritte Phase der Musikgeschichte leitete nach 1945 Rawp mit dem Standardwerk „Serbska hudźba“ („Sorbische Musik“, 1966) ein, er widmete sich verschiedenen Aspekten des Fachs, um thematische Breite und methodische Aktualität zu erreichen. Dabei standen Werk und Wirken sorbischer Komponisten generell im Mittelpunkt. Biografisch-historische Abrisse oder Werkverzeichnisse verfassten Zbigniew Kościów (zu Jurij Pilk 1968; Kocor 1972; Michał Nawka 1994), Frido Mětšk (zu Pilk 1974; Kocor 1971), Dan Riemer (zu Jan Pawoł Nagel 1999) und Achim Brankačk (zu Krawc 1999; Lubina Holanec-Rawpowa 2005). Brankačk und Viktor Velek publizierten 2001 bzw. 2007 die Korrespondenz von Krawc. Auch zum Wirken sorbischer Chöre wurden Publikationen vorgelegt (so zu „Meja“, 1994, und „Lipa“, 1997).

Überblicksdarstellungen zur sorbischen Musik erarbeiteten Kobjela und Kościów (1999, 2000). Erste Skizzen zur Instrumentenkunde lieferten im 19. Jh. Smoler und Kuba. Fachmonografien erarbeiteten Rawp mit „Sorbische Volksmusikanten und Musikinstrumente“ (1963) und Josef Režný mit „Der sorbische Dudelsack“ (1993). Trotz all dieser Arbeiten steht die sorbische Musikgeschichte noch am Anfang. Es mangelt an Werkanalysen, biografischen Interpretationen, Gesamtwerkverzeichnissen sowie an einer Synthese bis zur Gegenwart.

CD mit Feldaufnahmen sorbischer Volksmusik aus den 1950er und 1960er Jahren, Stiftung für das sorbische Volk 2006

Musikkritik im wissenschaftlichen Sinne hat sich bei den Sorben nicht etabliert. Kenntnisse über sorbische Musik werden an Schulen in der Lausitz und an der Universität Leipzig in begrenztem Umfang vermittelt. Ab Mitte der 1990er Jahre bot die Fachhochschule Lausitz am Standort Cottbus Vorlesungen zur Geschichte der sorbischen Musik an und richtete Fachkonferenzen aus.

Lit.: J. Raupp: Forschungen zur sorbischen Musikkultur, in: 30 Jahre Institut für sorbische Volksforschung. 1951–1981, Bautzen 1981; J. Mětšk: Wo někotrych aktualnych nadawkach serbskeje hudźbneje wědomosće, in: Rozhlad 33 (1983) 12; A. Brankačk: Do dźěła sej spinaj ruce. Chór Meja w kole časow, Budyšin 1994; J. Handrik: Spěw najrjeńši towarš je. Pohlad do stawiznow Lipy Serbskeje a chóra Lipy, Budyšin 1997; Z. Kościów: Muzyka Połabian i Łużyczan. Wybór informacji, Opole 1999; K. Rebling: Warum sorbische Musikgeschichte heute?, in: Lětopis 47 (2000) 1; D. Kobjela: Vom Regenzauberlied bis zur wendischen Pop-Ballade. Ein Beitrag zur Musikgeschichte der Lausitz unter besonderer Darstellung der niedersorbischen Musikgeschichte, Potsdam 2000; Serbska ludowa hudźba. Wuběr pólnych nagrawanjow z 50tych a 60tych lět 20. lětstotka – Sorbische Volksmusik. Auswahl von Feldaufnahmen der 50ger und 60ger Jahre des 20. Jahrhunderts, Budyšin 2006 (CD); Spiwy, štucki, kjarliže. Muzikaliske dokumenty ze Serbskego kulturnego archiwa, Chóśebuz 2018 (mit CD).

Metadaten

Titel
Musik­wissen­schaft
Titel
Musik­wissen­schaft
Autor:in
Kaulfürstowa, Jadwiga
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Kaulfürstowa, Jadwiga
Schlagwörter
Musik; Musiklehre; Musikgeschichte; Sorabistik; Kunstmusik
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Musik; Musiklehre; Musikgeschichte; Sorabistik; Kunstmusik
Abstract

Historische und systematische Erforschung sowie Darstellung aller Aspekte der Musik. Die sorbische Musikwissenschaft ist eine noch wenig entfaltete Disziplin mit Schwerpunkten in den Teilbereichen Musikethnologie, Musikgeschichte und Instrumentenkunde.

Abstract

Historische und systematische Erforschung sowie Darstellung aller Aspekte der Musik. Die sorbische Musikwissenschaft ist eine noch wenig entfaltete Disziplin mit Schwerpunkten in den Teilbereichen Musikethnologie, Musikgeschichte und Instrumentenkunde.

Enthalten in Sammlung
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Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
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