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Bautzener Land
von Hans Mirtschin

Bis ins 15. Jh. einer der Namen für das Markgraftum Oberlausitz, benannt nach dem Hauptort Bautzen (lateinisch terra Budissinensis). Er hatte die älteren Bezeichnungen Gau Milska oder Milzenerland ab dem 12. Jh. verdrängt (→ Milzener). Seit dem 14. Jh. wurden parallel die Namen Land der Sechsstädte, Sechs-Land oder Hexapolis verwendet. Nach der askanischen Teilung von 1268 bürgerte sich für den westlichen Teil der Oberlausitz der Begriff Bautzener Land ein. Die Unterteilung in die Kreise Budissin (später Bautzen) und Görlitz blieb über Jahrhunderte bestehen; die Aufteilung des Markgraftums zwischen Sachsen und Preußen 1815 festigte – obwohl nicht deckungsgleich – diese Trennung. Heute bezeichnet Bautzener Land in etwa den Altkreis Bautzen (bis Ende Juli 2008), wozu auch Gebiete um Göda und Bischofswerda gehören, die früher bei der Mark Meißen waren.

Bautzener Land um 1790 (violett – katholische Region); Karte: Iris Brankatschk

Innerhalb des sorbischen Siedlungsgebiets bildet das Bautzener Land eine besondere Region, die im Osten von den evangelischen Parochien Baruth, Gröditz und Hochkirch, im Süden von Großpostwitz und Gaußig, im Westen von Göda und im Norden von Neschwitz, Königswartha, Milkel und Klix begrenzt wird. Noch bis Ende des 19. Jh. wurde auch in den Dörfern jenseits der östlichen Grenze sorbisch gesprochen. Südlich dehnte sich die sorbische Besiedlung als Ausbuchtung des Altsiedellands im Spreedurchbruch zwischen Drohmberg (→ Lubin) und Mönchswalder Berg bis Kirschau und Wilthen aus. Im Westen berührte die Region deutsches Siedlungsgebiet; so unterschied man in der Kirche zu Schmölln von Beginn an zwischen den eingepfarrten deutschen Ortschaften Schmölln und Tröbigau und den sorbischen Ortschaften Demitz und Thumitz mit Gottesdiensten in der jeweiligen Sprache. Im Nordwesten schließt sich an die Bautzener Region das Kamenzer Land mit der katholischen Region sowie der evangelischen Kirchgemeinde Oßling an. Nach Norden setzt sich die sorbische Besiedlung im Hoyerswerdaer Land und in der Muskauer Standesherrschaft fort.

Neschwitzer Trachtengruppe, um 1900; Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Die sorbischen Bewohner des Bautzener Landes sind seit der Reformation evangelisch. Nur die ehemals domstiftlichen Dörfer Sdier und Brehmen nördlich von Bautzen sowie Radibor mit den umliegenden Dorfschaften blieben katholische Enklaven. Der Charakter des Bautzener Landes wird durch die ökonomische, kulturelle und administrative Funktion der alten Hauptstadt der Oberlausitz bestimmt. Als Tagungsort der Landtage und Sitz des Oberamts wurde Bautzen auch zum politischen Zentrum des Sorbentums mit Ausstrahlung in die preußische Oberlausitz und die Niederlausitz. Seit Mitte des 19. Jh. wirkten sich die Aktivitäten der von hier ausgehenden sorbischen nationalen Wiedergeburt auf das gesamte Umland aus.

