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Ortsnamen
von Inge Bily

Namen von Siedlungen (Städten, Dörfern usw.), d. h. von bewohnten oder aufgegebenen Orten (letztere sind Wüstungen). Die Ortsnamen in der Ober- und Niederlausitz treten überwiegend als Namenpaare auf, was seine Wurzeln in der Besiedlung dieses Gebiets hat, dessen Namenlandschaft durch deutsche und slawische Ortsnamen sowie durch slawisch-deutsche und deutsch-slawische Mischnamen geprägt ist. Die slawische, genauer altsorbische Grundform der heutigen Ortsnamen kann wegen Veränderungen bei ihrer Eindeutschung meist erst nach gründlicher Auswertung der historischen Belege in Verbindung mit einer sprachlichen Analyse ermittelt werden.

Da die schriftliche Überlieferung des Sorbischen erst im 16. Jh. einsetzt, ist das aus den Ortsnamen gewonnene Sprachmaterial von hohem Wert, denn die historischen Belege reichen z. T. bis ins 10. Jh. zurück und liefern oft den ältesten Nachweis eines sorbischen Wortes, vgl. z. B. Lohsa, obersorb. Łaz (östlich von Wittichenau) und Laske, obersorb. Łazk (östlich von Kamenz), die auf ein altsorbisches Wort *łaz mit der Bedeutung ,durch Roden urbar gemachtes Land‘ zurückgehen, das für das Sorbische nur noch mithilfe der Orts- und Flurnamen nachzuweisen ist. Hilfreich ist mitunter der Vergleich mit den slawischen Nachbarsprachen, dem Tschechischen und Polnischen, wo ein entsprechendes Wort bis heute existiert, vgl. tsch. laz, láz und poln. łazy ,Rodung, Neubruch‘.

Hinsichtlich ihrer Bildungsweise unterscheidet man zwei Gruppen von Ortsnamen: Bildungen aus Personennamen und Bildungen aus Gattungsbezeichnungen (Appellativa); hinzu kommt die relativ kleine Gruppe der ursprünglichen Bewohnernamen. Ortsnamen aus Personennamen enthalten als Bestimmungswort einen Personennamen des Grundherrn oder Ortsgründers, d. h., diese Namen sind zu erklären als ,Siedlung eines …‘ oder ,Leute des …‘. In dieser Funktion trifft man in den Ortsnamen sowohl deutsche wie auch slawische Personennamen. Ein deutscher Personenname verbirgt sich im Ortsnamen Hoyerswerda, obersorb. Wojerecy, niedersorb. Wórjejce, ,am Wasser gelegene Siedlung eines Hoyer‘. In der sorbischen Namenform steht das Suffix -ecy für das deutsche Grundwort -werda ,Insel, Halbinsel, erhöhtes, wasserfreies Land zwischen Sümpfen, Ufer‘. Zu den Ortsnamen, die einen slawischen, genauer sorbischen Personennamen enthalten, gehört Milkwitz, obersorb. Miłkecy (nordwestlich von Bautzen), ,Siedlung der Leute eines Miłk‘ (sorbischer Personenname Miłk, zu miły ,lieb‘). Namenbildend ist das slawische Ortsnamensuffix -ovici, das eingedeutscht heute gewöhnlich als -witz begegnet. Neben den rein deutschen und den rein slawischen Ortsnamen aus Personennamen sind auch sog. Mischnamen belegt. Es handelt sich zum einen um slawisch-deutschen Mischnamen, bei denen sich ein slawischer (sorbischer) Personenname mit einem deutschen Grundwort (oftmals -dorf) verbindet, z. B. Bomsdorf, niedersorb. älter Bónojce (nordwestlich von Guben) ,Dorf eines Bogumił‘, mit dem sorbischen Personennamen Bogumił (zu bog ,Gott‘ und miły ,lieb‘) und dem deutschen Grundwort -dorf. Zum anderen sind es deutsch-slawische Mischnamen, bei denen sich ein deutscher Personenname mit einem slawischen Ortsnamensuffix verbindet, so im Ortsnamen Brauna, obersorb. älter Brunow (westlich von Kamenz), der deutsche Personenname Brūn und das Suffix -ov-, also ein ,Ort eines Brūn‘, vgl. den Erstbeleg: 1225 Brunowe.

Geografische Verteilung von Ortsnamentypen in der Oberlausitz; Reproduktion aus: Walter Wenzel, Oberlausitzer Ortsnamenbuch, Domowina-Verlag 2008

Die Ortsnamen aus Gattungsbezeichnungen können hinsichtlich ihrer Struktur in einfache Bildungen (Simplizia) und die weitaus häufigeren abgeleiteten Bildungen (Suffigierungen) unterteilt werden. Sie enthalten u. a. Hinweise auf die Lage eines Siedlungsplatzes, auf Besonderheiten der Landschaft oder des Bodens, auf Pflanzen und Tiere (Naturnamen), vgl. z. B. See, os. Jězor (westl. Niesky) eine ,am See gelegene Siedlung‘, zu os. jězor ,See‘. Ortsnamen aus Gattungsbezeichnungen können jedoch auch auf die Siedlungstätigkeit des Menschen allgemein Bezug nehmen, auf Befestigungsanlagen, Landwirtschaft und Handwerk, auf das religiöse und soziale Leben o. Ä. (Kulturnamen), vgl. z. B. Sedlitz, niedersorb. Sedlišćo (nordöstl. Senftenberg), mit einem Hinweis auf die Siedlungstätigkeit, aus niedersorb. sedlišćo ,Ansiedlung‘. Die Ortsnamen Coblenz, obersorb. Koblicy (westl. Bautzen), und Köblitz, obersorb. Koblica (nordöstl. Schirgiswalde), weisen auf Pferdehaltung ihrer Bewohner hin, vgl. obersorb. und niedersorb. kobyła ,Stute‘.

