AktivitÀten, die auf Erhalt und Entwicklung eines, hier des sorbischen Volkstums
gerichtet sind. Sie schlieĂen sprachliche, kulturelle, volksbildnerische und
politische AktivitÀten ein. Die sorbische Nationalbewegung entstand im ersten
Drittel des 19. Jh., angeregt durch Tendenzen der nationalen
Wiedergeburt bei anderen slawischen Völkern.
Erste ĂuĂerung der Nationalbewegung war die 1834 von 19 evangelischen Geistlichen
Sachsens eingebrachte Petition, die im Namen von etwa 50âŻ000 Sorben den Gebrauch
der sorbischen Sprache im Unterricht forderten, was ein Jahr spÀter im neuen
sĂ€chsischen Schulgesetz erstmals BerĂŒcksichtigung fand (â Schule).
Mit dem sorbischen Vereinswesen
ab 1848/49, namentlich dem Wirken der MaÄica Serbska in der
Oberlausitz (ab 1847) und der
MaĆica Serbska in der Niederlausitz
(ab 1880), sowie im Vorfeld der Jungsorbischen Bewegung im Deutschen Kaiserreich (ab 1875)
wurden Grundlagen fĂŒr ein organisiertes Auftreten sorbischer nationaler KrĂ€fte
geschaffen. Hinsichtlich Umfang und StÀrke der Nationalbewegung gab es jedoch
betrÀchtliche Unterschiede zwischen Ober- und Niederlausitz. Sichtbaren Ausdruck
fand die Nationalbewegung 1904 in der Eröffnung des Wendischen Hauses in Bautzen. 1912/13
gelang es, zunĂ€chst 15 sorbische Vereine unter dem Dach der Domowina zusammenzufĂŒhren.
GrĂŒnder der MaÄica Serbska (Postkarte); Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen
Institut Bautzen
Nach 1918 erstarkte die Nationalbewegung unter FĂŒhrung des Wendischen Nationalausschusses,
dessen treibende Kraft ArnoĆĄt Bart
war. Es wurden weitreichende politische und soziale Forderungen gestellt, die
Verbesserungen auf wirtschaftlichem, kirchlichem und kulturellem Gebiet bringen
sollten und es kam erstmals zu Autonomiebestrebungen. Als Gegenbewegung entstand der Ausschuss
sachsentreuer Wenden. Letztlich wurden Teilergebnisse u.âŻa. im sĂ€chsischen
Ăbergangsgesetz fĂŒr das Volksschulwesen erzielt (â Weimarer
Republik). Gleichzeitig spitzte sich der zuvor besonders wegen des
Vorwurfs des Panslawismus
aufgeflammte Konflikt mit der deutschen Obrigkeit zu. Eine Reaktion war 1920 die
Schaffung der Wendenabteilung, die ab 1923 fĂŒr die âStĂ€rkung der Deutschtumsarbeit in
den wendischen Gebietenâ sorgte.
In der Weimarer Republik grĂŒndeten Sorben erstmals eine eigene Partei (Lausitzer bzw. â Wendische Volkspartei).
Der ab 1925 bestehende Wendische Volksrat, der Vertreter von Domowina, MaÄica
Serbska und Wendischer Volkspartei vereinte, betrachtete sich als âoberste
Vertretung des gesamten wendischen Volkesâ. Er nahm bis zu seiner Auflösung 1933
die Belange der Sorben vornehmlich in den Beziehungen zu den anderen
Minderheiten in Deutschland und Instanzen des Deutschen Reiches wahr und gehörte
dem 1924 gebildeten Verband der nationalen Minderheiten in Deutschland an. 1925,
1926 und 1927 beteiligten sich Delegierte des Wendischen Volksrats an den in
Genf stattfindenden europÀischen
NationalitÀtenkongressen. Innersorbisch und auf regionaler Ebene agierten
mehrere sorbischen Gruppierungen nebeneinander, wobei sich die Domowina als
ReprĂ€sentantin der sorbischen Bevölkerung gegenĂŒber den Behörden zunehmend zu
profilieren vermochte. Ab 1933 wurde der Handlungsspielraum der Nationalbewegung
nach und nach eingeschrĂ€nkt, bis im MĂ€rz 1937 das TĂ€tigkeitsverbot fĂŒr die
Domowina und alle ihr angeschlossenen Vereine folgte. (â NS-Zeit)
GrĂŒnder der MaĆica Serbska (Postkarte); Sorbisches Kulturarchiv
am Sorbischen Institut Bautzen
Signet der Domowina auf den Beitragsmarken 1935; Sorbisches
Kulturarchiv am Sorbischen Institut Bautzen
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wirkten zunÀchst die Domowina, bis 1948 ein
neu gegrĂŒndeter Sorbischer Nationalausschuss bzw. Nationalrat sowie ein
Slawischer Ausschuss nebeneinander. Zeitweise wurden Forderungen nach Autonomie
bzw. Eigenstaatlichkeit erhoben. Es gelang in den Nachkriegsjahren in der
Oberlausitz, eine Reihe von sprachlich-politischen und kulturellen Forderungen
durchzusetzen. Sie bildeten die Grundlage fĂŒr das mit UnterstĂŒtzung der SED im
MĂ€rz 1948 in Sachsen verabschiedete Gesetz zur Wahrung der Rechte der sorbischen
Bevölkerung (â Sorbengesetze).
In Brandenburg 1950 als Regierungsverordnung ĂŒbernommen, garantierte es erstmals
Schutz und Förderung der sorbischen Sprache und Kultur, v.âŻa. mithilfe relativ
autonomer staatlicher sorbischer Institutionen.
Ab den 1950er Jahren kann von einer Nationalbewegung nicht mehr gesprochen
werden, das restriktive System duldete nur politisch konforme AktivitÀten.
Dennoch gab es weiterhin Bestrebungen, an frĂŒhere Forderungen etwa nach
administrativer Vereinigung der Ober- und Niederlausitz anzuknĂŒpfen. Dies blieb
ebenso Illusion wie die geforderte Novellierung des Sorbengesetzes. Mit der politischen Wende 1989/90
wurden die Defizite in der rechtlichen Situation der Sorben wÀhrend der DDR-Zeit öffentlich thematisiert.
Inhalt und Strategie der maĂgeblich von der sich sukzessive reformierenden
Domowina getragenen Nationalbewegung wandelten sich nach dem Beitritt zur
Bundesrepublik. In den Mittelpunkt rĂŒckten die Sicherstellung von
Minderheitenrechten fĂŒr die Sorben in beiden BundeslĂ€ndern und eine dauerhafte
und auskömmliche institutionelle Förderung sorbischer Kultur- und
Wissenschaftseinrichtungen.
Lit.: H. Zwahr: Sorbische Volksbewegung, Bautzen 1968; E. Hartstock/âP. Kunze: Die
Lausitz im ProzeĂ der bĂŒrgerlichen Umgestaltung 1815â1847. Eine Quellenauswahl,
Bautzen 1985; P. Schurmann: Die Sorbenfrage als Politikum. Gemeinsamkeiten und
Unterschiede der sorbischen nationalen Bewegung nach dem Ersten und dem Zweiten
Weltkrieg, in: Zwischen Zwang und Beistand, Hg. E. Pech/âD. Scholze, Bautzen
2003.