Das sog. Rössel’sche Gehöft aus dem 17. Jh. in Gröditz; Fotografin: Iris Brankatschk

Das Gebiet zwischen Lausitzer Bergland und Heide ist nach dem Jahr 600 durch die Milzener besiedelt worden. Kleine Blockfluren der weilerartigen Dörfer kennzeichnen seitdem die Landschaft. Mit der Zuwanderung von Siedlern aus dem Westen des fränkischen Reiches ab dem 12. Jh. entstanden an der Peripherie des Bautzener Landes deutsche Waldhufendörfer (→ Kolonisation). Während sich in Bautzen mit seiner landesherrlichen Burg, dem Sitz der Landvögte und Landesbehörden überwiegend deutschen Handwerker und Kaufleute sowie eine deutsche Beamtenschaft niederließen, blieb das bäuerliche Umland sorbisch geprägt. Im Altsiedelland war die sorbische Bevölkerung so zahlreich, dass es zunächst nicht zu einer Assimilation kam; die Hauptumgangssprache war bis Mitte des 19. Jh. das Sorbische. In Dörfern wie Rackel, Belgern, Nechern, Wurschen oder Cortnitz traf das noch in den 1920er Jahren zu. Zum Jahr 1723 nannte Christian Knauthe für die budissinischen Amtskreise, wozu damals noch die Gegend um Pulsnitz und Hoyerswerda gehörte, 39 sorbische evangelische Kirchen, in die 383 Dörfer eingepfarrt waren. Knauthe erwähnte auf meißnischem Territorium auch die Kirche zu Göda, weil von den dahin eingepfarrten sorbischen Dörfern 46 in der Oberlausitz lagen. Daneben gab es sechs sorbisch-katholische Kirchen für 53 Dörfer. 14 ehemals sorbische Kirchen mit 55 Dörfern an der Peripherie des Bautzener Landes waren bereits eingedeutscht. Der Assimilationsprozess verlief hier bis zum Ersten Weltkrieg relativ langsam und beschleunigte sich erst in der Weimarer Republik.

Altes Bauernhaus in Ebendörfel, Postkarte; Sorbisches Kulturarchiv am Sorbischen Institut

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat die sorbische Sprache ihre Funktion als Kommunikationsmittel im öffentlichen Gebrauch weitgehend eingebüßt. Die Ursachen der Assimilation lagen in Wirtschafts- und Wanderungsprozessen infolge der Industrialisierung, in einer restriktiven Schulpolitik und dem Druck zur Germanisierung während der NS-Zeit sowie in der Ansiedlung von Flüchtlingen und Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten. Die sorbische evangelische Tracht wird seit Mitte des 19. Jh. nicht mehr im Alltag getragen, die katholische Tracht von wenigen älteren Frauen bis in die Gegenwart. Im Bautzener Land wird von den Sorben der Bautzener Dialekt gesprochen, im Kirchspiel Radibor orientiert sich die Aussprache am katholischen Dialekt des Kamenzer Landes. Auf der Grundlage des Bautzener Dialekts entstand im 17. Jh. die Norm für die evangelischen Schriftsprache (→ Obersorbisch).

Folgenreich wurden die unter dem Einfluss des Pietismus durch Adlige gegründeten Schulanstalten in Klix, Großwelka und Uhyst/​Spree, die dazu dienen sollten, „den wendischen Kirchen und Schulen tüchtige, redliche und erfahrene Männer zuzubereiten“ (→ Lehrerseminare). Die in den Revolutionsjahren 1848/49 entstandenen Wendischen Bauernvereine in Baruth, Baschütz, Burk, Dreistern, Großpostwitz, Guttau, Hochkirch, Königswartha, Malschwitz, Milkel, Nadelwitz, Neschwitz, Pommritz, Radibor, Seidau und Wartha verbanden wirtschaftliche und politische Forderungen mit nationalen Interessen. In der nachrevolutionären Phase traten kirchliche Vereine an ihre Stelle: evangelisch-lutherische in Rachlau 1849 , Siebitz 1849, Wurschen 1853; ein katholischer in Radibor 1874. In der zweiten Hälfte des 19. Jh. wurden Geselligkeits-, Spar- und Unterstützungsvereine gebildet, in den 1880er und 1890er Jahren örtliche Landwirtschaftsvereine, nach 1900 schließlich Sport- und Radfahrvereine. Für all diese Zusammenschlüsse war charakteristisch, dass neben den unmittelbaren Vereinszielen die Pflege der sorbischen Sprache und Kultur in den Statuten verankert wurde (→ Vereinswesen).