Als ursprüngliche Bewohnernamen werden in einer dritten, kleineren Gruppe Bezeichnungen von Gruppen zusammengefasst, u. a. nach der Tätigkeit der Siedler, vgl. Caseritz, obersorb. Kozarcy (östlich von Elstra) als ,Siedlung der Leute eines Ziegenhirten‘, zu altsorbisch *kozaŕ ,Ziegenhirt‘.

Zur Differenzierung gleichlautender Ortsnamen benachbarter Siedlungen dienen unterscheidende Zusätze wie Groß-/​Klein-, Alt-/​Neu-, Nieder-/​Ober-, aber auch Wendisch-/​Deutsch-, vgl. z. B. Deutsch-Paulsdorf, obersorb. älter Němske Pawlecy (südlich von Reichenbach) und Wendisch-Paulsdorf, obersorb. älter Serbske Pawlecy (nordöstlich von Löbau). Der Zusatz Deutsch kennzeichnet die Lage des Ortes in überwiegend deutsch besiedelter Umgebung, und zwar im Unterschied zu Wendisch-Paulsdorf, dessen Name auf die Lage im vorwiegend sorbisch bewohnten Gebiet hinweist. Zu vergleichen sind auch Namen wie Kleinbautzen und obersorb. Budyšink (nördlich von Bautzen). Hier entspricht dem deutschen unterscheidenden Zusatz Klein- im Obersorbischen das Diminutivsuffix -k (Budyšin-k). Auch die gelegentliche Übertragung der Namen von Gewässern (→ Gewässernamen) auf Orte ist in der gesamten Lausitz belegt, vgl. Spree, obersorb. älter Sprjewje (nordöstlich von Niesky). Der Ort liegt am Weißen Schöps, der in älterer Zeit Spree hieß. Der Name der Spree wurde auf den Ort übertragen, vgl. den Erstbeleg des Ortsnamens: 1403 zur Spreh.

Als Ergebnis des slawisch-deutschen Siedlungskontakts gibt es in der Ober- und Niederlausitz deutsch-obersorbische bzw. deutsch-niedersorbische Namenpaare, die gewöhnlich klassifiziert werden als: 1. lautlich gebundene Namenpaare, d. h., zwischen beiden Teilen eines Namenpaars ist eine lautliche Ähnlichkeit festzustellen, z. B. dt. Weißenberg – obersorb. Wóspork (östlich von Bautzen), dt. Briesen – niedersorb. Brjazyna (westlich von Cottbus); 2. semantisch gebundene Namenpaare, die oft Übersetzungspaare sind, z. B. dt. Berg – obersorb. Hora (südwestlich von Muskau), dt. Hohenbrück – niedersorb. Wusoki Most (nördlich von Lübben); 3. freie Namenpaare, wo beiden Teilen eines Namenpaars oftmals unterschiedliche Benennungsmotive zugrunde liegen, z. B. dt. Hochkirch – obersorb. Bukecy (östlich von Bautzen), dt. Spremberg – niedersorb. Grodk (südöstlich von Cottbus).

Die Ortsnamen der Lausitzen sind sehr gut erforscht und in wissenschaftlichen sowie populärwissenschaftlichen Kompendien allgemein zugänglich, vgl. z. B. die Arbeiten von Ernst Eichler (z. T. in Zusammenarbeit mit Hans Walther), Walter Wenzel oder Siegfried Körner.

Lit.: E. Eichler: Slawische Ortsnamen zwischen Saale und Neiße. Ein Kompendium. Band 1–4, Bautzen 1985–2009; S. Körner: Ortsnamenbuch der Niederlausitz. Studien zur Toponymie der Kreise Beeskow, Calau, Cottbus, Eisenhüttenstadt, Finsterwalde, Forst, Guben, Lübben, Luckau und Spremberg, Berlin 1993; Atlas altsorbischer Ortsnamentypen, Hefte 1–5, Hg. E. Eichler, Stuttgart 2000–2004; Historisches Ortsnamenbuch von Sachsen, Hg. E. Eichler/​H. Walther, Band 1–3, Berlin 2001; W. Wenzel: Niederlausitzer Ortsnamenbuch, Bautzen 2006; W. Wenzel: Oberlausitzer Ortsnamenbuch, Bautzen 2008.

Metadaten

Titel
Ortsnamen
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Ortsnamen
Autor:in
Bily, Inge
Autor:in
Bily, Inge
Schlagwörter
Namenkunde; Toponym; Oberlausitz; Niederlausitz; Slawisch; Deutsch; Sorbische Sprache(n); Suffix; Geografischer Name; Sprachgeschichte
Schlagwörter
Namenkunde; Toponym; Oberlausitz; Niederlausitz; Slawisch; Deutsch; Sorbische Sprache(n); Suffix; Geografischer Name; Sprachgeschichte
Abstract

Namen von Siedlungen, d. h. von bewohnten oder aufgegebenen Orten. Die Ortsnamenlandschaft in der Lausitz ist aufgrund der Besiedlung durch deutsche und slawische Ortsnamen sowie durch slawisch-deutsche und deutsch-slawische Mischnamen geprägt.

Abstract

Namen von Siedlungen, d. h. von bewohnten oder aufgegebenen Orten. Die Ortsnamenlandschaft in der Lausitz ist aufgrund der Besiedlung durch deutsche und slawische Ortsnamen sowie durch slawisch-deutsche und deutsch-slawische Mischnamen geprägt.

Enthalten in Sammlung
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Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
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