Kirche in Hochkirch, 2013; Fotograf: Rafael Ledschbor

Ein Zentrum sorbischer Aktivitäten im Bautzener Land war im 20. Jh. Hochkirch östlich von Bautzen, das bis 1952 zum Kreis Löbau gehörte. Die Entwicklung des Dorfes ist repräsentativ für die Wandlung des Sorbentums im Bautzener Land seit 1800. Zur evangelischen Parochie Hochkirch, die gemäß den kirchlichen Verhältnissen in der Oberlausitz auch nach der Reformation unter dem Patronat des katholischen Domstifts stand, zählten neben dem Kirchort 20 Dörfer mit meist sorbischen Einwohnerschaft, 18 von 21 Dorfvorstehern waren zeitweilig Sorben. Während deren Anteil in den kleinen, auf die sorbische Erstbesiedlung zurückgehenden Bauernweilern im 19. Jh. über 90 % lag, war er in Hochkirch etwas geringer, denn der Zentralort hatte früh deutsche Handwerker und Gewerbetreibende angezogen.

1907 fand in Hochkirch die 33. Schadźowanka, das traditionelle Jahrestreffen sorbischer Studenten, statt. Die Teilnehmer bedankten sich für den „lebendigen sorbischen Geist, den sie im Kirchspiel Hochkirch erlebten“. Zum 50. Gründungsfest des Wendischen Vereins fand 1926 ein Treffen sorbischer Vereine mit 4 000 Teilnehmern aus Ober- und Niederlausitz statt. Die Nationalsozialisten unterbanden ab 1933 sukzessive alle sorbischen Aktivitäten. Lehrer Jurij Wjela und Pfarrer Gustaw Alwin Mjerwa wurden in Ämter außerhalb der sorbischen Lausitz versetzt. Eine Neubelebung des Sorbischen nach dem Zweiten Weltkrieg samt Etablierung eines sorbischen Schulzweigs mit 150 Schülern 1948 bis 1951 blieb ein Versuch. Ende Mai 1945 wurde mit Jan Cyž im Kreis Bautzen erstmals ein Sorbe Landrat.

Lit.: Ch. Knauthe: Derer Oberlausitzer Sorberwenden umständliche Kirchengeschichte, Görlitz 1767; T. Malinkowa: Zur Veränderung der nationalen Struktur in der Kirchgemeinde Gröditz in den Jahren 1881 bis 1940, in: Lětopis B 35 (1988); R. Hartmetz: Terra budissinensis, Bautzen 1997; K. Blaschke: Geschichte der Oberlausitz im Überblick, in: 750 Jahre Kloster St. Marienstern. Festschrift, Halle 1998; Geschichte der Oberlausitz, Hg. J. Bahlcke, Leipzig 2001.

Metadaten

Titel
Bautzener Land
Titel
Bautzener Land
Autor:in
Mirtschin, Hans
Autor:in
Mirtschin, Hans
Schlagwörter
evangelische Sorben; Regionalkultur; Herrschaft; Assimilation; Landesgeschichte; Oberlausitz; Obersorbisch; Bautzen
Schlagwörter
evangelische Sorben; Regionalkultur; Herrschaft; Assimilation; Landesgeschichte; Oberlausitz; Obersorbisch; Bautzen
Abstract

Bis ins 15. Jh. einer der Namen für das Markgraftum Oberlausitz, benannt nach dem Hauptort Bautzen. Er hatte die älteren Bezeichnungen Gau Milska oder Milzenerland ab dem 12. Jh. verdrängt.

Abstract

Bis ins 15. Jh. einer der Namen für das Markgraftum Oberlausitz, benannt nach dem Hauptort Bautzen. Er hatte die älteren Bezeichnungen Gau Milska oder Milzenerland ab dem 12. Jh. verdrängt.

Enthalten in Sammlung
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Im Sorabicon 1.0 zu finden unter
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